Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Theil durch die Abgeschiedenheit des Landes von große" Mittelpunkten der Cultur
und des fürstlichen Glanzes wie von selbst geboten war, erlaubte sogar für außer¬
ordentliche Fälle, wie Kriegsereignisse und tgi., einen Sparpfennig zurückzulegen.
So kanieu diese wenig mächtigen, aber seßhaften und wohlhabenden Grafen
glücklich über die gefährliche Zeit hinweg, in der die allen Korporationen des
Mittelalters ihnen noch für jede Geldbewilligung eine Menge weitgehender Be¬
dingungen vorgeschrieben hätten; sie konnten sich der "Bete" (Bitte) uoch leicht
entschlagen, solange jemand ihnen zu widerstehen sähig war, und entgingen da¬
durch der "Seba" (Sitte) regelmäßiger, wiederkehrender Landtage, die jedesmal
mit neuen Verheißungen erst zu locken und zu ködern waren. "Bete wird leicht
sete," heißt das alte niedersächsische Sprichwort, das den oldenburger Grafen solange
drohend vorgeschwebt zu haben scheint, bis sie aus der häufig allzu theuren Bitte
einen ebenso sanft gesprochenen wie unfehlbaren Befehl machen konnten. Als die
drei Stände durch den natürlichen Fortschritt der Zeit beseitigt waren, traten die
Landesherren mit Steuern und Auflagen hervor, die nnn weder Murren noch
offne Weigerung mehr fanden. Je reichlicher aber immer noch ihr eigenes Ver¬
mögen zu den allgemeinen Lasten beitrug, desto weniger drückend wurde ihr ab¬
solutes Besteuerungsrecht für den Seckel der Unterthanen. Es war für ein mäßig
wohlhabendes Land von über hunderttausend Einwohnern, wie Oldenburg wäh¬
rend des siebzehnten Jahrhunderts war, gewiß keine unerträgliche Last, wenn der
damals regierende Graf Anton Günther die durchschnittliche Summe seiner sämmt¬
lichen Jahreseinkünfte auf 140,000 Thaler schätzte. Darunter machten die Er¬
träge der öffentlichen Abgaben doch nur ein wahres Minimum ans. Im Jahre
1708, unter der dänischen Herrschaft, trugen die Grafschaften Oldenburg und Del-
menhorst freilich schon 304,000 Thaler ein. Kurz vorher war die ursprünglichste
Steuer des Landes, die sogenannte Kontribution, 1680 neu veranschlagt worden.
Dazu kamen als weitere directe Auslagen 1701 das Stempelpapier, 1710 die
Kriegs- und Vermögenssteuer, 1712 -- 13 die Vieh- und Fruchtsteuer, 1763 die
Kopf-, Rang- und Procentsteuer von Gehalten, Pensionen und Sporteln. Alle
waren sie jedoch nur temporär, wenn auch in häufiger Wiederkehr auferlegt, und
erst gegen Ende deö letzten Jahrhunderts sind sie in die Form definitiver und
permanenter Verpflichtungen übergegangen. Als letztes Glied ist 1809 noch eine
additivnclle Grundsteuer hinzugekommen, deren Bedürfniß sich ans der zunehmen¬
den Verstärkung des stehenden Heeres gebieterisch genug ergab.

Von indirecten Steuern, Zöllen und Grenzabgaben aller Art hat das Land
Oldenburg eigentlich bis in die dreißiger Jahre deö neunzehnten Jahrhunderts
so gut wie nichts gewußt. Zwar hatte es seiue Accise von allerlei Gegenständen
des allgemeinen Verbrauchs, die nach der französischen Zeit auch auf Wein und
andere Spirituosen ausgedehnt wurde, allein das war eine höchst unbeträchtliche
und ihrer nutzlosen Mannigfaltigkeit wegen sehr uueiuträgliche Abgabe, die vor'


42'

Theil durch die Abgeschiedenheit des Landes von große» Mittelpunkten der Cultur
und des fürstlichen Glanzes wie von selbst geboten war, erlaubte sogar für außer¬
ordentliche Fälle, wie Kriegsereignisse und tgi., einen Sparpfennig zurückzulegen.
