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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Die Kaiserlichen weichen überall zurück, und man erzählt sich sogar, Tim-te sei
in Hu-kuang eingerückt und habe Tschang-Seba genommen.

Während die Mandarine die Chinesen gegen das Christenthum aufzuhetzen
suchen, sprengen sie zugleich das Gerücht aus, als wollte Tim-te den Barbaren
die Häfen Chinas verschließen, und doch gehb ans allen Handlungen des Rebellen
und selbst aus den Berichten der Missionen von Hong-long hervor, daß der
Rebellenchef sich gut mit den Christen zu verhalten suche.

Im Juni 1832 brach die Revolution auch auf der Insel Formosa aus in¬
folge der glücklichen Bemühungen zweier Rebellenhänptlinge, Hung und Ki, die
einander deu Bluteid der Treue geschworen. Man weiß nichts Genaueres über
das Resultat dieser Erhebung, sie hat aber glücklich begonnen. Die Insel For-
mosa ist ein wichtiger Punkt, weil man von da aus die Küsten von Knäng-ton
bewachen und das Einrücken in den Norden des Reichs verhindern kann. Die Insel
Formosa ist bekanntlich im Südosten von Fo-lieu gelegen. Die Chinesen unter¬
halten hier ihre besten Truppen, und dieses Land ist sür China was der Kau¬
kasus einst für Rußland und der Pendjab fürs englische Indien gewesen. Hier
machen die Chinesen ihre militärische Erziehung.

Hu-knang und Knäng-se befinden sich fortwährend in den Händen der
Insurgenten, und die Gefahr von Hu-knang ist so groß, daß der Vicekönig
dieser alten Provinz ein Corps von 4000 Mann anf eigene Kosten ausrüstete,
ohne jedoch viel damit auszurichten. Die Rebellen bemächtigen sich Kürg-fas,
sie erobern Uung-tschn-fu, Huang-Seba-ho und Tschncn-tscheu. Bei Tschao-
tscheon-su werden die Insurgenten zum ersten Mal geschlagen und einige Tage dar¬
aus erleiden sie eine neue Niederlage bei Uung-tschu-f". Um diese Zeit wurde
auch ihre Flotille geschlagen. Sie nahmen bald eine glänzende Revanche, indem
sie sich Konsi-yungs im Hu-nan bemächtigten. Sie machten hier unendliche
Beute, und die Familie Lin allein mußte 200,000 Taels bezahlen.

Im September 18S2 begab sich Tim-te in die Stadt Hing-gan im Norden
von Knäng-si, ganz unweit vou K"el-lin. Trotz dieser großen Nähe verläßt
Sir seinen sichern Versteck nicht, und man möchte glauben, es handle sich um
einen stillschweigenden Waffenstillstand. Jedenfalls müssen die Insurgenten über
respectable Kräfte gebieten, da Sir es nicht wagt, sich mit ihnen zu messen.
Hing-gan ist ein wohlgewählter Punkt, denn Tim-te befindet sich daselbst so zu
sagen im Mittelpunkte der Revolution. Durch Knäng-si hält er die Verbindung
mit Hai-nan und Formosa aufrecht und ist am Eingange von Hu-mein, nicht weit
vom Flusse Uang-ezc-klang, der ihn nach Nanking führen soll. Von hier aus
kann er die verschiedenen Bewegungen leite", ohne seine geheiligte Person aus¬
zusetzen, was sein Ausehen als wenig gewaltig compromittiren müßte. Dies hat
er auch wohl durchschaut und handelt darnach.

Sein Project, ein Föderativreich zu bilden, wird täglich deutlicher Er leugnet


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Die Kaiserlichen weichen überall zurück, und man erzählt sich sogar, Tim-te sei
in Hu-kuang eingerückt und habe Tschang-Seba genommen.

Während die Mandarine die Chinesen gegen das Christenthum aufzuhetzen
suchen, sprengen sie zugleich das Gerücht aus, als wollte Tim-te den Barbaren
die Häfen Chinas verschließen, und doch gehb ans allen Handlungen des Rebellen
und selbst aus den Berichten der Missionen von Hong-long hervor, daß der
Rebellenchef sich gut mit den Christen zu verhalten suche.

Im Juni 1832 brach die Revolution auch auf der Insel Formosa aus in¬
folge der glücklichen Bemühungen zweier Rebellenhänptlinge, Hung und Ki, die
einander deu Bluteid der Treue geschworen. Man weiß nichts Genaueres über
das Resultat dieser Erhebung, sie hat aber glücklich begonnen. Die Insel For-
mosa ist ein wichtiger Punkt, weil man von da aus die Küsten von Knäng-ton
bewachen und das Einrücken in den Norden des Reichs verhindern kann. Die Insel
Formosa ist bekanntlich im Südosten von Fo-lieu gelegen. Die Chinesen unter¬
halten hier ihre besten Truppen, und dieses Land ist sür China was der Kau¬
kasus einst für Rußland und der Pendjab fürs englische Indien gewesen. Hier
machen die Chinesen ihre militärische Erziehung.

