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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Dalhoilste, ersucht den Hochstetten Generalstatthalter Lord Dalhousie um die
Genehmigung dieser oder jener Maßregel zur bessern Regierung Bengalens. In
den nordwestlichen Provinzen dagegen wird die Viccstatthalterschaft von einem
Mitglied des Civildienstes von Bengalen bekleidet, der sich von einem Secretär
unterstützen läßt. Er ist natürlich der Centralregiernng untergeordnet, aber that¬
sächlich liegt die ganze Civilverwaltung der nordwestlichen Provinzen in seiner
Hand; und alle Stimmen sind darin einig, daß kein Theil Indiens so gut regiert
wird, als die obern Provinzen der Präsidentschaft Beugalen.

Justiz und Verwaltung sind in den Händen von Richtern und Einnehmern.
Die niedern Gerichtsstufen sind mit Eingebornen besetzt; Versuche, ihnen auch
in den höhern Instanzen eine Stelle einzuräumen, sind nicht glücklich ausgefallen.
Die Wichtigkeit des Amtes eines Einnehmers (Cvllector) steht durchaus in keinem
Verhältniß zu der Bescheidenheit seines Titels. "Ein Einnehmer ist in vielen
Theilen Ostindiens der Konsul einer großen Provinz," sagte Macaulay in seiner
Rede. "Der ihm unterworfene District ist ein Fürstenthum von der Größe einer
der vier Provinzen Irlands, Leinsters oder Münsters (S--6000 ^M.) und die
Bevölkerung beträgt vielleicht eine Million Menschen, und in diesem gibt es kein Dorf,
ja keine Hütte, wo der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Collector
nicht für die ganze Bevölkerung der Unterschied zwischen Glück nud Elend ist.

Der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Einnehmer ist
für die Bewohner eines solchen Districts unendlich viel größer, als, Gott sei
Dank! der Unterschied zwischen der besten und schlechteste" Regierung, die Eng-
lang jemals gesehen hat und sehen wird, für die Bewohner dieses Landes sein
kann. Zuverlässige Personen haben mir versichert, daß man den Charakter des
Einnehmers in den Augen der Bevölkerung, in dem Aussehen ihrer Felder und
dem Zustand ihrer Häuser sehen könnte. Unter einem schlechten, unfähigen und
verkehrten Einnehmer sehen die Einwohner unglücklich, und das Land wüst aus.
Erstlich verschwinden die Schmucksachen der Frauen -- die Schmucksachen, in
welchen der indische Landmann seine kleinen Ersparnisse anlegt. Dann überwindet
die Tyrannei selbst ihre sprichwörtlich gewordene Liebe zu dem heimatlichen Dorfe,
und sie saugen an zu tausenden auszuwandern. Wo das freundliche Dorf ge¬
standen, wuchert die wilde Dschungel empor, und wilde Thiere hausen da, wo
einst der friedliche Herd des Menschen gestanden. Tritt ein guter Einnehmer
an seine Stelle, so kehrt der Wohlstand bald wieder zurück, fruchtbare Reisfelder
verdrängen die Dschungel, der Tiger wird in die Wildniß zurückgetrieben, und
die Bevölkerung sucht freudig ihre alten Wohnungen wieder auf." Die hohe
Wichtigkeit der Einnehmer wird durch das Eingreifen in die Verhältnisse des
Grundbesitzes, das ihr Amt bedingt, erklärlich. Die Haupteinnahme der ostin-
dischen Compagnie bildet die vom Grundbesitz, dessen Obereigeuthumer sie ist, erhobene
Steuer. In Bengalen herrscht in der Vertheilung des Grnndbesttzes das Ze-


Dalhoilste, ersucht den Hochstetten Generalstatthalter Lord Dalhousie um die
Genehmigung dieser oder jener Maßregel zur bessern Regierung Bengalens. In
den nordwestlichen Provinzen dagegen wird die Viccstatthalterschaft von einem
Mitglied des Civildienstes von Bengalen bekleidet, der sich von einem Secretär
unterstützen läßt. Er ist natürlich der Centralregiernng untergeordnet, aber that¬
sächlich liegt die ganze Civilverwaltung der nordwestlichen Provinzen in seiner
Hand; und alle Stimmen sind darin einig, daß kein Theil Indiens so gut regiert
wird, als die obern Provinzen der Präsidentschaft Beugalen.

Justiz und Verwaltung sind in den Händen von Richtern und Einnehmern.
Die niedern Gerichtsstufen sind mit Eingebornen besetzt; Versuche, ihnen auch
in den höhern Instanzen eine Stelle einzuräumen, sind nicht glücklich ausgefallen.
Die Wichtigkeit des Amtes eines Einnehmers (Cvllector) steht durchaus in keinem
Verhältniß zu der Bescheidenheit seines Titels. „Ein Einnehmer ist in vielen
Theilen Ostindiens der Konsul einer großen Provinz," sagte Macaulay in seiner
Rede. „Der ihm unterworfene District ist ein Fürstenthum von der Größe einer
der vier Provinzen Irlands, Leinsters oder Münsters (S—6000 ^M.) und die
Bevölkerung beträgt vielleicht eine Million Menschen, und in diesem gibt es kein Dorf,
ja keine Hütte, wo der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Collector
nicht für die ganze Bevölkerung der Unterschied zwischen Glück nud Elend ist.

