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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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brachte ihren Lesern den Artikel des Mainzer Journals als geltsame Dar¬
stellung des Streites, während sie sich anstellte, als sei jenes veröffentlichte Cir-
cnlar ein apokryphes Machwerk.

Jener preußisch-hessische Conflict ist allerdings thatsächlich für das Publicum
gleichgültig; denn dnrch die prcußischerseitS erfolgte Beglaubigung des Grafen
Perporcher-Sedlnitzky bei denk Herzog!. Hofe in Nassau und bei der Stadt Frankfurt
sind alle möglichen Nachtheile für das Publicum beseitigt. Trotzdem wird die
Angelegenheit fortwährend eifrig besprochen uno trägt keineswegs dazu bei, dem
Dalwigkschen System die allgemeine Stimmung günstiger zu machen. Besonders
aber hebt mau jetzt die demonstrative Hinneigung zu Frankreich hervor, welche
selbst am kleinsten Bnndeögrenzlaude doppelte Bedeutung gewinnt und hier rein
als Folge eines persönlichen Princips auftritt, das in Hessens Bevölkerung weder
die leiseste Zustimmung, noch die geringste Veranlassung hat. Daß auch der rhei¬
nische Ultramontanismus vorzugsweise seinen Anhalt in Frankreichs jetzigen Zu-
ständen findet, ist bekannt; und so vermuthet mau zwischen den Dalwigkschen Nei¬
gungen zur Napoleonischen Politik und der auffallende" Zurückhaltung des Gou¬
vernements in Hessendarmstadt gegen die ultramontanen Uebergriffe noch einen
tiefern Zusammenhang. Uns einläßlicher darüber auszusprechen, verbieten leider
die heutigen Preßznstände. Verdenken konnte mau es aber jedenfalls unter sol¬
che" außer" Verhältnissen dem Publicum keineswegs, wenn es anch jene offtcielle
Betheiligung des Ministers v. Dalwigk, der höher" Beamten und vieler Offiziere
an der Napoleousfeier, welche der französische Gesandte veranlaßt hatte, nicht als
unbefangene Höflichkeit, sondern als Symptom einer bestimmten Richtung auffaßte.
Der Eindruck war allenthalben mehr als peinlich.

Hier in Frankfurt wäre der Tag wol ganz unbemerkt vorübergegangen, wen"
nicht das Geläute des Doms darau eriuner! hätte. Dagegen erfreute mau sich
an dem Fackel- und JlluminatiouSglanz, welchen die hiesige östreichische Gar¬
nison am Vorabend des Geburtstages ihres Kaisers entwickelte. Eine Parade
und Feldmesse folgte am Geburtstage selbst, dessen diplomatische Begehung wegen
einer Besnchsreise des Hr. v. Prokesch zu seinen Verwandten in Baden diesmal
unterblieb. Von Freiburg ist Hr. v. Prokesch nach Paris gegangen, um die
Eudwocheu der BundestagSferien zu einer Reise nach Oestreich zu benutzen. Man
glaubt, baß der in den orientalischen Angelegenheiten so bewanderte Staatsmann
mit dieser Reise politische Zwecke verbinde, welche sich ans eine noch engere Con-
solidirung der östreichisch-französischen Allianz beziehen. In wieweit mau recht
hat, mag unentschieden bleiben. Jedenfalls hat die Cvnjcctnralpolitik um so mehr
Raum, je verlassener gegenwärtig unsere Stadt vou den diplomatischen Elementen
ist, deren Aeußerungen sonst wol einigen Anhalt geben. Sogar die Ausschüsse
habe" ihre Arbeite" ausgesetzt und soviel bekannt, ist der baierische Gesandte, Hr.
v. Schreck, ziemlich allein vom ganzen Bundestag zurückgeblieben.


brachte ihren Lesern den Artikel des Mainzer Journals als geltsame Dar¬
stellung des Streites, während sie sich anstellte, als sei jenes veröffentlichte Cir-
cnlar ein apokryphes Machwerk.

Jener preußisch-hessische Conflict ist allerdings thatsächlich für das Publicum
gleichgültig; denn dnrch die prcußischerseitS erfolgte Beglaubigung des Grafen
Perporcher-Sedlnitzky bei denk Herzog!. Hofe in Nassau und bei der Stadt Frankfurt
sind alle möglichen Nachtheile für das Publicum beseitigt. Trotzdem wird die
Angelegenheit fortwährend eifrig besprochen uno trägt keineswegs dazu bei, dem
Dalwigkschen System die allgemeine Stimmung günstiger zu machen. Besonders
aber hebt mau jetzt die demonstrative Hinneigung zu Frankreich hervor, welche
selbst am kleinsten Bnndeögrenzlaude doppelte Bedeutung gewinnt und hier rein
als Folge eines persönlichen Princips auftritt, das in Hessens Bevölkerung weder
die leiseste Zustimmung, noch die geringste Veranlassung hat. Daß auch der rhei¬
nische Ultramontanismus vorzugsweise seinen Anhalt in Frankreichs jetzigen Zu-
ständen findet, ist bekannt; und so vermuthet mau zwischen den Dalwigkschen Nei¬
gungen zur Napoleonischen Politik und der auffallende» Zurückhaltung des Gou¬
vernements in Hessendarmstadt gegen die ultramontanen Uebergriffe noch einen
tiefern Zusammenhang. Uns einläßlicher darüber auszusprechen, verbieten leider
die heutigen Preßznstände. Verdenken konnte mau es aber jedenfalls unter sol¬
che« außer» Verhältnissen dem Publicum keineswegs, wenn es anch jene offtcielle
Betheiligung des Ministers v. Dalwigk, der höher» Beamten und vieler Offiziere
an der Napoleousfeier, welche der französische Gesandte veranlaßt hatte, nicht als
unbefangene Höflichkeit, sondern als Symptom einer bestimmten Richtung auffaßte.
Der Eindruck war allenthalben mehr als peinlich.