So kanieu diese wenig mächtigen, aber seßhaften und wohlhabenden Grafen
glücklich über die gefährliche Zeit hinweg, in der die allen Korporationen des
Mittelalters ihnen noch für jede Geldbewilligung eine Menge weitgehender Be¬
dingungen vorgeschrieben hätten; sie konnten sich der „Bete" (Bitte) uoch leicht
entschlagen, solange jemand ihnen zu widerstehen sähig war, und entgingen da¬
durch der „Seba" (Sitte) regelmäßiger, wiederkehrender Landtage, die jedesmal
mit neuen Verheißungen erst zu locken und zu ködern waren. „Bete wird leicht
sete," heißt das alte niedersächsische Sprichwort, das den oldenburger Grafen solange
drohend vorgeschwebt zu haben scheint, bis sie aus der häufig allzu theuren Bitte
einen ebenso sanft gesprochenen wie unfehlbaren Befehl machen konnten. Als die
drei Stände durch den natürlichen Fortschritt der Zeit beseitigt waren, traten die
Landesherren mit Steuern und Auflagen hervor, die nnn weder Murren noch
offne Weigerung mehr fanden. Je reichlicher aber immer noch ihr eigenes Ver¬
mögen zu den allgemeinen Lasten beitrug, desto weniger drückend wurde ihr ab¬
solutes Besteuerungsrecht für den Seckel der Unterthanen. Es war für ein mäßig
wohlhabendes Land von über hunderttausend Einwohnern, wie Oldenburg wäh¬
rend des siebzehnten Jahrhunderts war, gewiß keine unerträgliche Last, wenn der
damals regierende Graf Anton Günther die durchschnittliche Summe seiner sämmt¬
lichen Jahreseinkünfte auf 140,000 Thaler schätzte. Darunter machten die Er¬
träge der öffentlichen Abgaben doch nur ein wahres Minimum ans. Im Jahre
1708, unter der dänischen Herrschaft, trugen die Grafschaften Oldenburg und Del-
menhorst freilich schon 304,000 Thaler ein. Kurz vorher war die ursprünglichste
Steuer des Landes, die sogenannte Kontribution, 1680 neu veranschlagt worden.
Dazu kamen als weitere directe Auslagen 1701 das Stempelpapier, 1710 die
Kriegs- und Vermögenssteuer, 1712 — 13 die Vieh- und Fruchtsteuer, 1763 die
Kopf-, Rang- und Procentsteuer von Gehalten, Pensionen und Sporteln. Alle
waren sie jedoch nur temporär, wenn auch in häufiger Wiederkehr auferlegt, und
erst gegen Ende deö letzten Jahrhunderts sind sie in die Form definitiver und
permanenter Verpflichtungen übergegangen. Als letztes Glied ist 1809 noch eine
additivnclle Grundsteuer hinzugekommen, deren Bedürfniß sich ans der zunehmen¬
den Verstärkung des stehenden Heeres gebieterisch genug ergab.

