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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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kanns ein jeder merken: sie bringen immer soviel fremden Unsinn in ihre
Rede.

-- Ist denn nur in der Baskensprache Vernunft? fragten wir, um sie zu
reizen; aber mit größter Ruhe gab sie zur Antwort:

-- Die Baskcusprache hat Gott gemacht, darum nennt sie alles beim rechten
Namen, das andere Französisch und die Sprache von Böarn und die von
Catalonien und die von Toulouse und alle, die es sonst noch gibt, sind doch nur
Erfindung vou Menschen, die gesündigt haben und wenig Einsicht besitzen!

-- Und Angelet und die andern Dörfer ringsumher gehören wol noch zu
Bear" ?

-- Das weiß ich nicht, antwortete sie nach einigem Bedenken, aber ich
denke, sie werden das Rechte immermehr einsehen und endlich auch Basken
werden in ihrem Thun, wenn ste's auch leider vou Natur uicht werden können.

Die Wirthin trat wieder ein, um die Hühner, wie es hier zu Lande Ge¬
brauch ist, auf den Rost zu legen, ehe sie ganz erkalten. Urraca drehte ihr sogleich
den Rücken und begann mit wichtigster Miene:

-- Hier in Angelet hat auch die schöne Saubade gelebt, die man, weil sie
sehr reich war und weil sie wunderschönes blondes Haar hatte, das Goldkind zu
nennen pflegte. Aber trotz Schönheit und Reichthum ist sie nicht glücklich ge¬
wesen, denn sie hat den armen Fischer Laorcus geliebt und ihr Vater, ein stolzer,
habsüchtiger Mann, hat sein Kind ganz anders verheirathen wollen. Saubade
hat uicht mehr mit Laorens tanzen dürfen, er hat ihr nur heimlich einige Worte
zuflüstern können und über ein Jahr haben das die jungen Leute ertragen.
Laorens hat immer daran gedacht, wie er sich Geld erwerben könnte und San-
bade hat geweint und gebetet und ihre Schutzheilige angefleht, daß sie ihr helfen
möge. Plötzlich hat sich Laorens entschlossen, Soldat zu werdeu -- um aber vou
Sanbade Abschied nehmen zu können, hat er sie gebeten, in eine Grotte zu gehen,
die er am Ufer nach Bidaritz zu entdeckt hatte, und weil es zum Abschiednehmen
war, hat das junge Mädchen nicht die Kraft gehabt, nein zu sagen. Sie werden
nachher dle Grotte sehen, wenn nicht die Flut den Strandweg versperrt. Die
Felsen, von denen sie gebildet wird, sind jetzt fast ganz von angeschwemmtem
Sande bedeckt, aber damals soll sie noch schroff an der Küste gestanden haben
und Sanbade hat nur mit Laorens Hilfe hinaufklettern können. Aber als sie
nun endlich ungestört beieinander gewesen.sind, haben sie sich soviel zu sagen
gehabt, haben miteinander geweint und sich dann wieder so glücklich angeschaut,
daß sie ihre Umgebung nicht beachtet haben. Plötzlich ist Laorens mit einem
Schrei aufgesprungen, denn der Wellenschaum hat seinen nackten Fuß bespritzt,
das Meer hat gebrüllt und über die Berge sind Gewitterwolken gezogen. Nun
hat aber Saubades Vater sein Kind gesucht, eine Nachbarin hat ihm gesagt, sie
wäre Mes den Grotten gegangen, ein anderer hat anch Laorens in derselben


kanns ein jeder merken: sie bringen immer soviel fremden Unsinn in ihre
Rede.

— Ist denn nur in der Baskensprache Vernunft? fragten wir, um sie zu
reizen; aber mit größter Ruhe gab sie zur Antwort:

— Die Baskcusprache hat Gott gemacht, darum nennt sie alles beim rechten
Namen, das andere Französisch und die Sprache von Böarn und die von
Catalonien und die von Toulouse und alle, die es sonst noch gibt, sind doch nur
Erfindung vou Menschen, die gesündigt haben und wenig Einsicht besitzen!

— Und Angelet und die andern Dörfer ringsumher gehören wol noch zu
Bear» ?

— Das weiß ich nicht, antwortete sie nach einigem Bedenken, aber ich
denke, sie werden das Rechte immermehr einsehen und endlich auch Basken
werden in ihrem Thun, wenn ste's auch leider vou Natur uicht werden können.

Die Wirthin trat wieder ein, um die Hühner, wie es hier zu Lande Ge¬
brauch ist, auf den Rost zu legen, ehe sie ganz erkalten. Urraca drehte ihr sogleich
den Rücken und begann mit wichtigster Miene:

— Hier in Angelet hat auch die schöne Saubade gelebt, die man, weil sie
sehr reich war und weil sie wunderschönes blondes Haar hatte, das Goldkind zu
nennen pflegte. Aber trotz Schönheit und Reichthum ist sie nicht glücklich ge¬
wesen, denn sie hat den armen Fischer Laorcus geliebt und ihr Vater, ein stolzer,
habsüchtiger Mann, hat sein Kind ganz anders verheirathen wollen. Saubade
hat uicht mehr mit Laorens tanzen dürfen, er hat ihr nur heimlich einige Worte
zuflüstern können und über ein Jahr haben das die jungen Leute ertragen.
Laorens hat immer daran gedacht, wie er sich Geld erwerben könnte und San-
bade hat geweint und gebetet und ihre Schutzheilige angefleht, daß sie ihr helfen
möge. Plötzlich hat sich Laorens entschlossen, Soldat zu werdeu — um aber vou
Sanbade Abschied nehmen zu können, hat er sie gebeten, in eine Grotte zu gehen,
die er am Ufer nach Bidaritz zu entdeckt hatte, und weil es zum Abschiednehmen
war, hat das junge Mädchen nicht die Kraft gehabt, nein zu sagen. Sie werden
nachher dle Grotte sehen, wenn nicht die Flut den Strandweg versperrt. Die
Felsen, von denen sie gebildet wird, sind jetzt fast ganz von angeschwemmtem
Sande bedeckt, aber damals soll sie noch schroff an der Küste gestanden haben
und Sanbade hat nur mit Laorens Hilfe hinaufklettern können. Aber als sie
nun endlich ungestört beieinander gewesen.sind, haben sie sich soviel zu sagen
gehabt, haben miteinander geweint und sich dann wieder so glücklich angeschaut,
daß sie ihre Umgebung nicht beachtet haben. Plötzlich ist Laorens mit einem
Schrei aufgesprungen, denn der Wellenschaum hat seinen nackten Fuß bespritzt,
das Meer hat gebrüllt und über die Berge sind Gewitterwolken gezogen. Nun
hat aber Saubades Vater sein Kind gesucht, eine Nachbarin hat ihm gesagt, sie
wäre Mes den Grotten gegangen, ein anderer hat anch Laorens in derselben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/253>, abgerufen am 23.07.2024.