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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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ist derselbe Mandarin, welcher in Canton durch seinen Ueberfall der englischen
Opiumhändlcr und der Constscirnng des gesammten Opiumvorraths den für
China so unheilvollen Krieg mit den Engländern hervorgerufen. Mit der Rück-
berufung des alten Sir fällt eine Proclamation der Insurgenten zusammen, welche
verdient, hier mitgetheilt zu werden. Diese Proclamation beweist zugleich, daß
Tim-te die Bedeutung der Wiedereinsetzung eines fürchterlichen Charakters wie
Sir sehr wohl begriffen.

"Die Mandschu, welche seit zwei Jahrhunderten den chinesischen Thron erb¬
lich besitzen, stammen von einer kleinen fremden Völkerschaft ab. Mit Hilfe einer
kriegfertigeu Armee haben sie sich uuserer Schätze bemächtigt, unseres Bodens
und der Regierung unseres Landes. Dies beweist, daß, um daS Reich an sich
sich zu reißen, es sich nur darum handle, der Stärkere zu sein. Es ist also
keinerlei Unterschied zwischen uns, die wir die Dörfer besteuern, welche in unsere
Hände fallen und den Beamten der Pekinger Regierung, die auch Steuern erhe¬
ben. Was gut zu nehmen ist, ist auch gut zu behalten. Warum schickt man
also ohne irgend einen Grund Truppen gegen uns? Dies dünkt "us ganz unge¬
recht. Wie! Die Mandschu, welche Fremdlinge sind, haben das Recht, Steuern
in achtzehn Provinzen aufzuheben und Beamte zu ernennen, welche das Volk
unterdrücken, und uns Chinesen wäre verboten, einiges Geld ans dem öffentlichen
Vermögen in Anspruch zu nehmen! Die allgemeine Souveränetät kommt keinem
einzelnen mit Ausschluß aller andern zu, und mau hat nie eine Dynastie gese¬
hen, welche hundert Kaisergenerationen gezählt hatte. Das Recht zu regieren
ist der Besitz....."

Ueber diesen Fortschritten der Insurgenten geht das Jahr 1830 zu Ende
und der Schreck, der sich des Landes bemächtigte, fing auf die Handelsoperatio¬
nen des neuen Jahres an nachtheilig zu wirken. Das Jahr beginnt in China
im Februar und in diesem Monate gehen sämmtliche Liquidationen vor sich. Um
diese für den Wohlstand des Landes so wichtige Handelsoperationen zu retten,
verbreiteten die schlaue" Mandarine von Knäng-ton schon im Monate Januar
das Gerücht, die Revolution sei gänzlich besiegt, und unter dem Einflusse dieser
Nachrichten, die nach Canton gelangt waren, ging alles so ziemlich gut von
statten, doch konnte man sich nur zu bald'überzeugen, daß diese ofstcielleu Bot¬
schaften ganz ohne Grund gewesen. Die Rebellen waren nichts weniger als ge¬
schlagen, vielmehr gaben sie um eben diese Zeit einen Beweis, daß sie entschieden
der Dynastie Tsing an den Leib gehen wollten. Sie ließen sich nach altchmesischem
Brauche das Kopfhaar wachsen, legten den tartarischen Schang ab und zogen das
chinesische, vorn offene Kleid an. Diese Reform setzte den Hof von Peking in
nicht geringe Bestürzung, weil der rastrte Kopf und der Schweif in der Mitte


ist derselbe Mandarin, welcher in Canton durch seinen Ueberfall der englischen
Opiumhändlcr und der Constscirnng des gesammten Opiumvorraths den für
China so unheilvollen Krieg mit den Engländern hervorgerufen. Mit der Rück-
berufung des alten Sir fällt eine Proclamation der Insurgenten zusammen, welche
verdient, hier mitgetheilt zu werden. Diese Proclamation beweist zugleich, daß
Tim-te die Bedeutung der Wiedereinsetzung eines fürchterlichen Charakters wie
Sir sehr wohl begriffen.

„Die Mandschu, welche seit zwei Jahrhunderten den chinesischen Thron erb¬
lich besitzen, stammen von einer kleinen fremden Völkerschaft ab. Mit Hilfe einer
kriegfertigeu Armee haben sie sich uuserer Schätze bemächtigt, unseres Bodens
und der Regierung unseres Landes. Dies beweist, daß, um daS Reich an sich
sich zu reißen, es sich nur darum handle, der Stärkere zu sein. Es ist also
keinerlei Unterschied zwischen uns, die wir die Dörfer besteuern, welche in unsere
Hände fallen und den Beamten der Pekinger Regierung, die auch Steuern erhe¬
ben. Was gut zu nehmen ist, ist auch gut zu behalten. Warum schickt man
also ohne irgend einen Grund Truppen gegen uns? Dies dünkt »us ganz unge¬
recht. Wie! Die Mandschu, welche Fremdlinge sind, haben das Recht, Steuern
in achtzehn Provinzen aufzuheben und Beamte zu ernennen, welche das Volk
unterdrücken, und uns Chinesen wäre verboten, einiges Geld ans dem öffentlichen
Vermögen in Anspruch zu nehmen! Die allgemeine Souveränetät kommt keinem
einzelnen mit Ausschluß aller andern zu, und mau hat nie eine Dynastie gese¬
hen, welche hundert Kaisergenerationen gezählt hatte. Das Recht zu regieren
ist der Besitz....."

Ueber diesen Fortschritten der Insurgenten geht das Jahr 1830 zu Ende
und der Schreck, der sich des Landes bemächtigte, fing auf die Handelsoperatio¬
nen des neuen Jahres an nachtheilig zu wirken. Das Jahr beginnt in China
im Februar und in diesem Monate gehen sämmtliche Liquidationen vor sich. Um
diese für den Wohlstand des Landes so wichtige Handelsoperationen zu retten,
verbreiteten die schlaue» Mandarine von Knäng-ton schon im Monate Januar
das Gerücht, die Revolution sei gänzlich besiegt, und unter dem Einflusse dieser
Nachrichten, die nach Canton gelangt waren, ging alles so ziemlich gut von
statten, doch konnte man sich nur zu bald'überzeugen, daß diese ofstcielleu Bot¬
schaften ganz ohne Grund gewesen. Die Rebellen waren nichts weniger als ge¬
schlagen, vielmehr gaben sie um eben diese Zeit einen Beweis, daß sie entschieden
der Dynastie Tsing an den Leib gehen wollten. Sie ließen sich nach altchmesischem
Brauche das Kopfhaar wachsen, legten den tartarischen Schang ab und zogen das
chinesische, vorn offene Kleid an. Diese Reform setzte den Hof von Peking in
nicht geringe Bestürzung, weil der rastrte Kopf und der Schweif in der Mitte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/178>, abgerufen am 23.07.2024.