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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Eine ganze Reihe keineswegs unwichtiger Gegenstände werden aber die Thä¬
tigkeit des Bundestages sofort nach seiner Wiedereröffnung in Anspruch nehme".
Mehre davon traten schon früher bedeutsam hervor, während sie neuerdings
wieder einigermaßen zurückgestellt blieben.

Darunter nennen wir zunächst das BuudeSpreßgesetz. Manche Zeitungen stellen
die Uebereinstimmung sämmtlicher Bundesregierungen i" dem vom baierischen
Gesandten neu bearbeiteten Entwürfe als eine zweifellose Sache hin. Darin irrt
man bestimmt. Denn formell hat allerdings die neue Bearbeitung der norddeut¬
schen Aufstellung in manchen Punkten entsprochen, dagegen keineswegs essentiell.
Zugleich darf man nur die thatsächliche Haltung der Behörden in Süd- und
Norddeutschland gegen die Presse beachten, um zu erkennen, daß für manche Be¬
stimmungen des neuen Entwurfs eine Gleichmäßigkeit im ganzen Bundesgebiet
zu den Unmöglichkeiten gehört. Stimmcuciuhelligkeit, nicht blos Stimmenmehrheit,
ist aber die nothwendige Bedingung, woran überhaupt ein Zustandekommen des
Buudespreszgesctzes geknüpft ist. Wie schwer, fast unmöglich deren Erreichung
in alle", das Einzelrechtsleben der Staaten berührenden Angelegenheiten zu
erreichen ist, zeige" schon die Verhandlungen über gegenseitige Verbrechcraus-
lieferuug. Wie un" vollends bei einer Frage, welche die höchsten geistigen In¬
teressen jedes Staates umfaßt! -- Eine andere Angelegenheit von allerhöchster
Wichtigkeit ist die Reintegrirnng der BuudeSfonds. Die preußische Denkschrift
darüber ist in ihren Resultaten bereits von viele" Zeitungen dargelegt worden.
Sie bezeichnet den einzig möglichen Weg, nämlich die Erfüllung der pecuniären
Bundesverpflichtungen von Seite jeuer Staate", welche noch mit ihren Matriknlar-
zahlungen für die Flotte und die Verpflegung der Reichstruppen im Rückstände
sind. Dies betrifft ganz vorzugsweise die südliche" Bundesstaaten. Wir werden
also sehen, ob die in diesen so oft und so speciell für sich beanspruchten patrio¬
tischen Gesinnungen sich durch Erfüllung ihrer zweifellosen Bnndespflichte" be¬
währe". Eine mehr innere Angelegenheit der Bundesversammlung ist die be¬
antragte Revision und definitive Feststellung der Geschäftsordnung. Die bisher
gehandhabte wurde 1816 nur provisorisch aufgestellt und git't dem Präsidium so
tiefeingreifende Machtbefugnisse, daß darin in der That von einem Principe der
Gleichberechtigung nicht die Rede ist. Zugleich zielt die vou Preußen befürwortete
Reform auf bedeutende Ersparungen im Personal und sehr wesentliche Verein¬
fachungen des Geschäftsganges. -- Außer diesen Angelegenheiten werden auch die
Fragen des Bundeskriegswesens wieder in den Vorgrund trete". Nachdem mau
früher vou gewissen Seiten die Bewilligung unverhältnißmäßiger Summen für
kolossale, aber nicht drängende Erweiterungen der Werke von Ulm und Rastadt
wie eine nationale Lebensfrage zu drapiren versuchte, ist es auffallend genug, daß
dieselbe" Stimmen gar so lan sind, nachdem die Gegenforderungen auf Befestigung
der vom Bund bisher strategisch ganz unberücksichtigt gebliebenen deutschen Nord-


Eine ganze Reihe keineswegs unwichtiger Gegenstände werden aber die Thä¬
tigkeit des Bundestages sofort nach seiner Wiedereröffnung in Anspruch nehme».
Mehre davon traten schon früher bedeutsam hervor, während sie neuerdings
wieder einigermaßen zurückgestellt blieben.

