Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Südafrikanische Skizzen von Eduard Kretschmar. Leipzig, Hinrichs. --

Ein schönes n"d lehrreiches Buch, das uns das Lebe" des Captantes nach
allen Seiten hin ans das deutlichste vergegenwärtigt. Der Hauptzweck ist eine
methodische Belehrung, daß aher auch der Humor nicht fehlt, würde man aus
vielen einzelnen Geschichten sehen, unter denen wir namentlich auf die liebens¬
würdige Geschichte von der Expedition gegen die Buschmänner p. 317 aufmerk¬
sam machen. Da diese für n"s zu lang ist, theilen wir unsern Lesern eine Dar¬
stellung deö holländische" Pflanzerlebens mit. ---

"Ein schläsrigereS Wesen, als das des Schaf>üchtcrs und Viehbvors, ist wol
schwerlich zu finde". Kaum aus dem Bette, steckt der Boor die Pfeife in den
M""d und verschluckt eine Zovpie, nimmt den linken Fuß in die rechte Hand und
raucht ein Dutzend Pfeifen capschen Kanastcrs. schleudernd geht er dann nach
dem Vichkraale, während er von Zeit zu Zeit ein gewaltiges Hallol) nach Pick,
Jau ze., den Hirten, erschallen läßt, die, rexis ac> oxempl"r, in den Hütten bei
einem Häuflein Kohlen kauern und rauchen, bis der Baas (Herr) lebendig
wird. Dann wird das Bich gezählt und zur Weide weggetrieben, und alles
wird wieder still aus dem Gute. Pflug- und Erntezeit beschäftigt ihn nur aus¬
nahmsweise auf eine kurze Zeit, und wenn diese geschäftige Zeit vorbei ist, weiß
er nicht, womit er den Tag tvdtschlage" soll. Der Boor liest nicht; er hat nur
drei Bücher: die Bibel, das Gesangbuch und den Kalender. "Alle andern Bücher
sind Unsinn", hat ihn" der Pastor gesagt, "und mehr als in den drei Büchern
steht, hat ein Christenmensch nicht nöthig zu wissen; der Teufel ist listig mit aller
Gelehrsamkeit." Und so lernt er den Kalender auswendig, und singen und beten
kann er doch nicht den ganzen Tag. So nimmt er dann den linken Fuß wieder
in die rechte Hand und raucht zwölf andere Pfeifen; dann ißt er, dann schläft er,
dann raucht er wieder, dann spuckt er; dann -- variatio ÄLlsewt -- wetzt er
sein Taschenmesser an der Schuhsohle und schneidet kleine Riemchen oder Stückchen
Holz, eine interessante Beschäftigung, womit er sich stundenlang amüsiren kauu. I"
seiner Isolirung ans Nothwendigkeit schweigsam, speichert er seine Beredtsamkeit
aus bis zum nächsten Besuche eines Odins oder Neefs und glänzt dann ^n --
was die englischen Matrosen nennen KpmninK a. Mrn -- in der Erzählung so
entsetzlich langer umständlicher Geschichten, daß der geduldigste Philosoph aus der
Haut fahren würde. Wehe dem unglücklichen, ermüdeten Reisenden, dessen böser
Stern ihn Abends in das Haus eiues Booreu führt, dem es seit einiger Zeit
an Gelegenheit gebrach, sich seiner aufgestapelten Beredtsamkeit zu entledigen: einen
kurzen Kampf besteht er zwischen der Höflichkeit, dem Wirth ein aufmerksames
Ohr zu leihe" und zwischen der Allgewalt des Schlafes; aber Ermüdung, gepaart
mit dem Effecte der Erzählung, wird unwiderstehlich; er nickt, und mechanisch
öffnet sich nur noch sei" Mund und apprvbirt mit Ja, Jaja, bis endlich der Boor
des Neefs Ermüdung gewahrt. "Nees ist sehr müde; aber Nees wird sehen, wie


