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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Richtung gesehen und da hat man sich wol denken können, daß sie beieinander
wären. Der reiche Maun hat für die Rettung seiner Tochter sehr viel Geld ge¬
boten, aber man wäre auch ohne das Sanbade zu Hilfe geeilt, denn jeder hatte
das freundliche Mädchen lieb gehabt. Ju mehren Booten sind die Kühnsten
ausgezogen, ihren Anstrengungen ist es auch gelungen, trotz Wind und Wogen
die Richtung festzuhalten -- aber das alles hat nichts genützt. Sie haben in
der Grotte Laorens und Saubade fest umschlungen stehen sehen, das junge Mäd¬
chen hat den Kopf auf die Schulter des Geliebten gelegt, ihr blondes Haar hat
wie ein Goldmantel auf den Wellen gelegen, die immer hoher gestiegen sind.
Laorens hat sich an einem Felsblock angeklammert und mit dem linken Arme das
Mädchen festgehalten; sie hat ihm lächelnd zugeredet und so glückselig ausgesehen,
wie ein Engel unseres Herrgotts. Aber das Meer hat kein Erbarmen! Eine
schwarze, brüllende Woge hat die Beiden fortgerissen und verschlungen und nie¬
mand hat sie wiedergesehen. -- Die Grotte nennt man seitdem ekambrg-ä'irmour
und wenn ein Bursche meint, daß ihm sein Mädchen nicht tren ist, legt er einen
Stein zu Sanbades Gedächtniß in die Grotte und das soll schon oft geholfen
haben.

-- Habt Ihr Mals einen Liebhaber gehabt, der sich die Mühe gab, das
zu versuchen? fragte die Wirthin. Jedenfalls muß es lange her sein -- jetzt
sind solche Dummheiten nicht mehr im Gange. Aber freilich mögt Ihr Euer
graues Haar schou länger haben, als ich mein schwarzes.

Mit dem Ausdrucke tiefster Verachtung blickte Urraca die Spötterin an, ging
dann, ohne ein Wort zu sagen, hinaus zu ihren Mais fressenden Thieren, zog
einige Zwiebeln aus der Tasche und verzehrte sie im Sonnenschein sitzend mit
großem Appetit, wies auch nachher alle Speisen beharrlich zurück und nahm nur
etwas Wein, den wir mitgebracht hatten, "denn ein Baste, der-ans Ehre hält",
versicherte sie, "kann nicht ans der Schüssel seines Feindes essen!" Aber als wir
wieder in unsern Körben saßen und dem Strande zürnten, fand sie ihre gute
Laune wieder und versäumte nicht, uns die oKlundre-et'-iMom' zu zeigen, die jetzt
mit Sand gefüllt und von Sand umgeben durchaus Nicht den erwarteten Hin¬
tergrund zu der Trauergeschichte von Laorens und Sanbade gewährt.

Indessen ändert sich der Charakter des Ufers. Ans der Sandfläche des
Strandes erheben sich größere und kleinere Felsmassen, die sich zu einem Boll¬
werk verbinden, an welchem das Meer mit unaufhörlichem Gebrüll anstürmt.

Ans einem dieser Felsen ist der Leuchtthurm erbaut, den Napoleon der bis-
cayischen Küste geschenkt hat. Der runde Thurm erhebt sich frei und leicht über
die Steinmassen ringsumher, die aussehe", als wären sie von Riesenbauten durch¬
einander geworfen. Seine Laterne besteht aus Reihen schräg übereinander lie¬
gender Glaslinsen, die das Licht der kleinen Lampe im Mittelpunkte verhundert¬
fachen. Ein Uhrwerk setzt die Gläser in langsam kreiselnde Bewegung, das reget-


Richtung gesehen und da hat man sich wol denken können, daß sie beieinander
wären. Der reiche Maun hat für die Rettung seiner Tochter sehr viel Geld ge¬
boten, aber man wäre auch ohne das Sanbade zu Hilfe geeilt, denn jeder hatte
das freundliche Mädchen lieb gehabt. Ju mehren Booten sind die Kühnsten
ausgezogen, ihren Anstrengungen ist es auch gelungen, trotz Wind und Wogen
die Richtung festzuhalten — aber das alles hat nichts genützt. Sie haben in
der Grotte Laorens und Saubade fest umschlungen stehen sehen, das junge Mäd¬
chen hat den Kopf auf die Schulter des Geliebten gelegt, ihr blondes Haar hat
wie ein Goldmantel auf den Wellen gelegen, die immer hoher gestiegen sind.
Laorens hat sich an einem Felsblock angeklammert und mit dem linken Arme das
Mädchen festgehalten; sie hat ihm lächelnd zugeredet und so glückselig ausgesehen,
wie ein Engel unseres Herrgotts. Aber das Meer hat kein Erbarmen! Eine
schwarze, brüllende Woge hat die Beiden fortgerissen und verschlungen und nie¬
mand hat sie wiedergesehen. — Die Grotte nennt man seitdem ekambrg-ä'irmour
und wenn ein Bursche meint, daß ihm sein Mädchen nicht tren ist, legt er einen
Stein zu Sanbades Gedächtniß in die Grotte und das soll schon oft geholfen
haben.

— Habt Ihr Mals einen Liebhaber gehabt, der sich die Mühe gab, das
zu versuchen? fragte die Wirthin. Jedenfalls muß es lange her sein — jetzt
sind solche Dummheiten nicht mehr im Gange. Aber freilich mögt Ihr Euer
graues Haar schou länger haben, als ich mein schwarzes.