Hu-knang und Knäng-se befinden sich fortwährend in den Händen der
Insurgenten, und die Gefahr von Hu-knang ist so groß, daß der Vicekönig
dieser alten Provinz ein Corps von 4000 Mann anf eigene Kosten ausrüstete,
ohne jedoch viel damit auszurichten. Die Rebellen bemächtigen sich Kürg-fas,
sie erobern Uung-tschn-fu, Huang-Seba-ho und Tschncn-tscheu. Bei Tschao-
tscheon-su werden die Insurgenten zum ersten Mal geschlagen und einige Tage dar¬
aus erleiden sie eine neue Niederlage bei Uung-tschu-f». Um diese Zeit wurde
auch ihre Flotille geschlagen. Sie nahmen bald eine glänzende Revanche, indem
sie sich Konsi-yungs im Hu-nan bemächtigten. Sie machten hier unendliche
Beute, und die Familie Lin allein mußte 200,000 Taels bezahlen.

Im September 18S2 begab sich Tim-te in die Stadt Hing-gan im Norden
von Knäng-si, ganz unweit vou K»el-lin. Trotz dieser großen Nähe verläßt
Sir seinen sichern Versteck nicht, und man möchte glauben, es handle sich um
einen stillschweigenden Waffenstillstand. Jedenfalls müssen die Insurgenten über
respectable Kräfte gebieten, da Sir es nicht wagt, sich mit ihnen zu messen.
Hing-gan ist ein wohlgewählter Punkt, denn Tim-te befindet sich daselbst so zu
sagen im Mittelpunkte der Revolution. Durch Knäng-si hält er die Verbindung
mit Hai-nan und Formosa aufrecht und ist am Eingange von Hu-mein, nicht weit
vom Flusse Uang-ezc-klang, der ihn nach Nanking führen soll. Von hier aus
kann er die verschiedenen Bewegungen leite», ohne seine geheiligte Person aus¬
zusetzen, was sein Ausehen als wenig gewaltig compromittiren müßte. Dies hat
er auch wohl durchschaut und handelt darnach.

Sein Project, ein Föderativreich zu bilden, wird täglich deutlicher Er leugnet


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[0259] Die Kaiserlichen weichen überall zurück, und man erzählt sich sogar, Tim-te sei in Hu-kuang eingerückt und habe Tschang-Seba genommen. Während die Mandarine die Chinesen gegen das Christenthum aufzuhetzen suchen, sprengen sie zugleich das Gerücht aus, als wollte Tim-te den Barbaren die Häfen Chinas verschließen, und doch gehb ans allen Handlungen des Rebellen und selbst aus den Berichten der Missionen von Hong-long hervor, daß der Rebellenchef sich gut mit den Christen zu verhalten suche. Im Juni 1832 brach die Revolution auch auf der Insel Formosa aus in¬ folge der glücklichen Bemühungen zweier Rebellenhänptlinge, Hung und Ki, die einander deu Bluteid der Treue geschworen. Man weiß nichts Genaueres über das Resultat dieser Erhebung, sie hat aber glücklich begonnen. Die Insel For- mosa ist ein wichtiger Punkt, weil man von da aus die Küsten von Knäng-ton bewachen und das Einrücken in den Norden des Reichs verhindern kann. Die Insel Formosa ist bekanntlich im Südosten von Fo-lieu gelegen. Die Chinesen unter¬ halten hier ihre besten Truppen, und dieses Land ist sür China was der Kau¬ kasus einst für Rußland und der Pendjab fürs englische Indien gewesen. Hier machen die Chinesen ihre militärische Erziehung. Hu-knang und Knäng-se befinden sich fortwährend in den Händen der Insurgenten, und die Gefahr von Hu-knang ist so groß, daß der Vicekönig dieser alten Provinz ein Corps von 4000 Mann anf eigene Kosten ausrüstete, ohne jedoch viel damit auszurichten. Die Rebellen bemächtigen sich Kürg-fas, sie erobern Uung-tschn-fu, Huang-Seba-ho und Tschncn-tscheu. Bei Tschao- tscheon-su werden die Insurgenten zum ersten Mal geschlagen und einige Tage dar¬ aus erleiden sie eine neue Niederlage bei Uung-tschu-f». Um diese Zeit wurde auch ihre Flotille geschlagen. Sie nahmen bald eine glänzende Revanche, indem sie sich Konsi-yungs im Hu-nan bemächtigten. Sie machten hier unendliche Beute, und die Familie Lin allein mußte 200,000 Taels bezahlen. Im September 18S2 begab sich Tim-te in die Stadt Hing-gan im Norden von Knäng-si, ganz unweit vou K»el-lin. Trotz dieser großen Nähe verläßt Sir seinen sichern Versteck nicht, und man möchte glauben, es handle sich um einen stillschweigenden Waffenstillstand. Jedenfalls müssen die Insurgenten über respectable Kräfte gebieten, da Sir es nicht wagt, sich mit ihnen zu messen. Hing-gan ist ein wohlgewählter Punkt, denn Tim-te befindet sich daselbst so zu sagen im Mittelpunkte der Revolution. Durch Knäng-si hält er die Verbindung mit Hai-nan und Formosa aufrecht und ist am Eingange von Hu-mein, nicht weit vom Flusse Uang-ezc-klang, der ihn nach Nanking führen soll. Von hier aus kann er die verschiedenen Bewegungen leite», ohne seine geheiligte Person aus¬ zusetzen, was sein Ausehen als wenig gewaltig compromittiren müßte. Dies hat er auch wohl durchschaut und handelt darnach. Sein Project, ein Föderativreich zu bilden, wird täglich deutlicher Er leugnet 32'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/259>, abgerufen am 03.07.2024.