Südafrikanische Skizzen von Eduard Kretschmar. Leipzig, Hinrichs. —

Ein schönes n»d lehrreiches Buch, das uns das Lebe» des Captantes nach
allen Seiten hin ans das deutlichste vergegenwärtigt. Der Hauptzweck ist eine
methodische Belehrung, daß aher auch der Humor nicht fehlt, würde man aus
vielen einzelnen Geschichten sehen, unter denen wir namentlich auf die liebens¬
würdige Geschichte von der Expedition gegen die Buschmänner p. 317 aufmerk¬
sam machen. Da diese für n»s zu lang ist, theilen wir unsern Lesern eine Dar¬
stellung deö holländische» Pflanzerlebens mit. -—

„Ein schläsrigereS Wesen, als das des Schaf>üchtcrs und Viehbvors, ist wol
schwerlich zu finde». Kaum aus dem Bette, steckt der Boor die Pfeife in den
M»»d und verschluckt eine Zovpie, nimmt den linken Fuß in die rechte Hand und
raucht ein Dutzend Pfeifen capschen Kanastcrs. schleudernd geht er dann nach
dem Vichkraale, während er von Zeit zu Zeit ein gewaltiges Hallol) nach Pick,
Jau ze., den Hirten, erschallen läßt, die, rexis ac> oxempl»r, in den Hütten bei
einem Häuflein Kohlen kauern und rauchen, bis der Baas (Herr) lebendig
wird. Dann wird das Bich gezählt und zur Weide weggetrieben, und alles
wird wieder still aus dem Gute. Pflug- und Erntezeit beschäftigt ihn nur aus¬
nahmsweise auf eine kurze Zeit, und wenn diese geschäftige Zeit vorbei ist, weiß
er nicht, womit er den Tag tvdtschlage» soll. Der Boor liest nicht; er hat nur
drei Bücher: die Bibel, das Gesangbuch und den Kalender. „Alle andern Bücher
sind Unsinn", hat ihn« der Pastor gesagt, „und mehr als in den drei Büchern
steht, hat ein Christenmensch nicht nöthig zu wissen; der Teufel ist listig mit aller
Gelehrsamkeit." Und so lernt er den Kalender auswendig, und singen und beten
kann er doch nicht den ganzen Tag. So nimmt er dann den linken Fuß wieder
in die rechte Hand und raucht zwölf andere Pfeifen; dann ißt er, dann schläft er,
dann raucht er wieder, dann spuckt er; dann — variatio ÄLlsewt — wetzt er
sein Taschenmesser an der Schuhsohle und schneidet kleine Riemchen oder Stückchen
Holz, eine interessante Beschäftigung, womit er sich stundenlang amüsiren kauu. I»
seiner Isolirung ans Nothwendigkeit schweigsam, speichert er seine Beredtsamkeit
aus bis zum nächsten Besuche eines Odins oder Neefs und glänzt dann ^n —
was die englischen Matrosen nennen KpmninK a. Mrn — in der Erzählung so
entsetzlich langer umständlicher Geschichten, daß der geduldigste Philosoph aus der
Haut fahren würde. Wehe dem unglücklichen, ermüdeten Reisenden, dessen böser
Stern ihn Abends in das Haus eiues Booreu führt, dem es seit einiger Zeit
an Gelegenheit gebrach, sich seiner aufgestapelten Beredtsamkeit zu entledigen: einen
kurzen Kampf besteht er zwischen der Höflichkeit, dem Wirth ein aufmerksames
Ohr zu leihe» und zwischen der Allgewalt des Schlafes; aber Ermüdung, gepaart
mit dem Effecte der Erzählung, wird unwiderstehlich; er nickt, und mechanisch
öffnet sich nur noch sei» Mund und apprvbirt mit Ja, Jaja, bis endlich der Boor
des Neefs Ermüdung gewahrt. „Nees ist sehr müde; aber Nees wird sehen, wie