Von indirecten Steuern, Zöllen und Grenzabgaben aller Art hat das Land
Oldenburg eigentlich bis in die dreißiger Jahre deö neunzehnten Jahrhunderts
so gut wie nichts gewußt. Zwar hatte es seiue Accise von allerlei Gegenständen
des allgemeinen Verbrauchs, die nach der französischen Zeit auch auf Wein und
andere Spirituosen ausgedehnt wurde, allein das war eine höchst unbeträchtliche
und ihrer nutzlosen Mannigfaltigkeit wegen sehr uueiuträgliche Abgabe, die vor'


42'
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0337" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96512"/>
          <p xml:id="ID_1175" prev="#ID_1174"> Theil durch die Abgeschiedenheit des Landes von große» Mittelpunkten der Cultur<lb/>
und des fürstlichen Glanzes wie von selbst geboten war, erlaubte sogar für außer¬<lb/>
ordentliche Fälle, wie Kriegsereignisse und tgi., einen Sparpfennig zurückzulegen.<lb/>
So kanieu diese wenig mächtigen, aber seßhaften und wohlhabenden Grafen<lb/>
glücklich über die gefährliche Zeit hinweg, in der die allen Korporationen des<lb/>
Mittelalters ihnen noch für jede Geldbewilligung eine Menge weitgehender Be¬<lb/>
dingungen vorgeschrieben hätten; sie konnten sich der &#x201E;Bete" (Bitte) uoch leicht<lb/>
entschlagen, solange jemand ihnen zu widerstehen sähig war, und entgingen da¬<lb/>
durch der &#x201E;Seba" (Sitte) regelmäßiger, wiederkehrender Landtage, die jedesmal<lb/>
mit neuen Verheißungen erst zu locken und zu ködern waren. &#x201E;Bete wird leicht<lb/>
sete," heißt das alte niedersächsische Sprichwort, das den oldenburger Grafen solange<lb/>
drohend vorgeschwebt zu haben scheint, bis sie aus der häufig allzu theuren Bitte<lb/>
einen ebenso sanft gesprochenen wie unfehlbaren Befehl machen konnten. Als die<lb/>
drei Stände durch den natürlichen Fortschritt der Zeit beseitigt waren, traten die<lb/>
Landesherren mit Steuern und Auflagen hervor, die nnn weder Murren noch<lb/>
offne Weigerung mehr fanden. Je reichlicher aber immer noch ihr eigenes Ver¬<lb/>
mögen zu den allgemeinen Lasten beitrug, desto weniger drückend wurde ihr ab¬<lb/>
solutes Besteuerungsrecht für den Seckel der Unterthanen. Es war für ein mäßig<lb/>
wohlhabendes Land von über hunderttausend Einwohnern, wie Oldenburg wäh¬<lb/>
rend des siebzehnten Jahrhunderts war, gewiß keine unerträgliche Last, wenn der<lb/>
damals regierende Graf Anton Günther die durchschnittliche Summe seiner sämmt¬<lb/>
lichen Jahreseinkünfte auf 140,000 Thaler schätzte. Darunter machten die Er¬<lb/>
träge der öffentlichen Abgaben doch nur ein wahres Minimum ans. Im Jahre<lb/>
1708, unter der dänischen Herrschaft, trugen die Grafschaften Oldenburg und Del-<lb/>
menhorst freilich schon 304,000 Thaler ein. Kurz vorher war die ursprünglichste<lb/>
Steuer des Landes, die sogenannte Kontribution, 1680 neu veranschlagt worden.<lb/>
Dazu kamen als weitere directe Auslagen 1701 das Stempelpapier, 1710 die<lb/>
Kriegs- und Vermögenssteuer, 1712 &#x2014; 13 die Vieh- und Fruchtsteuer, 1763 die<lb/>
Kopf-, Rang- und Procentsteuer von Gehalten, Pensionen und Sporteln. Alle<lb/>
waren sie jedoch nur temporär, wenn auch in häufiger Wiederkehr auferlegt, und<lb/>
erst gegen Ende deö letzten Jahrhunderts sind sie in die Form definitiver und<lb/>
permanenter Verpflichtungen übergegangen. Als letztes Glied ist 1809 noch eine<lb/>
additivnclle Grundsteuer hinzugekommen, deren Bedürfniß sich ans der zunehmen¬<lb/>
den Verstärkung des stehenden Heeres gebieterisch genug ergab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1176" next="#ID_1177"> Von indirecten Steuern, Zöllen und Grenzabgaben aller Art hat das Land<lb/>
Oldenburg eigentlich bis in die dreißiger Jahre deö neunzehnten Jahrhunderts<lb/>