Der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Einnehmer ist
für die Bewohner eines solchen Districts unendlich viel größer, als, Gott sei
Dank! der Unterschied zwischen der besten und schlechteste» Regierung, die Eng-
lang jemals gesehen hat und sehen wird, für die Bewohner dieses Landes sein
kann. Zuverlässige Personen haben mir versichert, daß man den Charakter des
Einnehmers in den Augen der Bevölkerung, in dem Aussehen ihrer Felder und
dem Zustand ihrer Häuser sehen könnte. Unter einem schlechten, unfähigen und
verkehrten Einnehmer sehen die Einwohner unglücklich, und das Land wüst aus.
Erstlich verschwinden die Schmucksachen der Frauen — die Schmucksachen, in
welchen der indische Landmann seine kleinen Ersparnisse anlegt. Dann überwindet
die Tyrannei selbst ihre sprichwörtlich gewordene Liebe zu dem heimatlichen Dorfe,
und sie saugen an zu tausenden auszuwandern. Wo das freundliche Dorf ge¬
standen, wuchert die wilde Dschungel empor, und wilde Thiere hausen da, wo
einst der friedliche Herd des Menschen gestanden. Tritt ein guter Einnehmer
an seine Stelle, so kehrt der Wohlstand bald wieder zurück, fruchtbare Reisfelder
verdrängen die Dschungel, der Tiger wird in die Wildniß zurückgetrieben, und
die Bevölkerung sucht freudig ihre alten Wohnungen wieder auf." Die hohe
Wichtigkeit der Einnehmer wird durch das Eingreifen in die Verhältnisse des
Grundbesitzes, das ihr Amt bedingt, erklärlich. Die Haupteinnahme der ostin-
dischen Compagnie bildet die vom Grundbesitz, dessen Obereigeuthumer sie ist, erhobene
Steuer. In Bengalen herrscht in der Vertheilung des Grnndbesttzes das Ze-


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[0452] Dalhoilste, ersucht den Hochstetten Generalstatthalter Lord Dalhousie um die Genehmigung dieser oder jener Maßregel zur bessern Regierung Bengalens. In den nordwestlichen Provinzen dagegen wird die Viccstatthalterschaft von einem Mitglied des Civildienstes von Bengalen bekleidet, der sich von einem Secretär unterstützen läßt. Er ist natürlich der Centralregiernng untergeordnet, aber that¬ sächlich liegt die ganze Civilverwaltung der nordwestlichen Provinzen in seiner Hand; und alle Stimmen sind darin einig, daß kein Theil Indiens so gut regiert wird, als die obern Provinzen der Präsidentschaft Beugalen. Justiz und Verwaltung sind in den Händen von Richtern und Einnehmern. Die niedern Gerichtsstufen sind mit Eingebornen besetzt; Versuche, ihnen auch in den höhern Instanzen eine Stelle einzuräumen, sind nicht glücklich ausgefallen. Die Wichtigkeit des Amtes eines Einnehmers (Cvllector) steht durchaus in keinem Verhältniß zu der Bescheidenheit seines Titels. „Ein Einnehmer ist in vielen Theilen Ostindiens der Konsul einer großen Provinz," sagte Macaulay in seiner Rede. „Der ihm unterworfene District ist ein Fürstenthum von der Größe einer der vier Provinzen Irlands, Leinsters oder Münsters (S—6000 ^M.) und die Bevölkerung beträgt vielleicht eine Million Menschen, und in diesem gibt es kein Dorf, ja keine Hütte, wo der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Collector nicht für die ganze Bevölkerung der Unterschied zwischen Glück nud Elend ist. Der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Einnehmer ist für die Bewohner eines solchen Districts unendlich viel größer, als, Gott sei Dank! der Unterschied zwischen der besten und schlechteste» Regierung, die Eng- lang jemals gesehen hat und sehen wird, für die Bewohner dieses Landes sein kann. Zuverlässige Personen haben mir versichert, daß man den Charakter des Einnehmers in den Augen der Bevölkerung, in dem Aussehen ihrer Felder und dem Zustand ihrer Häuser sehen könnte. Unter einem schlechten, unfähigen und verkehrten Einnehmer sehen die Einwohner unglücklich, und das Land wüst aus. Erstlich verschwinden die Schmucksachen der Frauen — die Schmucksachen, in welchen der indische Landmann seine kleinen Ersparnisse anlegt. Dann überwindet die Tyrannei selbst ihre sprichwörtlich gewordene Liebe zu dem heimatlichen Dorfe, und sie saugen an zu tausenden auszuwandern. Wo das freundliche Dorf ge¬ standen, wuchert die wilde Dschungel empor, und wilde Thiere hausen da, wo einst der friedliche Herd des Menschen gestanden. Tritt ein guter Einnehmer an seine Stelle, so kehrt der Wohlstand bald wieder zurück, fruchtbare Reisfelder verdrängen die Dschungel, der Tiger wird in die Wildniß zurückgetrieben, und die Bevölkerung sucht freudig ihre alten Wohnungen wieder auf." Die hohe Wichtigkeit der Einnehmer wird durch das Eingreifen in die Verhältnisse des Grundbesitzes, das ihr Amt bedingt, erklärlich. Die Haupteinnahme der ostin- dischen Compagnie bildet die vom Grundbesitz, dessen Obereigeuthumer sie ist, erhobene Steuer. In Bengalen herrscht in der Vertheilung des Grnndbesttzes das Ze-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/452>, abgerufen am 23.07.2024.