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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Von den zahlreichen Zeugen, welche vorgeladen sind, wird zuerst Herr Laca-
bane, Professor der Schule zu Charte und berühmter Genealog vernommen,
dem die Prüfung der Documente, durch die der Angeklagte seine Abstammung
von den Gonzagas behauptete, aufgetragen war. Seine Aussage lautet für
diesen höchst ungünstig; er ist darnach kein Gonzaga, da die von ihm vorge¬
brachten Beweisstücke gar nicht auf thu anwendbar sind. Er würde serner in
keinem Fall das Recht haben, sich Souverän zu tituliren, weil dem Zweig, dem
er anzugehören behauptet, die Souveränetät gar nicht zugehören würde. Endlich
habe durch den Act vo" 1708, kraft dessen der deutsche Kaiser die Gonzagas
ihrer Staaten beraubte, ihre Nachkommenschaft das Recht der Verleihung der
ihnen früher zugehörigen Orden verloren, und sei es auch von keinem Gonzaga
seit dieser Zeit mehr geübt worden. Der öffentliche Ankläger bemerkte hierbei,
daß der Angeklagte noch ein anderes, in der That verwegenes Mittel versucht
habe, um zu seinem Zweck zu gelangen. Es existire ans der Bibliothek ein sehr
merkwürdiges Buch des Prinzen Litla über die italienischen Familien; die
17. Tafel dieses Buches sei der Familie Gonzaga gewidmet; die Wachsamkeit
der Angestellten habe in letzterer Zeit verhindert, daß man eine andere Tafel
von demselben Format und Druck untergeschoben, welche sich ans eine Weise
endigt, die glauben lassen kann, daß der Angeklagte der legitime Abkömmling
des Hauses Gonzaga ist.

Zunächst werden verschiedene polnische Offiziere vernommen, welche sämmtlich
erklären, daß der Angeklagte nicht jener Murzynowski sei, der mit ihnen in der
polnischen Armee gedient habe, und "och gegenwärtig im Pvsenschen lebe. Sie
erklären außerdem, daß der Angeklagte die gröbste Unwissenheit über alle dama¬
ligen Verhältnisse und Zustände, ja selbst über die des Regimentes, in dem er
gedient haben will, zeige. Der General KrasynSki sagt, jener spräche übrigens
sehr schlecht das Polnische und sei, wie er glaube, ein Deutscher. Der Präsident
fragt: "Sahen sie in ihm einen Mann, der Erziehung empfangen hat?" Worauf
der Zeuge antwortet: "er hat deren keine" und auf die weitere Frage des
Präsidenten, ob er glaube, daß er ein Bauer sei, dies völlig verneint; ebenso
spricht der Rentier Ol'rynski die Vermuthung ans, daß der Angeklagte ein Deut¬
scher sei. Auch der General Chrzanvwski wird vernommen, den nnter andern der
Staatsanwalt fragt, ob er etwas von den famosen Siegen wisse, die, Herrn
Ferraris zufolge, ein General Gonzaga im Kriege von 1831 mit 1300 Polen
über 40,000 Russen erfochten habe; der Zeuge, welcher ein Lächeln nicht unter¬
drücken kann, antwortet, in seiner Eigenschaft als Chef des Generalstabs müßte
er jedenfalls von diesen Thaten Kenntniß gehabt haben; auch habe es keinen
General Gonzaga in der Armee gegeben. Herr Avond, Vertheidiger, findet
hierbei für gut zu erklären, daß sein Client keineswegs alle hohen Thaten an¬
nehme, welche die Einbildungskraft des Herrn Ferraris ihm gütigst zugetheilt habe.


Von den zahlreichen Zeugen, welche vorgeladen sind, wird zuerst Herr Laca-
bane, Professor der Schule zu Charte und berühmter Genealog vernommen,
dem die Prüfung der Documente, durch die der Angeklagte seine Abstammung
von den Gonzagas behauptete, aufgetragen war. Seine Aussage lautet für
diesen höchst ungünstig; er ist darnach kein Gonzaga, da die von ihm vorge¬
brachten Beweisstücke gar nicht auf thu anwendbar sind. Er würde serner in
keinem Fall das Recht haben, sich Souverän zu tituliren, weil dem Zweig, dem
er anzugehören behauptet, die Souveränetät gar nicht zugehören würde. Endlich
habe durch den Act vo» 1708, kraft dessen der deutsche Kaiser die Gonzagas
ihrer Staaten beraubte, ihre Nachkommenschaft das Recht der Verleihung der
ihnen früher zugehörigen Orden verloren, und sei es auch von keinem Gonzaga
seit dieser Zeit mehr geübt worden. Der öffentliche Ankläger bemerkte hierbei,
daß der Angeklagte noch ein anderes, in der That verwegenes Mittel versucht
habe, um zu seinem Zweck zu gelangen. Es existire ans der Bibliothek ein sehr
merkwürdiges Buch des Prinzen Litla über die italienischen Familien; die
17. Tafel dieses Buches sei der Familie Gonzaga gewidmet; die Wachsamkeit
der Angestellten habe in letzterer Zeit verhindert, daß man eine andere Tafel
von demselben Format und Druck untergeschoben, welche sich ans eine Weise
endigt, die glauben lassen kann, daß der Angeklagte der legitime Abkömmling
des Hauses Gonzaga ist.

