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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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zehn Jahren von 1839 -- 40 bis 1848--49, eine Periode, die in finanzieller Hin¬
sicht als fortdauernde Kriegszeit betrachtet werden kann, und welche die Feldzüge
von Afghanistan, Sind und Pendschab in sich schließt, überstiegen die Ausgaben
die Einnahmen um 13 Mill. Pfd., was für das Jahr ein Deficit von 1^2 Mill.
ergibt." Aus einem andern Document erhellt, daß in dem Finanzjahr 1836--37
die Ausgaben der Compagnie für das Militär 6--7 Mill. betrugen, während sie
1849--30 auf mehr als 10 Mill. stiegen. Auch hier muß nach einigen zuweilen
Ostindien Lasten tragen, die eigentlich dem Mutterlande zukommen. Die Armee
der ostindischen Compagnie ist 12,000 Mann europäische Truppen, und 230,000
Sepoys oder irreguläre stark; die Zahl der in Ostindien zu verwendenden Truppen ist
durch Parlamcntsbeschluß auf 20,000 Manu beschränkt, wenn die Compagnie
selbst nicht mehr verlangt. Nun behaupten manche, da nur der Vorsitzende des
Collegiums der Direktoren zu bestimmen hat, wieviel königliche Truppen er in
Indien für nothwendig hält, so habe man es seit einigen Jahren für gut be¬
funden, die englische Armee dadurch auf einen stärkern Fuß, als das Parlament
erlaubt, zu erhalte", daß man die Ueberzahl von dein Vorsitzenden für Indien
verlangen läßt, wo sie natürlich die Compagnie bezahlen muß. Gegenwärtig be¬
finden sich nahe an 30,000 Mann königliche Truppen in Ostindien. Aber wenn
diese Beschuldigung anch ungerecht ist, so steht doch soviel fest, daß die von dem
Ministerium geleitete auswärtige Politik einzig Schuld an der finanziellen Zer¬
rüttung trägt, und es ist ein glänzendes Zeugniß für die Nützlichkeit ministerieller
Verantwortlichkeit und des parlamentarischen Systems überhaupt, daß nur in
einem Regierungsfache, das sich durch verschiedene Verhältnisse der Controle des
Parlaments so ganz entzieht, so große Mißbräuche vorkommen können. Das
Deficit für das Finanzjahr 1830--31 betrug 678,709 Pfd. Im Jahr vorher
war ein Ueberschuß gewesen, der erste seit 1836. Für das gegenwärtige Jahr
kommen aber nnn noch die Kosten des BirmaueukriegS hinzu, die alles zu innern
Verbesserungen verfügbare Geld wieder verschlingen werden.

Außer der mangelhaften Verwendung öffentlicher Gelder zu Staatsbanten
macht man der Compagnie noch zwei Hanptvorwürfe, ein den Grundsätzen der
Nationalökonomie widersprechendes Besteuerungssystem und Vernachlässigung der
sittlichen Erziehung des ostindischen Volkes. Gründlich auf beide Vorwürfe ein¬
zugehen, würde für unsere Zwecke zu weit führen, und wir haben hier nnr fol¬
gendes zu bemerken. Die Steuern bestehen aus der Grundsteuer, der Steuer
auf den Opiumban und der Salzsteuer. Die Zölle sind ""bedeutend. Philan¬
thropen erhoben ein großes Geschrei, daß man dem armen Ryve noch sei" Stück¬
chen Land und sein Salz besteuert, aber anch Philanthropen werden zugeben,
daß der Staat ohne Steuern nicht bestehen kann, und wie soll man eine Be¬
völkerung fassen, wo selbst der im bessern Verhältnisse lebende Landmann keine
andere Kleidung kennt, als einen Streifen Baumwollenzeug um die Lenden, und


zehn Jahren von 1839 — 40 bis 1848—49, eine Periode, die in finanzieller Hin¬
sicht als fortdauernde Kriegszeit betrachtet werden kann, und welche die Feldzüge
von Afghanistan, Sind und Pendschab in sich schließt, überstiegen die Ausgaben
die Einnahmen um 13 Mill. Pfd., was für das Jahr ein Deficit von 1^2 Mill.
ergibt." Aus einem andern Document erhellt, daß in dem Finanzjahr 1836—37
die Ausgaben der Compagnie für das Militär 6—7 Mill. betrugen, während sie
1849—30 auf mehr als 10 Mill. stiegen. Auch hier muß nach einigen zuweilen
Ostindien Lasten tragen, die eigentlich dem Mutterlande zukommen. Die Armee
der ostindischen Compagnie ist 12,000 Mann europäische Truppen, und 230,000
Sepoys oder irreguläre stark; die Zahl der in Ostindien zu verwendenden Truppen ist
durch Parlamcntsbeschluß auf 20,000 Manu beschränkt, wenn die Compagnie
selbst nicht mehr verlangt. Nun behaupten manche, da nur der Vorsitzende des
Collegiums der Direktoren zu bestimmen hat, wieviel königliche Truppen er in
Indien für nothwendig hält, so habe man es seit einigen Jahren für gut be¬
funden, die englische Armee dadurch auf einen stärkern Fuß, als das Parlament
erlaubt, zu erhalte», daß man die Ueberzahl von dein Vorsitzenden für Indien
verlangen läßt, wo sie natürlich die Compagnie bezahlen muß. Gegenwärtig be¬
finden sich nahe an 30,000 Mann königliche Truppen in Ostindien. Aber wenn
diese Beschuldigung anch ungerecht ist, so steht doch soviel fest, daß die von dem
Ministerium geleitete auswärtige Politik einzig Schuld an der finanziellen Zer¬
rüttung trägt, und es ist ein glänzendes Zeugniß für die Nützlichkeit ministerieller
Verantwortlichkeit und des parlamentarischen Systems überhaupt, daß nur in
einem Regierungsfache, das sich durch verschiedene Verhältnisse der Controle des
Parlaments so ganz entzieht, so große Mißbräuche vorkommen können. Das
Deficit für das Finanzjahr 1830—31 betrug 678,709 Pfd. Im Jahr vorher
war ein Ueberschuß gewesen, der erste seit 1836. Für das gegenwärtige Jahr
kommen aber nnn noch die Kosten des BirmaueukriegS hinzu, die alles zu innern
Verbesserungen verfügbare Geld wieder verschlingen werden.

