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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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indem sie uns allen die Hand reichte. Sie war Urraca sehr ähnlich, aber jünger
und sah zufriedener und gutmüthiger aus. Wir traten ein. Vom Ehrenplatz
am nie verlöschenden Feuer erhob sich ein Greis, der unsre Begrüßung ebenso
herzlich als würdevoll aufnahm und bat, sein Hans wie das unsrige zu betrachten
und mit einem einfachen Abendessen vorlieb zu nehmen.

Wir dankten, denn wir hatten Urraca aufgetragen, uns im Wirthshaus
Quartier und Essen zu bestellen, aber sie erklärte in der ihr eigenen herrischen
Weise, daraus könne nichts werden; wenn der Etchecv-parua uns einlade, dürfe
sie nichts gegen seine Wünsche thun. So blieben wir denn und saßen bald alle
um den großen Eßtisch am Fenster. -- Ein weißes, leinenes Tuch mit rothen
Kanten war darüber gebreitet; irdne Teller, Messer, Löffel "ut Gabel von Zinn;
Tassen und große Gläser bildeten das Couvert. Das Mahl bestand aus einer
starkgewürzten Specksnppe mit vielen Gemüsen und Kräutern, der unvermeidlichen
Chocolade, gebratenem Maisbrei, Hammelfleisch mit Oel, spanischem Pfeffer "ut
Knoblauch gebraten. Zum Nachtisch wurden Espvngas (dünne, süße Kuchen von
Maismehl) und Pittara (ein säuerlicher Obstwein) aufgetragen. Der Bearner
geht spazieren beim Essen, lacht, schwatzt und zankt, aber der Baste ist stumm
dabei, wie der norddeutsche Bauer. Eine ganze Weile hörte man nur das
Krachen der Espongas, das Klappern der Teller "ut das heimliche Flüstern der
jungen Mädchen, und erst als das Dankgebet gesprochen war, begann wieder
das Fragen und Erzählen. Der Elcheco - yauna nahm den Ehrenplatz am
Feuer wieder ein. Die Mutter warf ein Bündel trockner Weinranken auf den
glimmenden Eichenklotz im Kamin, denn der Abend war frisch, die Mädchen
trugen "us eine Bank herbei und der Zauber des com co ton machte sich geltend.
Die Sorgen und Freuden der Familie wurde" uns vertraulich mitgetheilt, von
den Sitten der Basken und von Ustaritz früherer Größe erzählt.

Die Flammen fuhren prasselnd durch das Reisig, schlugen an der ruhigen
Kaminwand empor, erleuchteten Urracas strenge Züge und das freundliche
Gesicht der Hausfrau, spiegelten sich in den glänzenden Augen der Mädchen und
warfen matte Streiflichter über das Antlitz und die Gestalt des Greises, der im
äußersten Winkel saß. Zu unsrer Unterhaltung sang der Wind, bald schlug
auch der Regen gegen die Fensterladen, und einzelne Tropfen sielen zischend ins
Feuer.

Mit der gewöhnliche" Verzagtheit des Alters sah der Greis in diesem
herbstlich kalten Abende ein Bild vom Absterben des Baskenlandes, Urraca stimmte
ein, die sanften Trostgründe der Hausfrau wurden kaum beachtet, die Kinder
lächelten halb mitleidig, halb zuversichtlich, und ihr Blick schien zusagen: wir sind
jung und fröhlich und glauben nicht an den Tod.

Ein Klopfen an der Hausthür unterbrach das Gespräch: Gelobt sei Jesus
Christ! rief eine schwache Stimme.


indem sie uns allen die Hand reichte. Sie war Urraca sehr ähnlich, aber jünger
und sah zufriedener und gutmüthiger aus. Wir traten ein. Vom Ehrenplatz
am nie verlöschenden Feuer erhob sich ein Greis, der unsre Begrüßung ebenso
herzlich als würdevoll aufnahm und bat, sein Hans wie das unsrige zu betrachten
und mit einem einfachen Abendessen vorlieb zu nehmen.

Wir dankten, denn wir hatten Urraca aufgetragen, uns im Wirthshaus
Quartier und Essen zu bestellen, aber sie erklärte in der ihr eigenen herrischen
Weise, daraus könne nichts werden; wenn der Etchecv-parua uns einlade, dürfe
sie nichts gegen seine Wünsche thun. So blieben wir denn und saßen bald alle
um den großen Eßtisch am Fenster. — Ein weißes, leinenes Tuch mit rothen
Kanten war darüber gebreitet; irdne Teller, Messer, Löffel »ut Gabel von Zinn;
Tassen und große Gläser bildeten das Couvert. Das Mahl bestand aus einer
starkgewürzten Specksnppe mit vielen Gemüsen und Kräutern, der unvermeidlichen
Chocolade, gebratenem Maisbrei, Hammelfleisch mit Oel, spanischem Pfeffer »ut
Knoblauch gebraten. Zum Nachtisch wurden Espvngas (dünne, süße Kuchen von
Maismehl) und Pittara (ein säuerlicher Obstwein) aufgetragen. Der Bearner
geht spazieren beim Essen, lacht, schwatzt und zankt, aber der Baste ist stumm
dabei, wie der norddeutsche Bauer. Eine ganze Weile hörte man nur das
Krachen der Espongas, das Klappern der Teller »ut das heimliche Flüstern der
jungen Mädchen, und erst als das Dankgebet gesprochen war, begann wieder
das Fragen und Erzählen. Der Elcheco - yauna nahm den Ehrenplatz am
Feuer wieder ein. Die Mutter warf ein Bündel trockner Weinranken auf den
glimmenden Eichenklotz im Kamin, denn der Abend war frisch, die Mädchen
trugen »us eine Bank herbei und der Zauber des com co ton machte sich geltend.
Die Sorgen und Freuden der Familie wurde» uns vertraulich mitgetheilt, von
den Sitten der Basken und von Ustaritz früherer Größe erzählt.

Die Flammen fuhren prasselnd durch das Reisig, schlugen an der ruhigen
Kaminwand empor, erleuchteten Urracas strenge Züge und das freundliche
Gesicht der Hausfrau, spiegelten sich in den glänzenden Augen der Mädchen und
warfen matte Streiflichter über das Antlitz und die Gestalt des Greises, der im
äußersten Winkel saß. Zu unsrer Unterhaltung sang der Wind, bald schlug
auch der Regen gegen die Fensterladen, und einzelne Tropfen sielen zischend ins
Feuer.

Mit der gewöhnliche» Verzagtheit des Alters sah der Greis in diesem
herbstlich kalten Abende ein Bild vom Absterben des Baskenlandes, Urraca stimmte
ein, die sanften Trostgründe der Hausfrau wurden kaum beachtet, die Kinder
lächelten halb mitleidig, halb zuversichtlich, und ihr Blick schien zusagen: wir sind
jung und fröhlich und glauben nicht an den Tod.

Ein Klopfen an der Hausthür unterbrach das Gespräch: Gelobt sei Jesus
Christ! rief eine schwache Stimme.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/332>, abgerufen am 23.07.2024.