Zunächst werden verschiedene polnische Offiziere vernommen, welche sämmtlich
erklären, daß der Angeklagte nicht jener Murzynowski sei, der mit ihnen in der
polnischen Armee gedient habe, und »och gegenwärtig im Pvsenschen lebe. Sie
erklären außerdem, daß der Angeklagte die gröbste Unwissenheit über alle dama¬
ligen Verhältnisse und Zustände, ja selbst über die des Regimentes, in dem er
gedient haben will, zeige. Der General KrasynSki sagt, jener spräche übrigens
sehr schlecht das Polnische und sei, wie er glaube, ein Deutscher. Der Präsident
fragt: „Sahen sie in ihm einen Mann, der Erziehung empfangen hat?" Worauf
der Zeuge antwortet: „er hat deren keine" und auf die weitere Frage des
Präsidenten, ob er glaube, daß er ein Bauer sei, dies völlig verneint; ebenso
spricht der Rentier Ol'rynski die Vermuthung ans, daß der Angeklagte ein Deut¬
scher sei. Auch der General Chrzanvwski wird vernommen, den nnter andern der
Staatsanwalt fragt, ob er etwas von den famosen Siegen wisse, die, Herrn
Ferraris zufolge, ein General Gonzaga im Kriege von 1831 mit 1300 Polen
über 40,000 Russen erfochten habe; der Zeuge, welcher ein Lächeln nicht unter¬
drücken kann, antwortet, in seiner Eigenschaft als Chef des Generalstabs müßte
er jedenfalls von diesen Thaten Kenntniß gehabt haben; auch habe es keinen
General Gonzaga in der Armee gegeben. Herr Avond, Vertheidiger, findet
hierbei für gut zu erklären, daß sein Client keineswegs alle hohen Thaten an¬
nehme, welche die Einbildungskraft des Herrn Ferraris ihm gütigst zugetheilt habe.


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[0223] Von den zahlreichen Zeugen, welche vorgeladen sind, wird zuerst Herr Laca- bane, Professor der Schule zu Charte und berühmter Genealog vernommen, dem die Prüfung der Documente, durch die der Angeklagte seine Abstammung von den Gonzagas behauptete, aufgetragen war. Seine Aussage lautet für diesen höchst ungünstig; er ist darnach kein Gonzaga, da die von ihm vorge¬ brachten Beweisstücke gar nicht auf thu anwendbar sind. Er würde serner in keinem Fall das Recht haben, sich Souverän zu tituliren, weil dem Zweig, dem er anzugehören behauptet, die Souveränetät gar nicht zugehören würde. Endlich habe durch den Act vo» 1708, kraft dessen der deutsche Kaiser die Gonzagas ihrer Staaten beraubte, ihre Nachkommenschaft das Recht der Verleihung der ihnen früher zugehörigen Orden verloren, und sei es auch von keinem Gonzaga seit dieser Zeit mehr geübt worden. Der öffentliche Ankläger bemerkte hierbei, daß der Angeklagte noch ein anderes, in der That verwegenes Mittel versucht habe, um zu seinem Zweck zu gelangen. Es existire ans der Bibliothek ein sehr merkwürdiges Buch des Prinzen Litla über die italienischen Familien; die 17. Tafel dieses Buches sei der Familie Gonzaga gewidmet; die Wachsamkeit der Angestellten habe in letzterer Zeit verhindert, daß man eine andere Tafel von demselben Format und Druck untergeschoben, welche sich ans eine Weise endigt, die glauben lassen kann, daß der Angeklagte der legitime Abkömmling des Hauses Gonzaga ist. Zunächst werden verschiedene polnische Offiziere vernommen, welche sämmtlich erklären, daß der Angeklagte nicht jener Murzynowski sei, der mit ihnen in der polnischen Armee gedient habe, und »och gegenwärtig im Pvsenschen lebe. Sie erklären außerdem, daß der Angeklagte die gröbste Unwissenheit über alle dama¬ ligen Verhältnisse und Zustände, ja selbst über die des Regimentes, in dem er gedient haben will, zeige. Der General KrasynSki sagt, jener spräche übrigens sehr schlecht das Polnische und sei, wie er glaube, ein Deutscher. Der Präsident fragt: „Sahen sie in ihm einen Mann, der Erziehung empfangen hat?" Worauf der Zeuge antwortet: „er hat deren keine" und auf die weitere Frage des Präsidenten, ob er glaube, daß er ein Bauer sei, dies völlig verneint; ebenso spricht der Rentier Ol'rynski die Vermuthung ans, daß der Angeklagte ein Deut¬ scher sei. Auch der General Chrzanvwski wird vernommen, den nnter andern der Staatsanwalt fragt, ob er etwas von den famosen Siegen wisse, die, Herrn Ferraris zufolge, ein General Gonzaga im Kriege von 1831 mit 1300 Polen über 40,000 Russen erfochten habe; der Zeuge, welcher ein Lächeln nicht unter¬ drücken kann, antwortet, in seiner Eigenschaft als Chef des Generalstabs müßte er jedenfalls von diesen Thaten Kenntniß gehabt haben; auch habe es keinen General Gonzaga in der Armee gegeben. Herr Avond, Vertheidiger, findet hierbei für gut zu erklären, daß sein Client keineswegs alle hohen Thaten an¬ nehme, welche die Einbildungskraft des Herrn Ferraris ihm gütigst zugetheilt habe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/223>, abgerufen am 03.07.2024.