Außer der mangelhaften Verwendung öffentlicher Gelder zu Staatsbanten
macht man der Compagnie noch zwei Hanptvorwürfe, ein den Grundsätzen der
Nationalökonomie widersprechendes Besteuerungssystem und Vernachlässigung der
sittlichen Erziehung des ostindischen Volkes. Gründlich auf beide Vorwürfe ein¬
zugehen, würde für unsere Zwecke zu weit führen, und wir haben hier nnr fol¬
gendes zu bemerken. Die Steuern bestehen aus der Grundsteuer, der Steuer
auf den Opiumban und der Salzsteuer. Die Zölle sind »»bedeutend. Philan¬
thropen erhoben ein großes Geschrei, daß man dem armen Ryve noch sei» Stück¬
chen Land und sein Salz besteuert, aber anch Philanthropen werden zugeben,
daß der Staat ohne Steuern nicht bestehen kann, und wie soll man eine Be¬
völkerung fassen, wo selbst der im bessern Verhältnisse lebende Landmann keine
andere Kleidung kennt, als einen Streifen Baumwollenzeug um die Lenden, und


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[0458] zehn Jahren von 1839 — 40 bis 1848—49, eine Periode, die in finanzieller Hin¬ sicht als fortdauernde Kriegszeit betrachtet werden kann, und welche die Feldzüge von Afghanistan, Sind und Pendschab in sich schließt, überstiegen die Ausgaben die Einnahmen um 13 Mill. Pfd., was für das Jahr ein Deficit von 1^2 Mill. ergibt." Aus einem andern Document erhellt, daß in dem Finanzjahr 1836—37 die Ausgaben der Compagnie für das Militär 6—7 Mill. betrugen, während sie 1849—30 auf mehr als 10 Mill. stiegen. Auch hier muß nach einigen zuweilen Ostindien Lasten tragen, die eigentlich dem Mutterlande zukommen. Die Armee der ostindischen Compagnie ist 12,000 Mann europäische Truppen, und 230,000 Sepoys oder irreguläre stark; die Zahl der in Ostindien zu verwendenden Truppen ist durch Parlamcntsbeschluß auf 20,000 Manu beschränkt, wenn die Compagnie selbst nicht mehr verlangt. Nun behaupten manche, da nur der Vorsitzende des Collegiums der Direktoren zu bestimmen hat, wieviel königliche Truppen er in Indien für nothwendig hält, so habe man es seit einigen Jahren für gut be¬ funden, die englische Armee dadurch auf einen stärkern Fuß, als das Parlament erlaubt, zu erhalte», daß man die Ueberzahl von dein Vorsitzenden für Indien verlangen läßt, wo sie natürlich die Compagnie bezahlen muß. Gegenwärtig be¬ finden sich nahe an 30,000 Mann königliche Truppen in Ostindien. Aber wenn diese Beschuldigung anch ungerecht ist, so steht doch soviel fest, daß die von dem Ministerium geleitete auswärtige Politik einzig Schuld an der finanziellen Zer¬ rüttung trägt, und es ist ein glänzendes Zeugniß für die Nützlichkeit ministerieller Verantwortlichkeit und des parlamentarischen Systems überhaupt, daß nur in einem Regierungsfache, das sich durch verschiedene Verhältnisse der Controle des Parlaments so ganz entzieht, so große Mißbräuche vorkommen können. Das Deficit für das Finanzjahr 1830—31 betrug 678,709 Pfd. Im Jahr vorher war ein Ueberschuß gewesen, der erste seit 1836. Für das gegenwärtige Jahr kommen aber nnn noch die Kosten des BirmaueukriegS hinzu, die alles zu innern Verbesserungen verfügbare Geld wieder verschlingen werden. Außer der mangelhaften Verwendung öffentlicher Gelder zu Staatsbanten macht man der Compagnie noch zwei Hanptvorwürfe, ein den Grundsätzen der Nationalökonomie widersprechendes Besteuerungssystem und Vernachlässigung der sittlichen Erziehung des ostindischen Volkes. Gründlich auf beide Vorwürfe ein¬ zugehen, würde für unsere Zwecke zu weit führen, und wir haben hier nnr fol¬ gendes zu bemerken. Die Steuern bestehen aus der Grundsteuer, der Steuer auf den Opiumban und der Salzsteuer. Die Zölle sind »»bedeutend. Philan¬ thropen erhoben ein großes Geschrei, daß man dem armen Ryve noch sei» Stück¬ chen Land und sein Salz besteuert, aber anch Philanthropen werden zugeben, daß der Staat ohne Steuern nicht bestehen kann, und wie soll man eine Be¬ völkerung fassen, wo selbst der im bessern Verhältnisse lebende Landmann keine andere Kleidung kennt, als einen Streifen Baumwollenzeug um die Lenden, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/458>, abgerufen am 23.07.2024.