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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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ließen. Die chinesischen Münzen tragen bekanntlich nur den Namen des Kaisers,
und die Sapeken, auf denen der Name des "Rebellenhäuptlings" zu lesen war,
machten einen großen Eindruck auf die positive" Gemüther der chinesischen
Handelswelt.

Trotz ihrer Anstrengungen konnten die Insurgenten, wie bemerkt, Kuei-lin
nicht erobern, doch fallen unzählige andere Städte von China in ihre Hände.
So: Lo-klug-tschn, Li-ring-hier. Nach der Einnahme dieser Städte schickte ein
Rebellenchef Tschu-in-tar eine Flottille mit 6000 Mann nach Ju-un-tschu. Der
Präfect und der General U-lan-tai waren in der Stadt, sie wollten den Insur¬
genten zuvorkommen und den Weg abschneiden, erlitten aber eine große Nieder¬
lage. Der Präfect war unter den Gefallenen. Das ist aber kein schlimmeres
Loos als die Ungnade beim Kaiser, die jeden Geueral nach einer Niederlage trifft.

Gegen das Ende des Jahres nahmen die Siege der Rebellen einen
so raschen Fortgang, daß selbst den Zeitungen von Peking die Lust an ihren
großthuerischen Bulletins benommen wird. Die Regierung setzt alle festen Städte
auf den Kriegsfuß und man bereitet sich ans beiden Seiten wieder zum Kampfe
vor. Am 24. September kommt es im Distrikte von Uung-gau wieder zu einem
Zusammenstoße der Insurgenten mit den Kaiserliche" und diese werden neuerdings
geschlagen. Timee erobert Unng-gan-tschn, Hnenmon und die Departemeutalstadt
Pirg-lo. Die Rebellen benahmen sich jedoch höchst menschlich gegen die Bewohner
so wie sich ihre Truppen überhaupt im ganzen Verlaufe dieser Bewegung als
wohldisciplinirt erwiesen haben. Tim-te fordert die Bewohner der eroberten
Länder auf, ruhig ihren bisherigen Beschäftigungen fortzuleben, und denen, welche
seine Autorität nicht anerkennen wollen, wird gestattet, sich mit ihrem Vermögen
hinzuwenden, wo es ihnen beliebt. Sir ist immer in Kao-tscheu-su eingesperrt
und erschöpft sich in strategischen Erfindungen; er setzt einen Preis ans die Köpfe
von Tim-des Vater, von Tieutes geheimnißvollen Vertrauten, der den Ming
überall begleitet, und endlich von Tim-te selbst. Es will sich aber nichts zeigen.
Sir, dem die Zeit zu laug wird in seiner wohlgeschützten Feste, bietet den In¬
surgenten eine Summe von 300,000 Taels (baarer Thaler), wenn sie sich zurück¬
ziehe" und ihm erlauben wollten, sich nach Peking zu begeben. Die Rebellen
bleiben taub und dringen vorwärts. Mit Ausnahme der" Hauptstadt Kuei-lin
gibt es keine Städte, keinen Weiler mehr, der nicht ihrer Autorität gehorchte,
der Dynastie Ming Treue geschworen hätte.

Der Einnahme von Uuug-gan-tschu folgte jene von U-tschu-su in der Provinz
Canton. Ein Augenzeuge, welcher der Belagerung dieser Stadt beiwohnte, be>
hauptet, die Insurgenten bilden verschiedene Corps, die alle von unabhängigen
Generalen befehligt werden. Diese Behauptung wird durch folgende Proclamation
bestätigt:

"Wisse es v Volk, China gehört der Descendenz der alten Dynastie; seid


ließen. Die chinesischen Münzen tragen bekanntlich nur den Namen des Kaisers,
und die Sapeken, auf denen der Name des „Rebellenhäuptlings" zu lesen war,
machten einen großen Eindruck auf die positive» Gemüther der chinesischen
Handelswelt.

Trotz ihrer Anstrengungen konnten die Insurgenten, wie bemerkt, Kuei-lin
nicht erobern, doch fallen unzählige andere Städte von China in ihre Hände.
So: Lo-klug-tschn, Li-ring-hier. Nach der Einnahme dieser Städte schickte ein
Rebellenchef Tschu-in-tar eine Flottille mit 6000 Mann nach Ju-un-tschu. Der
Präfect und der General U-lan-tai waren in der Stadt, sie wollten den Insur¬
genten zuvorkommen und den Weg abschneiden, erlitten aber eine große Nieder¬
lage. Der Präfect war unter den Gefallenen. Das ist aber kein schlimmeres
Loos als die Ungnade beim Kaiser, die jeden Geueral nach einer Niederlage trifft.

Gegen das Ende des Jahres nahmen die Siege der Rebellen einen
so raschen Fortgang, daß selbst den Zeitungen von Peking die Lust an ihren
großthuerischen Bulletins benommen wird. Die Regierung setzt alle festen Städte
auf den Kriegsfuß und man bereitet sich ans beiden Seiten wieder zum Kampfe
vor. Am 24. September kommt es im Distrikte von Uung-gau wieder zu einem
Zusammenstoße der Insurgenten mit den Kaiserliche» und diese werden neuerdings
geschlagen. Timee erobert Unng-gan-tschn, Hnenmon und die Departemeutalstadt
Pirg-lo. Die Rebellen benahmen sich jedoch höchst menschlich gegen die Bewohner
so wie sich ihre Truppen überhaupt im ganzen Verlaufe dieser Bewegung als
wohldisciplinirt erwiesen haben. Tim-te fordert die Bewohner der eroberten
Länder auf, ruhig ihren bisherigen Beschäftigungen fortzuleben, und denen, welche
seine Autorität nicht anerkennen wollen, wird gestattet, sich mit ihrem Vermögen
hinzuwenden, wo es ihnen beliebt. Sir ist immer in Kao-tscheu-su eingesperrt
und erschöpft sich in strategischen Erfindungen; er setzt einen Preis ans die Köpfe
von Tim-des Vater, von Tieutes geheimnißvollen Vertrauten, der den Ming
überall begleitet, und endlich von Tim-te selbst. Es will sich aber nichts zeigen.
Sir, dem die Zeit zu laug wird in seiner wohlgeschützten Feste, bietet den In¬
surgenten eine Summe von 300,000 Taels (baarer Thaler), wenn sie sich zurück¬
ziehe» und ihm erlauben wollten, sich nach Peking zu begeben. Die Rebellen
bleiben taub und dringen vorwärts. Mit Ausnahme der» Hauptstadt Kuei-lin
gibt es keine Städte, keinen Weiler mehr, der nicht ihrer Autorität gehorchte,
der Dynastie Ming Treue geschworen hätte.

Der Einnahme von Uuug-gan-tschu folgte jene von U-tschu-su in der Provinz
Canton. Ein Augenzeuge, welcher der Belagerung dieser Stadt beiwohnte, be>
hauptet, die Insurgenten bilden verschiedene Corps, die alle von unabhängigen
Generalen befehligt werden. Diese Behauptung wird durch folgende Proclamation
bestätigt:

„Wisse es v Volk, China gehört der Descendenz der alten Dynastie; seid


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/181>, abgerufen am 03.07.2024.