Mit dem Ausdrucke tiefster Verachtung blickte Urraca die Spötterin an, ging
dann, ohne ein Wort zu sagen, hinaus zu ihren Mais fressenden Thieren, zog
einige Zwiebeln aus der Tasche und verzehrte sie im Sonnenschein sitzend mit
großem Appetit, wies auch nachher alle Speisen beharrlich zurück und nahm nur
etwas Wein, den wir mitgebracht hatten, „denn ein Baste, der-ans Ehre hält",
versicherte sie, „kann nicht ans der Schüssel seines Feindes essen!" Aber als wir
wieder in unsern Körben saßen und dem Strande zürnten, fand sie ihre gute
Laune wieder und versäumte nicht, uns die oKlundre-et'-iMom' zu zeigen, die jetzt
mit Sand gefüllt und von Sand umgeben durchaus Nicht den erwarteten Hin¬
tergrund zu der Trauergeschichte von Laorens und Sanbade gewährt.

Indessen ändert sich der Charakter des Ufers. Ans der Sandfläche des
Strandes erheben sich größere und kleinere Felsmassen, die sich zu einem Boll¬
werk verbinden, an welchem das Meer mit unaufhörlichem Gebrüll anstürmt.

Ans einem dieser Felsen ist der Leuchtthurm erbaut, den Napoleon der bis-
cayischen Küste geschenkt hat. Der runde Thurm erhebt sich frei und leicht über
die Steinmassen ringsumher, die aussehe», als wären sie von Riesenbauten durch¬
einander geworfen. Seine Laterne besteht aus Reihen schräg übereinander lie¬
gender Glaslinsen, die das Licht der kleinen Lampe im Mittelpunkte verhundert¬
fachen. Ein Uhrwerk setzt die Gläser in langsam kreiselnde Bewegung, das reget-


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[0254] Richtung gesehen und da hat man sich wol denken können, daß sie beieinander wären. Der reiche Maun hat für die Rettung seiner Tochter sehr viel Geld ge¬ boten, aber man wäre auch ohne das Sanbade zu Hilfe geeilt, denn jeder hatte das freundliche Mädchen lieb gehabt. Ju mehren Booten sind die Kühnsten ausgezogen, ihren Anstrengungen ist es auch gelungen, trotz Wind und Wogen die Richtung festzuhalten — aber das alles hat nichts genützt. Sie haben in der Grotte Laorens und Saubade fest umschlungen stehen sehen, das junge Mäd¬ chen hat den Kopf auf die Schulter des Geliebten gelegt, ihr blondes Haar hat wie ein Goldmantel auf den Wellen gelegen, die immer hoher gestiegen sind. Laorens hat sich an einem Felsblock angeklammert und mit dem linken Arme das Mädchen festgehalten; sie hat ihm lächelnd zugeredet und so glückselig ausgesehen, wie ein Engel unseres Herrgotts. Aber das Meer hat kein Erbarmen! Eine schwarze, brüllende Woge hat die Beiden fortgerissen und verschlungen und nie¬ mand hat sie wiedergesehen. — Die Grotte nennt man seitdem ekambrg-ä'irmour und wenn ein Bursche meint, daß ihm sein Mädchen nicht tren ist, legt er einen Stein zu Sanbades Gedächtniß in die Grotte und das soll schon oft geholfen haben. — Habt Ihr Mals einen Liebhaber gehabt, der sich die Mühe gab, das zu versuchen? fragte die Wirthin. Jedenfalls muß es lange her sein — jetzt sind solche Dummheiten nicht mehr im Gange. Aber freilich mögt Ihr Euer graues Haar schou länger haben, als ich mein schwarzes. Mit dem Ausdrucke tiefster Verachtung blickte Urraca die Spötterin an, ging dann, ohne ein Wort zu sagen, hinaus zu ihren Mais fressenden Thieren, zog einige Zwiebeln aus der Tasche und verzehrte sie im Sonnenschein sitzend mit großem Appetit, wies auch nachher alle Speisen beharrlich zurück und nahm nur etwas Wein, den wir mitgebracht hatten, „denn ein Baste, der-ans Ehre hält", versicherte sie, „kann nicht ans der Schüssel seines Feindes essen!" Aber als wir wieder in unsern Körben saßen und dem Strande zürnten, fand sie ihre gute Laune wieder und versäumte nicht, uns die oKlundre-et'-iMom' zu zeigen, die jetzt mit Sand gefüllt und von Sand umgeben durchaus Nicht den erwarteten Hin¬ tergrund zu der Trauergeschichte von Laorens und Sanbade gewährt. Indessen ändert sich der Charakter des Ufers. Ans der Sandfläche des Strandes erheben sich größere und kleinere Felsmassen, die sich zu einem Boll¬ werk verbinden, an welchem das Meer mit unaufhörlichem Gebrüll anstürmt. Ans einem dieser Felsen ist der Leuchtthurm erbaut, den Napoleon der bis- cayischen Küste geschenkt hat. Der runde Thurm erhebt sich frei und leicht über die Steinmassen ringsumher, die aussehe», als wären sie von Riesenbauten durch¬ einander geworfen. Seine Laterne besteht aus Reihen schräg übereinander lie¬ gender Glaslinsen, die das Licht der kleinen Lampe im Mittelpunkte verhundert¬ fachen. Ein Uhrwerk setzt die Gläser in langsam kreiselnde Bewegung, das reget-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/254>, abgerufen am 03.07.2024.