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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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oder des Sohnes mit ehrgeiziger Aufmerksamkeit und die Kinder schlagen in
die kleinen Hände und schreien jubelnd den Namen des Siegers. Auch Urraca
konnte sich nicht versagen, ihr Urtheil auszusprechen, und während sie hier
und da vou Bekannten begrüßt wurde, schüttelten die Maulthiere ernsthaft
den glockenbehangeneu Kopf, als hätten sie auch Sitz und Stimme im Nath.

Indessen hatten wir Zeit, die Bevölkerung von Ustaritz zu betrachten, und
fanden auch hier, was wir schon in Bayonne und auf unsern Wegen gesehen
hatten: größteutheils gedrungene, kräftige Gestalten, selten über mittlere Größe, bei
den Männern kühne Haltung, rasche Bewegungen und einen sichern elastischen Gang,
bei den Frauen eine Anmuth und Zierlichkeit, die sogar neben den Französinnen
auffällt, und fast ohne Ausnahme ausdrucksvolle, dunkle Augen, schwarzes,
üppiges Haar, frische Farben, gesunde Zähne und auffallend kleine Hände und Füße.
Der Ausdruck im Gesicht des Basken wechselt schnell, wie seine Stimmung,
die Züge sind edel, aber scharf geschnitten, das Organ ist voll und tief. Die
baskische Ausdrucksweise kommt an Bilderreichthnm der des Orients gleich, und
die Sprache übertrifft vielleicht alle europäische" an Wohllaut, Biegsamkeit
und Kraft.

Die baskische Kleidung ist malerisch und bequem. Die Männer tragen
Kniehosen von schwarzem Sammet oder braunem Wollenzeuge, rothe Westen und
Schärpen und eine kurze, braune oder schwarze Jacke, sehr weiße Wäsche, ein
buntes, seidnes Halstuch und ein blaues Barett. Das Haar fällt in langen
Locken oder Flechten ans die Schultern und sandalenartige Espadrilleö von
Hanf geflochten und mit bunten Schnüren befestigt, bekleiden die Füße.

Die Frauen und Mädchen dagegen tragen zierliche Schuhe und blaue oder
weiße Strümpfe mit bunten Zwickeln, kurze, rothe Röcke von feiner Wolle, ein
gleichfarbiges Mieder, bunte Schürzen, Hals und Kopftücher; darüber eine
Kapuze von rothem oder weißem Flanell oder einen breitkrämpigen, weißen
Filzhut. Um die Arme schlingen sie gewöhnlich das Scapulier und den Rosen¬
kranz, auch Ringe, Ohrgehänge und Halsbänder sind ein beliebter Schmuck.

Während wir uns umsahen, kamen zwei sehr junge Mädchen herbeigelaufen,
und fielen Urraca mit so stürmischer Zärtlichkeit um den Hals, daß der Carcolet
beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Es waren UrracaS Nichten, die uns
einluden, den Großvater und die Mutter zu besuchen. Der Vater wäre im
Gebirge, sagten sie, um Wolle zu holen, und ließen errathen, daß er als einer
der kühnsten Schmuggler unsere Bewunderung verdiene. Urraca gab ihrem Braunen
einen bedeutungsvollen Schlag, das Thier setzte sich in Trab, seine Kameraden
folgten, die Mädchen liefen lachend nebenher und bald erreichten wir das Hans
am Ende einer der Nebenstraßen, ans dessen Schwelle die Mutter grüßend erschien,
sobald sie das Lachen und Schwatzen der fröhlichen Karavane hörte.

-- Der Etcheco-yauna (Herr des Hanfes) wird sich freuen, sagte sie,


oder des Sohnes mit ehrgeiziger Aufmerksamkeit und die Kinder schlagen in
die kleinen Hände und schreien jubelnd den Namen des Siegers. Auch Urraca
konnte sich nicht versagen, ihr Urtheil auszusprechen, und während sie hier
und da vou Bekannten begrüßt wurde, schüttelten die Maulthiere ernsthaft
den glockenbehangeneu Kopf, als hätten sie auch Sitz und Stimme im Nath.

Indessen hatten wir Zeit, die Bevölkerung von Ustaritz zu betrachten, und
fanden auch hier, was wir schon in Bayonne und auf unsern Wegen gesehen
hatten: größteutheils gedrungene, kräftige Gestalten, selten über mittlere Größe, bei
den Männern kühne Haltung, rasche Bewegungen und einen sichern elastischen Gang,
bei den Frauen eine Anmuth und Zierlichkeit, die sogar neben den Französinnen
auffällt, und fast ohne Ausnahme ausdrucksvolle, dunkle Augen, schwarzes,
üppiges Haar, frische Farben, gesunde Zähne und auffallend kleine Hände und Füße.
Der Ausdruck im Gesicht des Basken wechselt schnell, wie seine Stimmung,
die Züge sind edel, aber scharf geschnitten, das Organ ist voll und tief. Die
baskische Ausdrucksweise kommt an Bilderreichthnm der des Orients gleich, und
die Sprache übertrifft vielleicht alle europäische» an Wohllaut, Biegsamkeit
und Kraft.

Die baskische Kleidung ist malerisch und bequem. Die Männer tragen
Kniehosen von schwarzem Sammet oder braunem Wollenzeuge, rothe Westen und
Schärpen und eine kurze, braune oder schwarze Jacke, sehr weiße Wäsche, ein
buntes, seidnes Halstuch und ein blaues Barett. Das Haar fällt in langen
Locken oder Flechten ans die Schultern und sandalenartige Espadrilleö von
Hanf geflochten und mit bunten Schnüren befestigt, bekleiden die Füße.

