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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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wenn anch in vielen Beziehungen in geringerem Grade, doch auch in den
großen Städten vor, die sich von ihren Umgebungen nicht ablösen wollen
und könne". Dagegen trifft nachfolgendes vorzugsweise das städtische Leben,
wenn auch das ländliche in geringerem Maße daran Theil hat. Während in
Europa ein Beruf, ein Geschäft das ganze Leben auszufüllen pflegt, begünstigt
hier alles den Wechsel der Geschäftstätigkeit, und die Verknüpfung ver¬
schiedenartiger Geschäfte. Es ist nichts Seltenes, daß dieselbe Person in einem
Jahre drei oder viererlei verschiedenartige Geschäfte treibt. Es stehen ihm weder
beschränkende Zunft- und andere Gewerbsgesetze, noch auch die öffentliche Mei¬
nung im Wege, die es uicht für Wankelmuth ansieht, ein besser rentirendeS
Geschäft zu ergreifen, sondern es im Gegentheil für Bornirtheit hält, ein
Geschäft fortzutreiben, welches nicht recht gehen will, wenn ein andrer Ausweg
übrig bleibt. Die Speculation des östlichen Ungko-Amerikaners, vorzüglich deS
Um-Engländers (des eigentlichen Uankee), reißt im allgemeinen alle mit sich fort,
den Einwandrer so gut wie den Eingebornen. Der arme Einwandrer, der in
seinem Geburtslande nnr daran denken konnte, wie er für sich und seine
Familie das tägliche Brod verdiene, sieht hier plötzlich viele Wege offen,
zu einem verhältnißmäßigen Wohlstande zu gelange" und sich Eigenthum zu
erwerbe", ja wenn er Verstand und Talent besitzt, zu einigem Einfluß auf die
öffentlichen Angelegenheiten wenigstens seiner Gemeinde zu gelangen. Dies belebt
seine Thätigkeit und erheitert sein Gemüth. Fast kein einziger, ohne alles
Vermögen Eingewanderte wünscht wieder von hier nach seiner Heimat zurück,
wenn er die ersten, gewöhnlich allerdings schweren Jahre überstanden hat. Auch
die Freiheit von jeglichem Kirchenzwange ist hier vielen von der größten
Wichtigkeit.

Außer den natürlichen, der Freiheit so günstigen Zustände" ist es die freie
Staatsverfassung, welche deu Charakter bildet und Liebe zum Vaterlande einflößt.
Nicht, daß nicht auch hier Mißbräuche und mangelhafte Einrichtungen im
Staatswese" stattfinde" und eine fortwährende Besserung der Verfassung und
der Regierungseinrichtunge" nöthig machen; aber jeder Bürger hat hier das
Gefühl, daß ihm nicht blos eine passive Theilnahme an der Staatsgemeinschaft
eingeräumt ist und er den Ruhm des Gehorchens hat, sondern daß er selbst mit
regiert und seine Stimme in den öffentlichen Angelegenheiten aller Kreise dieselbe
Bedeutung hat, wie die irgend eines anderen. Nur in den Sklavenstaaten wird freilich
diese demokratische Gleichheit gegen einen sehr großen Theil, zuweilen gegen die
Mehrheit der Bewohner ans eine Weise verletzt, die schleunig abhelfende Maßregeln
fordert, wenn nicht die Union daran zu Grunde gehen oder früher oder später
ein Vernichtungskrieg gegen die Neger die Folge davon sein soll. -- Das politische Leben
wird durch die Wahlen, durch öffentliche politische Versammlungen, durch Debattir-
nnd Redeübungen und vor allem dnrch die Zeitungen stets rege erhalten.


wenn anch in vielen Beziehungen in geringerem Grade, doch auch in den
großen Städten vor, die sich von ihren Umgebungen nicht ablösen wollen
und könne». Dagegen trifft nachfolgendes vorzugsweise das städtische Leben,
wenn auch das ländliche in geringerem Maße daran Theil hat. Während in
Europa ein Beruf, ein Geschäft das ganze Leben auszufüllen pflegt, begünstigt
hier alles den Wechsel der Geschäftstätigkeit, und die Verknüpfung ver¬
schiedenartiger Geschäfte. Es ist nichts Seltenes, daß dieselbe Person in einem
Jahre drei oder viererlei verschiedenartige Geschäfte treibt. Es stehen ihm weder
beschränkende Zunft- und andere Gewerbsgesetze, noch auch die öffentliche Mei¬
nung im Wege, die es uicht für Wankelmuth ansieht, ein besser rentirendeS
Geschäft zu ergreifen, sondern es im Gegentheil für Bornirtheit hält, ein
Geschäft fortzutreiben, welches nicht recht gehen will, wenn ein andrer Ausweg
übrig bleibt. Die Speculation des östlichen Ungko-Amerikaners, vorzüglich deS
Um-Engländers (des eigentlichen Uankee), reißt im allgemeinen alle mit sich fort,
den Einwandrer so gut wie den Eingebornen. Der arme Einwandrer, der in
seinem Geburtslande nnr daran denken konnte, wie er für sich und seine
Familie das tägliche Brod verdiene, sieht hier plötzlich viele Wege offen,
zu einem verhältnißmäßigen Wohlstande zu gelange» und sich Eigenthum zu
erwerbe», ja wenn er Verstand und Talent besitzt, zu einigem Einfluß auf die
öffentlichen Angelegenheiten wenigstens seiner Gemeinde zu gelangen. Dies belebt
seine Thätigkeit und erheitert sein Gemüth. Fast kein einziger, ohne alles
Vermögen Eingewanderte wünscht wieder von hier nach seiner Heimat zurück,
wenn er die ersten, gewöhnlich allerdings schweren Jahre überstanden hat. Auch
die Freiheit von jeglichem Kirchenzwange ist hier vielen von der größten
Wichtigkeit.

Außer den natürlichen, der Freiheit so günstigen Zustände» ist es die freie
Staatsverfassung, welche deu Charakter bildet und Liebe zum Vaterlande einflößt.
Nicht, daß nicht auch hier Mißbräuche und mangelhafte Einrichtungen im
Staatswese» stattfinde» und eine fortwährende Besserung der Verfassung und
der Regierungseinrichtunge» nöthig machen; aber jeder Bürger hat hier das
Gefühl, daß ihm nicht blos eine passive Theilnahme an der Staatsgemeinschaft
eingeräumt ist und er den Ruhm des Gehorchens hat, sondern daß er selbst mit
regiert und seine Stimme in den öffentlichen Angelegenheiten aller Kreise dieselbe
Bedeutung hat, wie die irgend eines anderen. Nur in den Sklavenstaaten wird freilich
diese demokratische Gleichheit gegen einen sehr großen Theil, zuweilen gegen die
Mehrheit der Bewohner ans eine Weise verletzt, die schleunig abhelfende Maßregeln
fordert, wenn nicht die Union daran zu Grunde gehen oder früher oder später
ein Vernichtungskrieg gegen die Neger die Folge davon sein soll. — Das politische Leben
wird durch die Wahlen, durch öffentliche politische Versammlungen, durch Debattir-
nnd Redeübungen und vor allem dnrch die Zeitungen stets rege erhalten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/470>, abgerufen am 03.07.2024.