so gut wie nichts gewußt. Zwar hatte es seiue Accise von allerlei Gegenständen<lb/>
des allgemeinen Verbrauchs, die nach der französischen Zeit auch auf Wein und<lb/>
andere Spirituosen ausgedehnt wurde, allein das war eine höchst unbeträchtliche<lb/>
und ihrer nutzlosen Mannigfaltigkeit wegen sehr uueiuträgliche Abgabe, die vor'</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 42'</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0337] Theil durch die Abgeschiedenheit des Landes von große» Mittelpunkten der Cultur und des fürstlichen Glanzes wie von selbst geboten war, erlaubte sogar für außer¬ ordentliche Fälle, wie Kriegsereignisse und tgi., einen Sparpfennig zurückzulegen. So kanieu diese wenig mächtigen, aber seßhaften und wohlhabenden Grafen glücklich über die gefährliche Zeit hinweg, in der die allen Korporationen des Mittelalters ihnen noch für jede Geldbewilligung eine Menge weitgehender Be¬ dingungen vorgeschrieben hätten; sie konnten sich der „Bete" (Bitte) uoch leicht entschlagen, solange jemand ihnen zu widerstehen sähig war, und entgingen da¬ durch der „Seba" (Sitte) regelmäßiger, wiederkehrender Landtage, die jedesmal mit neuen Verheißungen erst zu locken und zu ködern waren. „Bete wird leicht sete," heißt das alte niedersächsische Sprichwort, das den oldenburger Grafen solange drohend vorgeschwebt zu haben scheint, bis sie aus der häufig allzu theuren Bitte einen ebenso sanft gesprochenen wie unfehlbaren Befehl machen konnten. Als die drei Stände durch den natürlichen Fortschritt der Zeit beseitigt waren, traten die Landesherren mit Steuern und Auflagen hervor, die nnn weder Murren noch offne Weigerung mehr fanden. Je reichlicher aber immer noch ihr eigenes Ver¬ mögen zu den allgemeinen Lasten beitrug, desto weniger drückend wurde ihr ab¬ solutes Besteuerungsrecht für den Seckel der Unterthanen. Es war für ein mäßig wohlhabendes Land von über hunderttausend Einwohnern, wie Oldenburg wäh¬ rend des siebzehnten Jahrhunderts war, gewiß keine unerträgliche Last, wenn der damals regierende Graf Anton Günther die durchschnittliche Summe seiner sämmt¬ lichen Jahreseinkünfte auf 140,000 Thaler schätzte. Darunter machten die Er¬ träge der öffentlichen Abgaben doch nur ein wahres Minimum ans. Im Jahre 1708, unter der dänischen Herrschaft, trugen die Grafschaften Oldenburg und Del- menhorst freilich schon 304,000 Thaler ein. Kurz vorher war die ursprünglichste Steuer des Landes, die sogenannte Kontribution, 1680 neu veranschlagt worden. Dazu kamen als weitere directe Auslagen 1701 das Stempelpapier, 1710 die Kriegs- und Vermögenssteuer, 1712 — 13 die Vieh- und Fruchtsteuer, 1763 die Kopf-, Rang- und Procentsteuer von Gehalten, Pensionen und Sporteln. Alle waren sie jedoch nur temporär, wenn auch in häufiger Wiederkehr auferlegt, und erst gegen Ende deö letzten Jahrhunderts sind sie in die Form definitiver und permanenter Verpflichtungen übergegangen. Als letztes Glied ist 1809 noch eine additivnclle Grundsteuer hinzugekommen, deren Bedürfniß sich ans der zunehmen¬ den Verstärkung des stehenden Heeres gebieterisch genug ergab. Von indirecten Steuern, Zöllen und Grenzabgaben aller Art hat das Land Oldenburg eigentlich bis in die dreißiger Jahre deö neunzehnten Jahrhunderts so gut wie nichts gewußt. Zwar hatte es seiue Accise von allerlei Gegenständen des allgemeinen Verbrauchs, die nach der französischen Zeit auch auf Wein und andere Spirituosen ausgedehnt wurde, allein das war eine höchst unbeträchtliche und ihrer nutzlosen Mannigfaltigkeit wegen sehr uueiuträgliche Abgabe, die vor' 42'

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/337
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/337>, abgerufen am 23.07.2024.