Die Frauen und Mädchen dagegen tragen zierliche Schuhe und blaue oder
weiße Strümpfe mit bunten Zwickeln, kurze, rothe Röcke von feiner Wolle, ein
gleichfarbiges Mieder, bunte Schürzen, Hals und Kopftücher; darüber eine
Kapuze von rothem oder weißem Flanell oder einen breitkrämpigen, weißen
Filzhut. Um die Arme schlingen sie gewöhnlich das Scapulier und den Rosen¬
kranz, auch Ringe, Ohrgehänge und Halsbänder sind ein beliebter Schmuck.

Während wir uns umsahen, kamen zwei sehr junge Mädchen herbeigelaufen,
und fielen Urraca mit so stürmischer Zärtlichkeit um den Hals, daß der Carcolet
beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Es waren UrracaS Nichten, die uns
einluden, den Großvater und die Mutter zu besuchen. Der Vater wäre im
Gebirge, sagten sie, um Wolle zu holen, und ließen errathen, daß er als einer
der kühnsten Schmuggler unsere Bewunderung verdiene. Urraca gab ihrem Braunen
einen bedeutungsvollen Schlag, das Thier setzte sich in Trab, seine Kameraden
folgten, die Mädchen liefen lachend nebenher und bald erreichten wir das Hans
am Ende einer der Nebenstraßen, ans dessen Schwelle die Mutter grüßend erschien,
sobald sie das Lachen und Schwatzen der fröhlichen Karavane hörte.

— Der Etcheco-yauna (Herr des Hanfes) wird sich freuen, sagte sie,


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[0331] oder des Sohnes mit ehrgeiziger Aufmerksamkeit und die Kinder schlagen in die kleinen Hände und schreien jubelnd den Namen des Siegers. Auch Urraca konnte sich nicht versagen, ihr Urtheil auszusprechen, und während sie hier und da vou Bekannten begrüßt wurde, schüttelten die Maulthiere ernsthaft den glockenbehangeneu Kopf, als hätten sie auch Sitz und Stimme im Nath. Indessen hatten wir Zeit, die Bevölkerung von Ustaritz zu betrachten, und fanden auch hier, was wir schon in Bayonne und auf unsern Wegen gesehen hatten: größteutheils gedrungene, kräftige Gestalten, selten über mittlere Größe, bei den Männern kühne Haltung, rasche Bewegungen und einen sichern elastischen Gang, bei den Frauen eine Anmuth und Zierlichkeit, die sogar neben den Französinnen auffällt, und fast ohne Ausnahme ausdrucksvolle, dunkle Augen, schwarzes, üppiges Haar, frische Farben, gesunde Zähne und auffallend kleine Hände und Füße. Der Ausdruck im Gesicht des Basken wechselt schnell, wie seine Stimmung, die Züge sind edel, aber scharf geschnitten, das Organ ist voll und tief. Die baskische Ausdrucksweise kommt an Bilderreichthnm der des Orients gleich, und die Sprache übertrifft vielleicht alle europäische» an Wohllaut, Biegsamkeit und Kraft. Die baskische Kleidung ist malerisch und bequem. Die Männer tragen Kniehosen von schwarzem Sammet oder braunem Wollenzeuge, rothe Westen und Schärpen und eine kurze, braune oder schwarze Jacke, sehr weiße Wäsche, ein buntes, seidnes Halstuch und ein blaues Barett. Das Haar fällt in langen Locken oder Flechten ans die Schultern und sandalenartige Espadrilleö von Hanf geflochten und mit bunten Schnüren befestigt, bekleiden die Füße. Die Frauen und Mädchen dagegen tragen zierliche Schuhe und blaue oder weiße Strümpfe mit bunten Zwickeln, kurze, rothe Röcke von feiner Wolle, ein gleichfarbiges Mieder, bunte Schürzen, Hals und Kopftücher; darüber eine Kapuze von rothem oder weißem Flanell oder einen breitkrämpigen, weißen Filzhut. Um die Arme schlingen sie gewöhnlich das Scapulier und den Rosen¬ kranz, auch Ringe, Ohrgehänge und Halsbänder sind ein beliebter Schmuck. Während wir uns umsahen, kamen zwei sehr junge Mädchen herbeigelaufen, und fielen Urraca mit so stürmischer Zärtlichkeit um den Hals, daß der Carcolet beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Es waren UrracaS Nichten, die uns einluden, den Großvater und die Mutter zu besuchen. Der Vater wäre im Gebirge, sagten sie, um Wolle zu holen, und ließen errathen, daß er als einer der kühnsten Schmuggler unsere Bewunderung verdiene. Urraca gab ihrem Braunen einen bedeutungsvollen Schlag, das Thier setzte sich in Trab, seine Kameraden folgten, die Mädchen liefen lachend nebenher und bald erreichten wir das Hans am Ende einer der Nebenstraßen, ans dessen Schwelle die Mutter grüßend erschien, sobald sie das Lachen und Schwatzen der fröhlichen Karavane hörte. — Der Etcheco-yauna (Herr des Hanfes) wird sich freuen, sagte sie,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/331>, abgerufen am 28.09.2024.