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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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des Controleamtö dabei gar nicht genannt wird, dem Publicum alles Bewußtsei" der
Verantwortlichkeit des letzter" entschwindet. Ans die finanziellen Verhältnisse der
Compagnie wirkt aber diese Einrichtung am nachtheiligste". Das Ministerium
fängt Kriege in Ostindien an, ohne das Direktorium oder den geheimen Ausschuß
zu frage"; die Compagnie aber gibt ihre Truppen dazu her, und bezahlt auch
noch die Kriegskosten. Diejenigen, deren Beutel dabei betheiligt sind, haben kein
Recht, das Ministerium zur Verantwortlichkeit zu ziehen, und das englische Volk,
welches das Recht dazu hat, kümmert sich wenig um ostindische Angelegenheiten,
in die es auch im allgemeinen änßerst wenig Einsicht hat, und hat auch wenig
Interesse Ausschreitungen dieser Art zu verhindern, den" es erntet den Ruhm
davon, ohne Opfer zu bringen. Ans diese Weise ist der Krieg in Afghanistan
entstanden, der in nnr englischem Juteresse gegen Rußland geführt winde, und
der die Finanzen Ostindiens so zerrüttet hat, daß es dadurch auf zwanzig Jahre
in seiner innern Entwickelung zurückgeschaudert worden ist.

Wenden wir uns zu den Gliedern der ostindischen Regierung in Ostindien
selbst, so finde" wir bei weitem einfachere Verhältnisse. Hier sind die Befugnisse
der verschiedene" Behörde" deutlich begrenzt und keinem Zweifel unterworfen.
Hier gibt jeder seinen Namen zu seinen eigenen Maßregeln her, und ist für
seine eigenen Handlungen verantwortlich. An der Spitze steht der Generalstatt¬
halter mit dem Rathe. Der Geueralstatthalter wird von der Krone auf 6--7 Jahre
ernannt, und von der Compagnie bestätigt. Der von der Compagnie ernannte
Rath besteht aus drei ordentlichen Mitgliedern: eins ans dem Richterstand, eins
aus dem Venvaltnugsfach und eins ein General der Armee der Compagnie.
Der jedesmalige General-en-chef (dem königlichem Dienst angehörig) ist außer¬
ordentliches Mitglied; außerdem ist noch ein fünftes oder gesetzgebendes Mitglied
vorhanden, dem die Redaction der Gesetze obliegt. Der Sitz des oberste" Rathes
ist Kalkutta. Unter ihm stehn vier Präsidentschaften, die von Madras und Bombay
mir ihre" Räthe", und von Bengalen (in Kalkutta) und in den nordwestlichen
Provinzen (i" Agra) ohne Räthe. Die Räthe vo" Madras und Bombay bestehen
aus zwei Civilbeamten der Präsidentschaft, und ans dem commandirenden General
derselben, der außerordentliches und ex officio Mitglied ist, aber meistens wenig
mehr thut, als seinen Gehalt als Rathsmitglied einzustreichen. Bengalen und
die nordwestlichen Provinzen werden auf andere Weise verwaltet. Der General¬
statthalter von Ostindien ist ex officio Statthalter von Bengalen. Wenn er die
untern Provinzen verläßt, so übergibt er dieses Negicrungsdcpartemcnt dem
ältesten Mitglied des obersten Rathes, der nun Vicestatthalter von Bengalen
heißt. Aber solange sich der Gcneralstatthalter mit seinem Rathe in Kalkutta
befindet, ist er zu gleicher Zeit Generalstatthalter von Ostindien und Statthalter
vo" Bengalen. In dieser doppelten Eigenschaft -- zugleich Vorgesetzter und
Untergebener -- correspondirt er mit sich selbst. Der höchstedle Statthalter Lord


des Controleamtö dabei gar nicht genannt wird, dem Publicum alles Bewußtsei» der
Verantwortlichkeit des letzter« entschwindet. Ans die finanziellen Verhältnisse der
Compagnie wirkt aber diese Einrichtung am nachtheiligste». Das Ministerium
fängt Kriege in Ostindien an, ohne das Direktorium oder den geheimen Ausschuß
zu frage»; die Compagnie aber gibt ihre Truppen dazu her, und bezahlt auch
noch die Kriegskosten. Diejenigen, deren Beutel dabei betheiligt sind, haben kein
Recht, das Ministerium zur Verantwortlichkeit zu ziehen, und das englische Volk,
welches das Recht dazu hat, kümmert sich wenig um ostindische Angelegenheiten,
in die es auch im allgemeinen änßerst wenig Einsicht hat, und hat auch wenig
Interesse Ausschreitungen dieser Art zu verhindern, den» es erntet den Ruhm
davon, ohne Opfer zu bringen. Ans diese Weise ist der Krieg in Afghanistan
entstanden, der in nnr englischem Juteresse gegen Rußland geführt winde, und
der die Finanzen Ostindiens so zerrüttet hat, daß es dadurch auf zwanzig Jahre
in seiner innern Entwickelung zurückgeschaudert worden ist.

