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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Ständige politische Vereine oder Clubs, wie sie in Frankreich und in den lebten
Jahren in Deutschland vor dem Wiedereintritt der Reaction gebräuchlich waren,
finden hier dagegen wenigstens nicht in großer Ausdehnung statt. Die Freiheit
erscheint hier so gesichert, daß man dieselben nicht nöthig zu haben glaubt.
In Bezug auf die Zeitungen, die beinahe den einzigen Lesestoff von vielleicht
°Vioo "iter Lesende" bilde", bemerken wir noch, daß im Mississippi-Thal ungefähr
1040 derselbe" erscheinen*), von welchen etwa 800 wöchentliche, die vorzugsweise
ans die Landbevölkerung berechnet sind. Die große Mehrzahl wird sehr mäßig
redigirt, hat aber doch namentlich ans die Wahlen einen sehr großen Einfluß.
Während in Deutschland die meisten Zeitnngsredactcure ganz vorzugsweise das
gebildete Publicum vor Augen haben, verfallen dieselben hier häufig in den
umgekehrten Fehler und schmiegen sich gar zu sehr dem Geschmack und der
Fassungskraft der Ungebildeten an. Indessen verbreiten die Zeitungen durch
Mittheilung politischer Verhandlungen :c. doch immer eine große Masse belehren¬
den und bildenden Stoffes.

Die materielle Lebensweise der großen Masse des Volks ist im ganzen ziemlich
gleichmäßig, d. h. nicht so sehr nach den Vermögensverhältnissen verschieden, wie
in Europa. Im allgemeinen ist das Volk gut und zweckmäßig gekleidet, wohl
genährt und wohnt in leidlichen Wohnungen, wenn auch manche Genüsse und
Bequemlichkeiten des europäischen Lebens fehlen. Die Hänser in den große"
Städten sind größtentheils leicht und undicht gebant, was in kalten Wintern ein
großer Uebelstand ist. Auf dem Lande find die meisten Häuser von wenig behauenen
BanMstämmcn aufgeführte Blockhäuser (log-douses), die übrigen find gewöhnlich
von Balken Und Bretern (krmno-Iwrwös), zuweilen auch von Gebälk mit einge¬
mauerten Backsteinen (äatolr krame), seltener von Brnchstei" lstone-dousLs) oder
von Backstei" (bi'icK-lrouZss) erba"t. I" de" südlichern Gegenden sind die
Hänser gewöhnlich mit bedeckten Vorhallen oder Gänge" (porodes) und mit
Neraudaö versehen "ud werden ger" i" der Richtung von Norden uach Süde"
gebaut, damit die hier kühlenden Südwinde Durchgang haben. Im Süden
bepflanzt man auch die Umgebung der Häuser mit Schattenbäume", vou welchen
besonders der sog. ?r1ne c"t Lkuria (nella axaclerirek) der Wasserahorn (Vrller
nidram), die weiße Ulme lulmrrs penclula),.die Katalpa (bissnoiüa eatalpa), die
Sycomore (platturus oooiäczntirlis) und die Akazie (Kobinia pseuüoaeaoia) beliebt
sind. In dem mittleren Landstrich, wo es doch im Sommer sehr heiß ist, fehlt
es nicht selten in der Umgebung der Wohnungen an Schatten, zum Theil weil
man beim Lichten des Waldes alles übereilt abschlägt und nicht Bänme genng
für Hanöplätze stehen läßt.

Die Kleidung besteht im Winter ans wollenen Tuche, im Sommer meistens



') Ungefähr auf jede Einwohner kommt eine Zeitung; in den östlichen Staate"
tonunt dagegen ans o. jede 700Y freie Einwohner eine.
("renzvolen, M, 59

Ständige politische Vereine oder Clubs, wie sie in Frankreich und in den lebten
Jahren in Deutschland vor dem Wiedereintritt der Reaction gebräuchlich waren,
finden hier dagegen wenigstens nicht in großer Ausdehnung statt. Die Freiheit
erscheint hier so gesichert, daß man dieselben nicht nöthig zu haben glaubt.
In Bezug auf die Zeitungen, die beinahe den einzigen Lesestoff von vielleicht
°Vioo "iter Lesende» bilde», bemerken wir noch, daß im Mississippi-Thal ungefähr
1040 derselbe» erscheinen*), von welchen etwa 800 wöchentliche, die vorzugsweise
ans die Landbevölkerung berechnet sind. Die große Mehrzahl wird sehr mäßig
redigirt, hat aber doch namentlich ans die Wahlen einen sehr großen Einfluß.
Während in Deutschland die meisten Zeitnngsredactcure ganz vorzugsweise das
gebildete Publicum vor Augen haben, verfallen dieselben hier häufig in den
umgekehrten Fehler und schmiegen sich gar zu sehr dem Geschmack und der
Fassungskraft der Ungebildeten an. Indessen verbreiten die Zeitungen durch
Mittheilung politischer Verhandlungen :c. doch immer eine große Masse belehren¬
den und bildenden Stoffes.