Darunter nennen wir zunächst das BuudeSpreßgesetz. Manche Zeitungen stellen
die Uebereinstimmung sämmtlicher Bundesregierungen i» dem vom baierischen
Gesandten neu bearbeiteten Entwürfe als eine zweifellose Sache hin. Darin irrt
man bestimmt. Denn formell hat allerdings die neue Bearbeitung der norddeut¬
schen Aufstellung in manchen Punkten entsprochen, dagegen keineswegs essentiell.
Zugleich darf man nur die thatsächliche Haltung der Behörden in Süd- und
Norddeutschland gegen die Presse beachten, um zu erkennen, daß für manche Be¬
stimmungen des neuen Entwurfs eine Gleichmäßigkeit im ganzen Bundesgebiet
zu den Unmöglichkeiten gehört. Stimmcuciuhelligkeit, nicht blos Stimmenmehrheit,
ist aber die nothwendige Bedingung, woran überhaupt ein Zustandekommen des
Buudespreszgesctzes geknüpft ist. Wie schwer, fast unmöglich deren Erreichung
in alle», das Einzelrechtsleben der Staaten berührenden Angelegenheiten zu
erreichen ist, zeige» schon die Verhandlungen über gegenseitige Verbrechcraus-
lieferuug. Wie un» vollends bei einer Frage, welche die höchsten geistigen In¬
teressen jedes Staates umfaßt! — Eine andere Angelegenheit von allerhöchster
Wichtigkeit ist die Reintegrirnng der BuudeSfonds. Die preußische Denkschrift
darüber ist in ihren Resultaten bereits von viele» Zeitungen dargelegt worden.
Sie bezeichnet den einzig möglichen Weg, nämlich die Erfüllung der pecuniären
Bundesverpflichtungen von Seite jeuer Staate», welche noch mit ihren Matriknlar-
zahlungen für die Flotte und die Verpflegung der Reichstruppen im Rückstände
sind. Dies betrifft ganz vorzugsweise die südliche» Bundesstaaten. Wir werden
also sehen, ob die in diesen so oft und so speciell für sich beanspruchten patrio¬
tischen Gesinnungen sich durch Erfüllung ihrer zweifellosen Bnndespflichte» be¬
währe». Eine mehr innere Angelegenheit der Bundesversammlung ist die be¬
antragte Revision und definitive Feststellung der Geschäftsordnung. Die bisher
gehandhabte wurde 1816 nur provisorisch aufgestellt und git't dem Präsidium so
tiefeingreifende Machtbefugnisse, daß darin in der That von einem Principe der
Gleichberechtigung nicht die Rede ist. Zugleich zielt die vou Preußen befürwortete
Reform auf bedeutende Ersparungen im Personal und sehr wesentliche Verein¬
fachungen des Geschäftsganges. — Außer diesen Angelegenheiten werden auch die
Fragen des Bundeskriegswesens wieder in den Vorgrund trete». Nachdem mau
früher vou gewissen Seiten die Bewilligung unverhältnißmäßiger Summen für
kolossale, aber nicht drängende Erweiterungen der Werke von Ulm und Rastadt
wie eine nationale Lebensfrage zu drapiren versuchte, ist es auffallend genug, daß
dieselbe» Stimmen gar so lan sind, nachdem die Gegenforderungen auf Befestigung
der vom Bund bisher strategisch ganz unberücksichtigt gebliebenen deutschen Nord-


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[0476] Eine ganze Reihe keineswegs unwichtiger Gegenstände werden aber die Thä¬ tigkeit des Bundestages sofort nach seiner Wiedereröffnung in Anspruch nehme». Mehre davon traten schon früher bedeutsam hervor, während sie neuerdings wieder einigermaßen zurückgestellt blieben. Darunter nennen wir zunächst das BuudeSpreßgesetz. Manche Zeitungen stellen die Uebereinstimmung sämmtlicher Bundesregierungen i» dem vom baierischen Gesandten neu bearbeiteten Entwürfe als eine zweifellose Sache hin. Darin irrt man bestimmt. Denn formell hat allerdings die neue Bearbeitung der norddeut¬ schen Aufstellung in manchen Punkten entsprochen, dagegen keineswegs essentiell. Zugleich darf man nur die thatsächliche Haltung der Behörden in Süd- und Norddeutschland gegen die Presse beachten, um zu erkennen, daß für manche Be¬ stimmungen des neuen Entwurfs eine Gleichmäßigkeit im ganzen Bundesgebiet zu den Unmöglichkeiten gehört. Stimmcuciuhelligkeit, nicht blos Stimmenmehrheit, ist aber die nothwendige Bedingung, woran überhaupt ein Zustandekommen des Buudespreszgesctzes geknüpft ist. Wie schwer, fast unmöglich deren Erreichung in alle», das Einzelrechtsleben der Staaten berührenden Angelegenheiten zu erreichen ist, zeige» schon die Verhandlungen über gegenseitige Verbrechcraus- lieferuug. Wie un» vollends bei einer Frage, welche die höchsten geistigen In¬ teressen jedes Staates umfaßt! — Eine andere Angelegenheit von allerhöchster Wichtigkeit ist die Reintegrirnng der BuudeSfonds. Die preußische Denkschrift darüber ist in ihren Resultaten bereits von viele» Zeitungen dargelegt worden. Sie bezeichnet den einzig möglichen Weg, nämlich die Erfüllung der pecuniären Bundesverpflichtungen von Seite jeuer Staate», welche noch mit ihren Matriknlar- zahlungen für die Flotte und die Verpflegung der Reichstruppen im Rückstände sind. Dies betrifft ganz vorzugsweise die südliche» Bundesstaaten. Wir werden also sehen, ob die in diesen so oft und so speciell für sich beanspruchten patrio¬ tischen Gesinnungen sich durch Erfüllung ihrer zweifellosen Bnndespflichte» be¬ währe». Eine mehr innere Angelegenheit der Bundesversammlung ist die be¬ antragte Revision und definitive Feststellung der Geschäftsordnung. Die bisher gehandhabte wurde 1816 nur provisorisch aufgestellt und git't dem Präsidium so tiefeingreifende Machtbefugnisse, daß darin in der That von einem Principe der Gleichberechtigung nicht die Rede ist. Zugleich zielt die vou Preußen befürwortete Reform auf bedeutende Ersparungen im Personal und sehr wesentliche Verein¬ fachungen des Geschäftsganges. — Außer diesen Angelegenheiten werden auch die Fragen des Bundeskriegswesens wieder in den Vorgrund trete». Nachdem mau früher vou gewissen Seiten die Bewilligung unverhältnißmäßiger Summen für kolossale, aber nicht drängende Erweiterungen der Werke von Ulm und Rastadt wie eine nationale Lebensfrage zu drapiren versuchte, ist es auffallend genug, daß dieselbe» Stimmen gar so lan sind, nachdem die Gegenforderungen auf Befestigung der vom Bund bisher strategisch ganz unberücksichtigt gebliebenen deutschen Nord-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/476>, abgerufen am 01.07.2024.