Wenden wir uns zu den Gliedern der ostindischen Regierung in Ostindien
selbst, so finde» wir bei weitem einfachere Verhältnisse. Hier sind die Befugnisse
der verschiedene» Behörde» deutlich begrenzt und keinem Zweifel unterworfen.
Hier gibt jeder seinen Namen zu seinen eigenen Maßregeln her, und ist für
seine eigenen Handlungen verantwortlich. An der Spitze steht der Generalstatt¬
halter mit dem Rathe. Der Geueralstatthalter wird von der Krone auf 6—7 Jahre
ernannt, und von der Compagnie bestätigt. Der von der Compagnie ernannte
Rath besteht aus drei ordentlichen Mitgliedern: eins ans dem Richterstand, eins
aus dem Venvaltnugsfach und eins ein General der Armee der Compagnie.
Der jedesmalige General-en-chef (dem königlichem Dienst angehörig) ist außer¬
ordentliches Mitglied; außerdem ist noch ein fünftes oder gesetzgebendes Mitglied
vorhanden, dem die Redaction der Gesetze obliegt. Der Sitz des oberste» Rathes
ist Kalkutta. Unter ihm stehn vier Präsidentschaften, die von Madras und Bombay
mir ihre» Räthe», und von Bengalen (in Kalkutta) und in den nordwestlichen
Provinzen (i» Agra) ohne Räthe. Die Räthe vo» Madras und Bombay bestehen
aus zwei Civilbeamten der Präsidentschaft, und ans dem commandirenden General
derselben, der außerordentliches und ex officio Mitglied ist, aber meistens wenig
mehr thut, als seinen Gehalt als Rathsmitglied einzustreichen. Bengalen und
die nordwestlichen Provinzen werden auf andere Weise verwaltet. Der General¬
statthalter von Ostindien ist ex officio Statthalter von Bengalen. Wenn er die
untern Provinzen verläßt, so übergibt er dieses Negicrungsdcpartemcnt dem
ältesten Mitglied des obersten Rathes, der nun Vicestatthalter von Bengalen
heißt. Aber solange sich der Gcneralstatthalter mit seinem Rathe in Kalkutta
befindet, ist er zu gleicher Zeit Generalstatthalter von Ostindien und Statthalter
vo» Bengalen. In dieser doppelten Eigenschaft — zugleich Vorgesetzter und
Untergebener — correspondirt er mit sich selbst. Der höchstedle Statthalter Lord


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[0451] des Controleamtö dabei gar nicht genannt wird, dem Publicum alles Bewußtsei» der Verantwortlichkeit des letzter« entschwindet. Ans die finanziellen Verhältnisse der Compagnie wirkt aber diese Einrichtung am nachtheiligste». Das Ministerium fängt Kriege in Ostindien an, ohne das Direktorium oder den geheimen Ausschuß zu frage»; die Compagnie aber gibt ihre Truppen dazu her, und bezahlt auch noch die Kriegskosten. Diejenigen, deren Beutel dabei betheiligt sind, haben kein Recht, das Ministerium zur Verantwortlichkeit zu ziehen, und das englische Volk, welches das Recht dazu hat, kümmert sich wenig um ostindische Angelegenheiten, in die es auch im allgemeinen änßerst wenig Einsicht hat, und hat auch wenig Interesse Ausschreitungen dieser Art zu verhindern, den» es erntet den Ruhm davon, ohne Opfer zu bringen. Ans diese Weise ist der Krieg in Afghanistan entstanden, der in nnr englischem Juteresse gegen Rußland geführt winde, und der die Finanzen Ostindiens so zerrüttet hat, daß es dadurch auf zwanzig Jahre in seiner innern Entwickelung zurückgeschaudert worden ist. Wenden wir uns zu den Gliedern der ostindischen Regierung in Ostindien selbst, so finde» wir bei weitem einfachere Verhältnisse. Hier sind die Befugnisse der verschiedene» Behörde» deutlich begrenzt und keinem Zweifel unterworfen. Hier gibt jeder seinen Namen zu seinen eigenen Maßregeln her, und ist für seine eigenen Handlungen verantwortlich. An der Spitze steht der Generalstatt¬ halter mit dem Rathe. Der Geueralstatthalter wird von der Krone auf 6—7 Jahre ernannt, und von der Compagnie bestätigt. Der von der Compagnie ernannte Rath besteht aus drei ordentlichen Mitgliedern: eins ans dem Richterstand, eins aus dem Venvaltnugsfach und eins ein General der Armee der Compagnie. Der jedesmalige General-en-chef (dem königlichem Dienst angehörig) ist außer¬ ordentliches Mitglied; außerdem ist noch ein fünftes oder gesetzgebendes Mitglied vorhanden, dem die Redaction der Gesetze obliegt. Der Sitz des oberste» Rathes ist Kalkutta. Unter ihm stehn vier Präsidentschaften, die von Madras und Bombay mir ihre» Räthe», und von Bengalen (in Kalkutta) und in den nordwestlichen Provinzen (i» Agra) ohne Räthe. Die Räthe vo» Madras und Bombay bestehen aus zwei Civilbeamten der Präsidentschaft, und ans dem commandirenden General derselben, der außerordentliches und ex officio Mitglied ist, aber meistens wenig mehr thut, als seinen Gehalt als Rathsmitglied einzustreichen. Bengalen und die nordwestlichen Provinzen werden auf andere Weise verwaltet. Der General¬ statthalter von Ostindien ist ex officio Statthalter von Bengalen. Wenn er die untern Provinzen verläßt, so übergibt er dieses Negicrungsdcpartemcnt dem ältesten Mitglied des obersten Rathes, der nun Vicestatthalter von Bengalen heißt. Aber solange sich der Gcneralstatthalter mit seinem Rathe in Kalkutta befindet, ist er zu gleicher Zeit Generalstatthalter von Ostindien und Statthalter vo» Bengalen. In dieser doppelten Eigenschaft — zugleich Vorgesetzter und Untergebener — correspondirt er mit sich selbst. Der höchstedle Statthalter Lord

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/451>, abgerufen am 25.08.2024.