Hier in Frankfurt wäre der Tag wol ganz unbemerkt vorübergegangen, wen»
nicht das Geläute des Doms darau eriuner! hätte. Dagegen erfreute mau sich
an dem Fackel- und JlluminatiouSglanz, welchen die hiesige östreichische Gar¬
nison am Vorabend des Geburtstages ihres Kaisers entwickelte. Eine Parade
und Feldmesse folgte am Geburtstage selbst, dessen diplomatische Begehung wegen
einer Besnchsreise des Hr. v. Prokesch zu seinen Verwandten in Baden diesmal
unterblieb. Von Freiburg ist Hr. v. Prokesch nach Paris gegangen, um die
Eudwocheu der BundestagSferien zu einer Reise nach Oestreich zu benutzen. Man
glaubt, baß der in den orientalischen Angelegenheiten so bewanderte Staatsmann
mit dieser Reise politische Zwecke verbinde, welche sich ans eine noch engere Con-
solidirung der östreichisch-französischen Allianz beziehen. In wieweit mau recht
hat, mag unentschieden bleiben. Jedenfalls hat die Cvnjcctnralpolitik um so mehr
Raum, je verlassener gegenwärtig unsere Stadt vou den diplomatischen Elementen
ist, deren Aeußerungen sonst wol einigen Anhalt geben. Sogar die Ausschüsse
habe» ihre Arbeite» ausgesetzt und soviel bekannt, ist der baierische Gesandte, Hr.
v. Schreck, ziemlich allein vom ganzen Bundestag zurückgeblieben.


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[0475] brachte ihren Lesern den Artikel des Mainzer Journals als geltsame Dar¬ stellung des Streites, während sie sich anstellte, als sei jenes veröffentlichte Cir- cnlar ein apokryphes Machwerk. Jener preußisch-hessische Conflict ist allerdings thatsächlich für das Publicum gleichgültig; denn dnrch die prcußischerseitS erfolgte Beglaubigung des Grafen Perporcher-Sedlnitzky bei denk Herzog!. Hofe in Nassau und bei der Stadt Frankfurt sind alle möglichen Nachtheile für das Publicum beseitigt. Trotzdem wird die Angelegenheit fortwährend eifrig besprochen uno trägt keineswegs dazu bei, dem Dalwigkschen System die allgemeine Stimmung günstiger zu machen. Besonders aber hebt mau jetzt die demonstrative Hinneigung zu Frankreich hervor, welche selbst am kleinsten Bnndeögrenzlaude doppelte Bedeutung gewinnt und hier rein als Folge eines persönlichen Princips auftritt, das in Hessens Bevölkerung weder die leiseste Zustimmung, noch die geringste Veranlassung hat. Daß auch der rhei¬ nische Ultramontanismus vorzugsweise seinen Anhalt in Frankreichs jetzigen Zu- ständen findet, ist bekannt; und so vermuthet mau zwischen den Dalwigkschen Nei¬ gungen zur Napoleonischen Politik und der auffallende» Zurückhaltung des Gou¬ vernements in Hessendarmstadt gegen die ultramontanen Uebergriffe noch einen tiefern Zusammenhang. Uns einläßlicher darüber auszusprechen, verbieten leider die heutigen Preßznstände. Verdenken konnte mau es aber jedenfalls unter sol¬ che« außer» Verhältnissen dem Publicum keineswegs, wenn es anch jene offtcielle Betheiligung des Ministers v. Dalwigk, der höher» Beamten und vieler Offiziere an der Napoleousfeier, welche der französische Gesandte veranlaßt hatte, nicht als unbefangene Höflichkeit, sondern als Symptom einer bestimmten Richtung auffaßte. Der Eindruck war allenthalben mehr als peinlich. Hier in Frankfurt wäre der Tag wol ganz unbemerkt vorübergegangen, wen» nicht das Geläute des Doms darau eriuner! hätte. Dagegen erfreute mau sich an dem Fackel- und JlluminatiouSglanz, welchen die hiesige östreichische Gar¬ nison am Vorabend des Geburtstages ihres Kaisers entwickelte. Eine Parade und Feldmesse folgte am Geburtstage selbst, dessen diplomatische Begehung wegen einer Besnchsreise des Hr. v. Prokesch zu seinen Verwandten in Baden diesmal unterblieb. Von Freiburg ist Hr. v. Prokesch nach Paris gegangen, um die Eudwocheu der BundestagSferien zu einer Reise nach Oestreich zu benutzen. Man glaubt, baß der in den orientalischen Angelegenheiten so bewanderte Staatsmann mit dieser Reise politische Zwecke verbinde, welche sich ans eine noch engere Con- solidirung der östreichisch-französischen Allianz beziehen. In wieweit mau recht hat, mag unentschieden bleiben. Jedenfalls hat die Cvnjcctnralpolitik um so mehr Raum, je verlassener gegenwärtig unsere Stadt vou den diplomatischen Elementen ist, deren Aeußerungen sonst wol einigen Anhalt geben. Sogar die Ausschüsse habe» ihre Arbeite» ausgesetzt und soviel bekannt, ist der baierische Gesandte, Hr. v. Schreck, ziemlich allein vom ganzen Bundestag zurückgeblieben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/475>, abgerufen am 25.08.2024.