Die materielle Lebensweise der großen Masse des Volks ist im ganzen ziemlich
gleichmäßig, d. h. nicht so sehr nach den Vermögensverhältnissen verschieden, wie
in Europa. Im allgemeinen ist das Volk gut und zweckmäßig gekleidet, wohl
genährt und wohnt in leidlichen Wohnungen, wenn auch manche Genüsse und
Bequemlichkeiten des europäischen Lebens fehlen. Die Hänser in den große»
Städten sind größtentheils leicht und undicht gebant, was in kalten Wintern ein
großer Uebelstand ist. Auf dem Lande find die meisten Häuser von wenig behauenen
BanMstämmcn aufgeführte Blockhäuser (log-douses), die übrigen find gewöhnlich
von Balken Und Bretern (krmno-Iwrwös), zuweilen auch von Gebälk mit einge¬
mauerten Backsteinen (äatolr krame), seltener von Brnchstei» lstone-dousLs) oder
von Backstei» (bi'icK-lrouZss) erba»t. I» de» südlichern Gegenden sind die
Hänser gewöhnlich mit bedeckten Vorhallen oder Gänge» (porodes) und mit
Neraudaö versehen »ud werden ger» i» der Richtung von Norden uach Süde»
gebaut, damit die hier kühlenden Südwinde Durchgang haben. Im Süden
bepflanzt man auch die Umgebung der Häuser mit Schattenbäume», vou welchen
besonders der sog. ?r1ne c»t Lkuria (nella axaclerirek) der Wasserahorn (Vrller
nidram), die weiße Ulme lulmrrs penclula),.die Katalpa (bissnoiüa eatalpa), die
Sycomore (platturus oooiäczntirlis) und die Akazie (Kobinia pseuüoaeaoia) beliebt
sind. In dem mittleren Landstrich, wo es doch im Sommer sehr heiß ist, fehlt
es nicht selten in der Umgebung der Wohnungen an Schatten, zum Theil weil
man beim Lichten des Waldes alles übereilt abschlägt und nicht Bänme genng
für Hanöplätze stehen läßt.

Die Kleidung besteht im Winter ans wollenen Tuche, im Sommer meistens



') Ungefähr auf jede Einwohner kommt eine Zeitung; in den östlichen Staate»
tonunt dagegen ans o. jede 700Y freie Einwohner eine.
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[0471] Ständige politische Vereine oder Clubs, wie sie in Frankreich und in den lebten Jahren in Deutschland vor dem Wiedereintritt der Reaction gebräuchlich waren, finden hier dagegen wenigstens nicht in großer Ausdehnung statt. Die Freiheit erscheint hier so gesichert, daß man dieselben nicht nöthig zu haben glaubt. In Bezug auf die Zeitungen, die beinahe den einzigen Lesestoff von vielleicht °Vioo "iter Lesende» bilde», bemerken wir noch, daß im Mississippi-Thal ungefähr 1040 derselbe» erscheinen*), von welchen etwa 800 wöchentliche, die vorzugsweise ans die Landbevölkerung berechnet sind. Die große Mehrzahl wird sehr mäßig redigirt, hat aber doch namentlich ans die Wahlen einen sehr großen Einfluß. Während in Deutschland die meisten Zeitnngsredactcure ganz vorzugsweise das gebildete Publicum vor Augen haben, verfallen dieselben hier häufig in den umgekehrten Fehler und schmiegen sich gar zu sehr dem Geschmack und der Fassungskraft der Ungebildeten an. Indessen verbreiten die Zeitungen durch Mittheilung politischer Verhandlungen :c. doch immer eine große Masse belehren¬ den und bildenden Stoffes. Die materielle Lebensweise der großen Masse des Volks ist im ganzen ziemlich gleichmäßig, d. h. nicht so sehr nach den Vermögensverhältnissen verschieden, wie in Europa. Im allgemeinen ist das Volk gut und zweckmäßig gekleidet, wohl genährt und wohnt in leidlichen Wohnungen, wenn auch manche Genüsse und Bequemlichkeiten des europäischen Lebens fehlen. Die Hänser in den große» Städten sind größtentheils leicht und undicht gebant, was in kalten Wintern ein großer Uebelstand ist. Auf dem Lande find die meisten Häuser von wenig behauenen BanMstämmcn aufgeführte Blockhäuser (log-douses), die übrigen find gewöhnlich von Balken Und Bretern (krmno-Iwrwös), zuweilen auch von Gebälk mit einge¬ mauerten Backsteinen (äatolr krame), seltener von Brnchstei» lstone-dousLs) oder von Backstei» (bi'icK-lrouZss) erba»t. I» de» südlichern Gegenden sind die Hänser gewöhnlich mit bedeckten Vorhallen oder Gänge» (porodes) und mit Neraudaö versehen »ud werden ger» i» der Richtung von Norden uach Süde» gebaut, damit die hier kühlenden Südwinde Durchgang haben. Im Süden bepflanzt man auch die Umgebung der Häuser mit Schattenbäume», vou welchen besonders der sog. ?r1ne c»t Lkuria (nella axaclerirek) der Wasserahorn (Vrller nidram), die weiße Ulme lulmrrs penclula),.die Katalpa (bissnoiüa eatalpa), die Sycomore (platturus oooiäczntirlis) und die Akazie (Kobinia pseuüoaeaoia) beliebt sind. In dem mittleren Landstrich, wo es doch im Sommer sehr heiß ist, fehlt es nicht selten in der Umgebung der Wohnungen an Schatten, zum Theil weil man beim Lichten des Waldes alles übereilt abschlägt und nicht Bänme genng für Hanöplätze stehen läßt. Die Kleidung besteht im Winter ans wollenen Tuche, im Sommer meistens ') Ungefähr auf jede Einwohner kommt eine Zeitung; in den östlichen Staate» tonunt dagegen ans o. jede 700Y freie Einwohner eine. (»renzvolen, M, 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/471>, abgerufen am 03.07.2024.