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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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auf dem Plateau hinter dem Schlachtfelde, welches unsere Rückzugsstellung
bildete.

Bei diesem Stand der Dinge war die Schlacht gewonnen; wir nahmen alle
Stellungen ein, die der Feind im Beginne des Kampfes eingenommen hatte; da
aber unsre Cavalerie zu zeitig und übel verwendet war, so konnten wir keine ent¬
scheidenden Erfolge hoffen. Aber der Marschall Grouchy, der die Bewegung des
preußischen Corps erfahren hatte, folgte dem Marsche desselben, was uns einen
glänzenden Erfolg für den nächsten Tag sicherte. Nach 8 Stunden der Kano¬
nade und der Infanterie- und Cavalerieangriffc, sah die ganze Armee mit
Genugthuung die Schlacht gewonnen, und das Schlachtfeld in unsrer Gewalt.

Um 8V2 Uhr marschirten die vier Bataillone der mittleren Garde, die auf
das über Mont-Saint-Jean Hinansliegende Plateau geschickt waren, um die
Kürassiere zu unterstützen, da sie durch das Kartätschenfeuer be¬
lästigt wurden, um mit dem Bajonett diese Batterien zu nehmen.
Der Tag endete; ein Angriff auf ihre Flanke" seitens mehrer eng¬
lischer Escadrons brachte sie in Unordnung; die Flüchtlinge wichen
über deu Hohlweg zurück; die benachbarten Regimenter, die mehre
der Garde angehörige Truppen in ungeordneter Flucht sahen,
glaubten, dies sei die alte Garde, und begannen sich zu losen; die Rufe:
alles ist verloren, die Garde ist zurückgeworfen, wurden hörbar; die
Soldaten behaupten selbst, daß ans einigen Punkten böswillige Verräther
geschrien hätten, rette sich wer kann! Wie dem auch sei, ein panischer
Schrecken verbreitete sich ans einmal über das ganze Schlachtfeld; man
stürzte sich in der größten Unordnung auf die Verbindungslinie;
die S old ater, die Kan 0 niere, die Muuitio nswagcn drängte" sich, um dort
anzulangen; die alte Garde, die i" Reserve war, wurde davon ergriffen
und selbst mit fortgerissen. In einen? Augenblick war die Armee
nnr noch eine verworrene Masse; alle Waffengattungen waren gemischt,
und es war unmöglich, ein Corps zu formiren. Der Feind, der diese erstaun-
liche Verwirrung bemerkte, ließ Cavaleriecyloune" hervorbreche"; die Unordnung
vermehrte sich, die Verwirrung der Nacht verhinderte, die Truppen zu sammeln
und ihnen ihren Irrthum zu zeigen.

Also gingen eine beendigte Schlacht, ein Tag von falschen Maßregel", die
wieder g"t gemacht waren, die größten für den folgenden Tag gesicherten Erfolge
sämmtlich durch einen Ange"blick panischen Schreckens verloren. Die
Dienstescadronen sogar, die zur Seite des Kaisers gereiht standen, wurden durch
diese stürmischen Finte" übergerannt und desorganistrt, und es blieb nichts
Anderes zu thu" übrig, als dem Strome zu folgen. Die Reserve¬
corps, die Bagagen, die noch nicht wieder über die Sambre gegangen waren
und alles, was ans dem Schlachtfelds war, sind in der Gewalt des


auf dem Plateau hinter dem Schlachtfelde, welches unsere Rückzugsstellung
bildete.

Bei diesem Stand der Dinge war die Schlacht gewonnen; wir nahmen alle
Stellungen ein, die der Feind im Beginne des Kampfes eingenommen hatte; da
aber unsre Cavalerie zu zeitig und übel verwendet war, so konnten wir keine ent¬
scheidenden Erfolge hoffen. Aber der Marschall Grouchy, der die Bewegung des
preußischen Corps erfahren hatte, folgte dem Marsche desselben, was uns einen
glänzenden Erfolg für den nächsten Tag sicherte. Nach 8 Stunden der Kano¬
nade und der Infanterie- und Cavalerieangriffc, sah die ganze Armee mit
Genugthuung die Schlacht gewonnen, und das Schlachtfeld in unsrer Gewalt.