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0154" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96329"/>
          <p xml:id="ID_484"> Südafrikanische Skizzen von Eduard Kretschmar. Leipzig, Hinrichs. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_485"> Ein schönes n»d lehrreiches Buch, das uns das Lebe» des Captantes nach<lb/>
allen Seiten hin ans das deutlichste vergegenwärtigt. Der Hauptzweck ist eine<lb/>
methodische Belehrung, daß aher auch der Humor nicht fehlt, würde man aus<lb/>
vielen einzelnen Geschichten sehen, unter denen wir namentlich auf die liebens¬<lb/>
würdige Geschichte von der Expedition gegen die Buschmänner p. 317 aufmerk¬<lb/>
sam machen. Da diese für n»s zu lang ist, theilen wir unsern Lesern eine Dar¬<lb/>
stellung deö holländische» Pflanzerlebens mit. -&#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_486" next="#ID_487"> &#x201E;Ein schläsrigereS Wesen, als das des Schaf&gt;üchtcrs und Viehbvors, ist wol<lb/>
schwerlich zu finde». Kaum aus dem Bette, steckt der Boor die Pfeife in den<lb/>
M»»d und verschluckt eine Zovpie, nimmt den linken Fuß in die rechte Hand und<lb/>
raucht ein Dutzend Pfeifen capschen Kanastcrs. schleudernd geht er dann nach<lb/>
dem Vichkraale, während er von Zeit zu Zeit ein gewaltiges Hallol) nach Pick,<lb/>
Jau ze., den Hirten, erschallen läßt, die, rexis ac&gt; oxempl»r, in den Hütten bei<lb/>
einem Häuflein Kohlen kauern und rauchen, bis der Baas (Herr) lebendig<lb/>
wird. Dann wird das Bich gezählt und zur Weide weggetrieben, und alles<lb/>
wird wieder still aus dem Gute. Pflug- und Erntezeit beschäftigt ihn nur aus¬<lb/>
nahmsweise auf eine kurze Zeit, und wenn diese geschäftige Zeit vorbei ist, weiß<lb/>
er nicht, womit er den Tag tvdtschlage» soll. Der Boor liest nicht; er hat nur<lb/>
drei Bücher: die Bibel, das Gesangbuch und den Kalender. &#x201E;Alle andern Bücher<lb/>
sind Unsinn", hat ihn« der Pastor gesagt, &#x201E;und mehr als in den drei Büchern<lb/>
steht, hat ein Christenmensch nicht nöthig zu wissen; der Teufel ist listig mit aller<lb/>
Gelehrsamkeit." Und so lernt er den Kalender auswendig, und singen und beten<lb/>
kann er doch nicht den ganzen Tag. So nimmt er dann den linken Fuß wieder<lb/>
in die rechte Hand und raucht zwölf andere Pfeifen; dann ißt er, dann schläft er,<lb/>
dann raucht er wieder, dann spuckt er; dann &#x2014; variatio ÄLlsewt &#x2014; wetzt er<lb/>
sein Taschenmesser an der Schuhsohle und schneidet kleine Riemchen oder Stückchen<lb/>
Holz, eine interessante Beschäftigung, womit er sich stundenlang amüsiren kauu. I»<lb/>
seiner Isolirung ans Nothwendigkeit schweigsam, speichert er seine Beredtsamkeit<lb/>
aus bis zum nächsten Besuche eines Odins oder Neefs und glänzt dann ^n &#x2014;<lb/>
was die englischen Matrosen nennen KpmninK a. Mrn &#x2014; in der Erzählung so<lb/>
entsetzlich langer umständlicher Geschichten, daß der geduldigste Philosoph aus der<lb/>
Haut fahren würde. Wehe dem unglücklichen, ermüdeten Reisenden, dessen böser<lb/>
Stern ihn Abends in das Haus eiues Booreu führt, dem es seit einiger Zeit<lb/>
an Gelegenheit gebrach, sich seiner aufgestapelten Beredtsamkeit zu entledigen: einen<lb/>
kurzen Kampf besteht er zwischen der Höflichkeit, dem Wirth ein aufmerksames<lb/>
Ohr zu leihe» und zwischen der Allgewalt des Schlafes; aber Ermüdung, gepaart<lb/>
mit dem Effecte der Erzählung, wird unwiderstehlich; er nickt, und mechanisch<lb/>
