Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.thigen Neigungen der Dynastie, noch auf die Trägheit des Volks, ans seinen Für die interessante Thatsache, daß während der entscheidenden Jahrhunderte Aber dennoch ist zu glauben, daß man die Personen und die Träger sür thigen Neigungen der Dynastie, noch auf die Trägheit des Volks, ans seinen Für die interessante Thatsache, daß während der entscheidenden Jahrhunderte Aber dennoch ist zu glauben, daß man die Personen und die Träger sür <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0336" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96511"/> <p xml:id="ID_1172" prev="#ID_1171"> thigen Neigungen der Dynastie, noch auf die Trägheit des Volks, ans seinen<lb/> Mangel an Gemeinsinn und an Frciheitsgesiihl schieben, daß das kleine Land bis<lb/> in die Mitte des gegenwärtigen Jahrhunderts herab ohne alle Anfänge eines con-<lb/> stitutionellen Lebens geblieben ist. Die Formen bildeten sich nnr deshalb nicht<lb/> heraus, weil ihnen der Inhalt fehlte; für die permanenten Verträge und Verein¬<lb/> barungen zwischen Fürst und Unterthanen, welche einem Staatswesen der ge¬<lb/> mäßigten Monarchie eigen und charakteristisch sind, gab es in Oldenburg durchaus<lb/> keinen Stoff.</p><lb/> <p xml:id="ID_1173"> Für die interessante Thatsache, daß während der entscheidenden Jahrhunderte<lb/> an der Grenzscheide zweier Zeitalter, während der Zeiten, welche fast allenthalben,<lb/> in Europa wenigstens, Keime von parlamentarischen Bildungen emportrieben, allein<lb/> in diesem entlegenen kleinen Herzogthum keine Stände erwachsen sind, gibt es<lb/> manche und vielgestaltige Gründe. Die einheimischen Geschichtschreiber, v. Halem,<lb/> Runde, Kosti, entscheiden sich fast übereinstimmend dafür, daß der Hauptgrund<lb/> dieses negativen Factums in dem vorhandenen Mangel an „Elementen" gelegen<lb/> habe. Und es ist nicht zu bestreiten, weniger als wol überall anderswo gab es<lb/> hier die festgeschlossenen und einflußreichen Körperschaften, aus denen damals Land¬<lb/> stände hervorzugehen pflegten. Mit dem Adel der Gegend waren die Grafen von<lb/> Oldenburg, die seit 1180 reichsunmittelbare Träger der noch jetzt regierenden Dy¬<lb/> nastie, durch eine seltene Gunst der Verhältnisse im Handumdrehen fertig ge¬<lb/> worden. Sie haben ihn dann auch in aller späteren Zeit so kräftig niederzu¬<lb/> halten und so weise zu behandeln verstanden, daß es heutzutage in Oldenburg<lb/> keinen großen Grundbesitz, und nnr einen so wenig dnrch Reichthum wie durch<lb/> Bildung das Bürgerthum überragenden Hofadel gibt. Die paar Prälaten, welche<lb/> auf ständische Rechte Anspruch hätten erheben mögen, wurden dnrch die schnell<lb/> benutzte Reformation des sechzehnten Jahrhunderts beseitigt oder unschädlich ge¬<lb/> macht. Von Städten endlich gab es nnr zwei kleine Exemplare in Miniatur, Ol¬<lb/> denburg und Delmenhorst, die beide schon in ihrer Eigenschaft als Residenzen der<lb/> Landesherren an Widerstand gegen die centralisirende Gewalt der Monarchie nicht<lb/> denken konnten. So fehlte in der That gewissermaßen der Rohstoff, ans dem<lb/> für die Bedürfnisse eines freieren öffentlichen Lebens Pairs und Gemeine des<lb/> Reichs zu schnitzen waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1174" next="#ID_1175"> Aber dennoch ist zu glauben, daß man die Personen und die Träger sür<lb/> repräsentative Formen endlich aufgefunden hätte, wäre uicht ausschlaggebend ein zweites,<lb/> und unserer Meinung nach bisher zu gering angesehenes Moment hinzugetreten.<lb/> Die oldenbnrgcr Grafen waren nämlich von Haus aus so begütert, daß sie lange<lb/> Zeit gar uicht, und nachher nnr in seltenen Fällen, zuletzt mindestens nur in einem<lb/> sehr geringfügigen Maß der Beihilfe ihrer Unterthanen für die Deckung der<lb/> Staatsausgaben bedurften. Das Krongut reichte zu allen friedlichen Zeiten dafür<lb/> hin. Eine verständige Wirthschaft und eine Sparsamkeit, welche allerdings zum großen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0336]
thigen Neigungen der Dynastie, noch auf die Trägheit des Volks, ans seinen
Mangel an Gemeinsinn und an Frciheitsgesiihl schieben, daß das kleine Land bis
in die Mitte des gegenwärtigen Jahrhunderts herab ohne alle Anfänge eines con-
stitutionellen Lebens geblieben ist. Die Formen bildeten sich nnr deshalb nicht
heraus, weil ihnen der Inhalt fehlte; für die permanenten Verträge und Verein¬
barungen zwischen Fürst und Unterthanen, welche einem Staatswesen der ge¬
mäßigten Monarchie eigen und charakteristisch sind, gab es in Oldenburg durchaus
keinen Stoff.