Um 8V2 Uhr marschirten die vier Bataillone der mittleren Garde, die auf
das über Mont-Saint-Jean Hinansliegende Plateau geschickt waren, um die
Kürassiere zu unterstützen, da sie durch das Kartätschenfeuer be¬
lästigt wurden, um mit dem Bajonett diese Batterien zu nehmen.
Der Tag endete; ein Angriff auf ihre Flanke» seitens mehrer eng¬
lischer Escadrons brachte sie in Unordnung; die Flüchtlinge wichen
über deu Hohlweg zurück; die benachbarten Regimenter, die mehre
der Garde angehörige Truppen in ungeordneter Flucht sahen,
glaubten, dies sei die alte Garde, und begannen sich zu losen; die Rufe:
alles ist verloren, die Garde ist zurückgeworfen, wurden hörbar; die
Soldaten behaupten selbst, daß ans einigen Punkten böswillige Verräther
geschrien hätten, rette sich wer kann! Wie dem auch sei, ein panischer
Schrecken verbreitete sich ans einmal über das ganze Schlachtfeld; man
stürzte sich in der größten Unordnung auf die Verbindungslinie;
die S old ater, die Kan 0 niere, die Muuitio nswagcn drängte» sich, um dort
anzulangen; die alte Garde, die i» Reserve war, wurde davon ergriffen
und selbst mit fortgerissen. In einen? Augenblick war die Armee
nnr noch eine verworrene Masse; alle Waffengattungen waren gemischt,
und es war unmöglich, ein Corps zu formiren. Der Feind, der diese erstaun-
liche Verwirrung bemerkte, ließ Cavaleriecyloune» hervorbreche»; die Unordnung
vermehrte sich, die Verwirrung der Nacht verhinderte, die Truppen zu sammeln
und ihnen ihren Irrthum zu zeigen.

Also gingen eine beendigte Schlacht, ein Tag von falschen Maßregel», die
wieder g»t gemacht waren, die größten für den folgenden Tag gesicherten Erfolge
sämmtlich durch einen Ange»blick panischen Schreckens verloren. Die
Dienstescadronen sogar, die zur Seite des Kaisers gereiht standen, wurden durch
diese stürmischen Finte» übergerannt und desorganistrt, und es blieb nichts
Anderes zu thu» übrig, als dem Strome zu folgen. Die Reserve¬
corps, die Bagagen, die noch nicht wieder über die Sambre gegangen waren
und alles, was ans dem Schlachtfelds war, sind in der Gewalt des


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[0436] auf dem Plateau hinter dem Schlachtfelde, welches unsere Rückzugsstellung bildete. Bei diesem Stand der Dinge war die Schlacht gewonnen; wir nahmen alle Stellungen ein, die der Feind im Beginne des Kampfes eingenommen hatte; da aber unsre Cavalerie zu zeitig und übel verwendet war, so konnten wir keine ent¬ scheidenden Erfolge hoffen. Aber der Marschall Grouchy, der die Bewegung des preußischen Corps erfahren hatte, folgte dem Marsche desselben, was uns einen glänzenden Erfolg für den nächsten Tag sicherte. Nach 8 Stunden der Kano¬ nade und der Infanterie- und Cavalerieangriffc, sah die ganze Armee mit Genugthuung die Schlacht gewonnen, und das Schlachtfeld in unsrer Gewalt. Um 8V2 Uhr marschirten die vier Bataillone der mittleren Garde, die auf das über Mont-Saint-Jean Hinansliegende Plateau geschickt waren, um die Kürassiere zu unterstützen, da sie durch das Kartätschenfeuer be¬ lästigt wurden, um mit dem Bajonett diese Batterien zu nehmen. Der Tag endete; ein Angriff auf ihre Flanke» seitens mehrer eng¬ lischer Escadrons brachte sie in Unordnung; die Flüchtlinge wichen über deu Hohlweg zurück; die benachbarten Regimenter, die mehre der Garde angehörige Truppen in ungeordneter Flucht sahen, glaubten, dies sei die alte Garde, und begannen sich zu losen; die Rufe: alles ist verloren, die Garde ist zurückgeworfen, wurden hörbar; die Soldaten behaupten selbst, daß ans einigen Punkten böswillige Verräther geschrien hätten, rette sich wer kann! Wie dem auch sei, ein panischer Schrecken verbreitete sich ans einmal über das ganze Schlachtfeld; man stürzte sich in der größten Unordnung auf die Verbindungslinie; die S old ater, die Kan 0 niere, die Muuitio nswagcn drängte» sich, um dort anzulangen; die alte Garde, die i» Reserve war, wurde davon ergriffen und selbst mit fortgerissen. In einen? Augenblick war die Armee nnr noch eine verworrene Masse; alle Waffengattungen waren gemischt, und es war unmöglich, ein Corps zu formiren. Der Feind, der diese erstaun- liche Verwirrung bemerkte, ließ Cavaleriecyloune» hervorbreche»; die Unordnung vermehrte sich, die Verwirrung der Nacht verhinderte, die Truppen zu sammeln und ihnen ihren Irrthum zu zeigen. Also gingen eine beendigte Schlacht, ein Tag von falschen Maßregel», die wieder g»t gemacht waren, die größten für den folgenden Tag gesicherten Erfolge sämmtlich durch einen Ange»blick panischen Schreckens verloren. Die Dienstescadronen sogar, die zur Seite des Kaisers gereiht standen, wurden durch diese stürmischen Finte» übergerannt und desorganistrt, und es blieb nichts Anderes zu thu» übrig, als dem Strome zu folgen. Die Reserve¬ corps, die Bagagen, die noch nicht wieder über die Sambre gegangen waren und alles, was ans dem Schlachtfelds war, sind in der Gewalt des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/436>, abgerufen am 23.07.2024.