öffnet sich nur noch sei» Mund und apprvbirt mit Ja, Jaja, bis endlich der Boor<lb/>
des Neefs Ermüdung gewahrt. &#x201E;Nees ist sehr müde; aber Nees wird sehen, wie</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0154] Südafrikanische Skizzen von Eduard Kretschmar. Leipzig, Hinrichs. — Ein schönes n»d lehrreiches Buch, das uns das Lebe» des Captantes nach allen Seiten hin ans das deutlichste vergegenwärtigt. Der Hauptzweck ist eine methodische Belehrung, daß aher auch der Humor nicht fehlt, würde man aus vielen einzelnen Geschichten sehen, unter denen wir namentlich auf die liebens¬ würdige Geschichte von der Expedition gegen die Buschmänner p. 317 aufmerk¬ sam machen. Da diese für n»s zu lang ist, theilen wir unsern Lesern eine Dar¬ stellung deö holländische» Pflanzerlebens mit. -— „Ein schläsrigereS Wesen, als das des Schaf>üchtcrs und Viehbvors, ist wol schwerlich zu finde». Kaum aus dem Bette, steckt der Boor die Pfeife in den M»»d und verschluckt eine Zovpie, nimmt den linken Fuß in die rechte Hand und raucht ein Dutzend Pfeifen capschen Kanastcrs. schleudernd geht er dann nach dem Vichkraale, während er von Zeit zu Zeit ein gewaltiges Hallol) nach Pick, Jau ze., den Hirten, erschallen läßt, die, rexis ac> oxempl»r, in den Hütten bei einem Häuflein Kohlen kauern und rauchen, bis der Baas (Herr) lebendig wird. Dann wird das Bich gezählt und zur Weide weggetrieben, und alles wird wieder still aus dem Gute. Pflug- und Erntezeit beschäftigt ihn nur aus¬ nahmsweise auf eine kurze Zeit, und wenn diese geschäftige Zeit vorbei ist, weiß er nicht, womit er den Tag tvdtschlage» soll. Der Boor liest nicht; er hat nur drei Bücher: die Bibel, das Gesangbuch und den Kalender. „Alle andern Bücher sind Unsinn", hat ihn« der Pastor gesagt, „und mehr als in den drei Büchern steht, hat ein Christenmensch nicht nöthig zu wissen; der Teufel ist listig mit aller Gelehrsamkeit." Und so lernt er den Kalender auswendig, und singen und beten kann er doch nicht den ganzen Tag. So nimmt er dann den linken Fuß wieder in die rechte Hand und raucht zwölf andere Pfeifen; dann ißt er, dann schläft er, dann raucht er wieder, dann spuckt er; dann — variatio ÄLlsewt — wetzt er sein Taschenmesser an der Schuhsohle und schneidet kleine Riemchen oder Stückchen Holz, eine interessante Beschäftigung, womit er sich stundenlang amüsiren kauu. I» seiner Isolirung ans Nothwendigkeit schweigsam, speichert er seine Beredtsamkeit aus bis zum nächsten Besuche eines Odins oder Neefs und glänzt dann ^n — was die englischen Matrosen nennen KpmninK a. Mrn — in der Erzählung so entsetzlich langer umständlicher Geschichten, daß der geduldigste Philosoph aus der Haut fahren würde. Wehe dem unglücklichen, ermüdeten Reisenden, dessen böser Stern ihn Abends in das Haus eiues Booreu führt, dem es seit einiger Zeit an Gelegenheit gebrach, sich seiner aufgestapelten Beredtsamkeit zu entledigen: einen kurzen Kampf besteht er zwischen der Höflichkeit, dem Wirth ein aufmerksames Ohr zu leihe» und zwischen der Allgewalt des Schlafes; aber Ermüdung, gepaart mit dem Effecte der Erzählung, wird unwiderstehlich; er nickt, und mechanisch öffnet sich nur noch sei» Mund und apprvbirt mit Ja, Jaja, bis endlich der Boor des Neefs Ermüdung gewahrt. „Nees ist sehr müde; aber Nees wird sehen, wie

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/154
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/154>, abgerufen am 03.07.2024.