Für die interessante Thatsache, daß während der entscheidenden Jahrhunderte
an der Grenzscheide zweier Zeitalter, während der Zeiten, welche fast allenthalben,
in Europa wenigstens, Keime von parlamentarischen Bildungen emportrieben, allein
in diesem entlegenen kleinen Herzogthum keine Stände erwachsen sind, gibt es
manche und vielgestaltige Gründe. Die einheimischen Geschichtschreiber, v. Halem,
Runde, Kosti, entscheiden sich fast übereinstimmend dafür, daß der Hauptgrund
dieses negativen Factums in dem vorhandenen Mangel an „Elementen" gelegen
habe. Und es ist nicht zu bestreiten, weniger als wol überall anderswo gab es
hier die festgeschlossenen und einflußreichen Körperschaften, aus denen damals Land¬
stände hervorzugehen pflegten. Mit dem Adel der Gegend waren die Grafen von
Oldenburg, die seit 1180 reichsunmittelbare Träger der noch jetzt regierenden Dy¬
nastie, durch eine seltene Gunst der Verhältnisse im Handumdrehen fertig ge¬
worden. Sie haben ihn dann auch in aller späteren Zeit so kräftig niederzu¬
halten und so weise zu behandeln verstanden, daß es heutzutage in Oldenburg
keinen großen Grundbesitz, und nnr einen so wenig dnrch Reichthum wie durch
Bildung das Bürgerthum überragenden Hofadel gibt. Die paar Prälaten, welche
auf ständische Rechte Anspruch hätten erheben mögen, wurden dnrch die schnell
benutzte Reformation des sechzehnten Jahrhunderts beseitigt oder unschädlich ge¬
macht. Von Städten endlich gab es nnr zwei kleine Exemplare in Miniatur, Ol¬
denburg und Delmenhorst, die beide schon in ihrer Eigenschaft als Residenzen der
Landesherren an Widerstand gegen die centralisirende Gewalt der Monarchie nicht
denken konnten. So fehlte in der That gewissermaßen der Rohstoff, ans dem
für die Bedürfnisse eines freieren öffentlichen Lebens Pairs und Gemeine des
Reichs zu schnitzen waren.
Aber dennoch ist zu glauben, daß man die Personen und die Träger sür
repräsentative Formen endlich aufgefunden hätte, wäre uicht ausschlaggebend ein zweites,
und unserer Meinung nach bisher zu gering angesehenes Moment hinzugetreten.
Die oldenbnrgcr Grafen waren nämlich von Haus aus so begütert, daß sie lange
Zeit gar uicht, und nachher nnr in seltenen Fällen, zuletzt mindestens nur in einem
sehr geringfügigen Maß der Beihilfe ihrer Unterthanen für die Deckung der
Staatsausgaben bedurften. Das Krongut reichte zu allen friedlichen Zeiten dafür
hin. Eine verständige Wirthschaft und eine Sparsamkeit, welche allerdings zum großen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |