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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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will der Kaiser nicht!" -- Im botanischen Garten verlangte er einst mehr
Symmetrie, ließ sich aber einigermaßen beruhigen, als man ihm sagte, die
Pflanzen seien nach Familien geordnet. Bei einem Besuche des zoologischen
Cabinets vermißte er auch die Ordnung, die er als Militär gewohnt war, aber
mehr noch nahm er Anstoß, daß der Strauß, der so häßliche Beine habe, zu
sehr in den Vordergrund gestellt sei. Der interimistische Director des Cabinets,
der nicht leicht einen guten Witz zurückhält, auch wo er ihm schaden muß, bemerkte,
daß denn doch wol dem Längsten der erste Platz gebühre und setzte hinzu: "Ich
kann ja zum Schneider schicken und dem Strauß Hosen anmessen lassen; befehlen
Ew. Excellenz rothe oder weiße?" Grimmblickeud verließ der Curator das Cabinet,
und da er bei seiner edlen Natur, wie er sich selbst rühmt, nie verzeiht, hat er
sich an dem respectwidrig Witzigen in mannigfacher Weise gerächt. Es ist jedoch,
wie zur Ehre der Wahrheit bemerkt werden muß, der Curator K. in diesem
Genre von Geschichten von andern russischen Universitätsgeneralcu übertroffen
worden. Vor reichlich 20 Jahren kam nach Kasan der neue Curator, General M.,
und besuchte bald nach seiner Ankunft die Anstalten der Universität. In dem
anatomischen Museum sah er menschliche Embryonen, Mißgeburten und mancherlei
Menschenstücke. Das erschien dem fromme" Mauii so profan, daß er befahl, den
ganzen Apparat ans der Stelle zu beerdigen; ein russischer Pope mußte vorher
mit seinem Quast geweihtes Wasser darüber spritzen. Dem Professor der Anato¬
mie F. blieb nichts übrig, als in seinen Vorlesungen die Knochen an die Tafel
zu zeichnen und die Eingeweide, so gut es ging, mit seinem seidnen Schnupftuch
nachzubilden, denn Affen, die der alte Galen als anatomisches Surrogat
gebrauchte, gab es in Kasan nicht." --

Noch eine amüsante Anekdote ans dem Studentenleben fügen wir hinzu.--
"Bei der Disciplin wurde namentlich darauf gesehen, daß die Studenten stets in
ihrer Uniform erschienen. Ganz kürzlich wurde ein polnischer Student mit bunten
nniformwidrigeu Beinkleidern abgefaßt und vom Pedell ,,im Namen deö Gesetzes"
zum Rector citirt. Dieser hielt ihm nun eine lange Standrede, deducirte ihm,
daß das Tragen der Uniform nicht eine äußere Form sei, sondern als Ausführung
des kaiserliche" Willens eine ticffittliche Forderung, und kündigte ihm Carcerstrafe
an. Der junge Maun erwiderte in sehr mangelhaftem Deutsch, daß er arm sei
und nur ein Paar Uniformbeinkleider habe, die vom Schneider geflickt würden.
Der leicht zu erweichende Rector verkündigte ihm darauf: Junger Mann , ich
verzeihe Ihnen dieses Mal, aber es haftet ein Schandfleck an Ihnen! Nach
einigen Tagen wurde der junge Pole wieder mit den bunten Unflüsterbaren
abgefaßt und zum Rector geführt, der ihn nun ganz summarisch zum Carcer
condemnirte. Gerührt bat aber der Student: "Magnificenz, lieber noch einen
Schandfleck!" --


Grenzlwten. III. 1833. 19

will der Kaiser nicht!" — Im botanischen Garten verlangte er einst mehr
Symmetrie, ließ sich aber einigermaßen beruhigen, als man ihm sagte, die
Pflanzen seien nach Familien geordnet. Bei einem Besuche des zoologischen
Cabinets vermißte er auch die Ordnung, die er als Militär gewohnt war, aber
mehr noch nahm er Anstoß, daß der Strauß, der so häßliche Beine habe, zu
sehr in den Vordergrund gestellt sei. Der interimistische Director des Cabinets,
der nicht leicht einen guten Witz zurückhält, auch wo er ihm schaden muß, bemerkte,
daß denn doch wol dem Längsten der erste Platz gebühre und setzte hinzu: „Ich
kann ja zum Schneider schicken und dem Strauß Hosen anmessen lassen; befehlen
Ew. Excellenz rothe oder weiße?" Grimmblickeud verließ der Curator das Cabinet,
und da er bei seiner edlen Natur, wie er sich selbst rühmt, nie verzeiht, hat er
sich an dem respectwidrig Witzigen in mannigfacher Weise gerächt. Es ist jedoch,
wie zur Ehre der Wahrheit bemerkt werden muß, der Curator K. in diesem
Genre von Geschichten von andern russischen Universitätsgeneralcu übertroffen
worden. Vor reichlich 20 Jahren kam nach Kasan der neue Curator, General M.,
und besuchte bald nach seiner Ankunft die Anstalten der Universität. In dem
anatomischen Museum sah er menschliche Embryonen, Mißgeburten und mancherlei
Menschenstücke. Das erschien dem fromme» Mauii so profan, daß er befahl, den
ganzen Apparat ans der Stelle zu beerdigen; ein russischer Pope mußte vorher
mit seinem Quast geweihtes Wasser darüber spritzen. Dem Professor der Anato¬
mie F. blieb nichts übrig, als in seinen Vorlesungen die Knochen an die Tafel
zu zeichnen und die Eingeweide, so gut es ging, mit seinem seidnen Schnupftuch
nachzubilden, denn Affen, die der alte Galen als anatomisches Surrogat
gebrauchte, gab es in Kasan nicht." —

Noch eine amüsante Anekdote ans dem Studentenleben fügen wir hinzu.—
„Bei der Disciplin wurde namentlich darauf gesehen, daß die Studenten stets in
ihrer Uniform erschienen. Ganz kürzlich wurde ein polnischer Student mit bunten
nniformwidrigeu Beinkleidern abgefaßt und vom Pedell ,,im Namen deö Gesetzes"
zum Rector citirt. Dieser hielt ihm nun eine lange Standrede, deducirte ihm,
daß das Tragen der Uniform nicht eine äußere Form sei, sondern als Ausführung
des kaiserliche» Willens eine ticffittliche Forderung, und kündigte ihm Carcerstrafe
an. Der junge Maun erwiderte in sehr mangelhaftem Deutsch, daß er arm sei
und nur ein Paar Uniformbeinkleider habe, die vom Schneider geflickt würden.
Der leicht zu erweichende Rector verkündigte ihm darauf: Junger Mann , ich
verzeihe Ihnen dieses Mal, aber es haftet ein Schandfleck an Ihnen! Nach
einigen Tagen wurde der junge Pole wieder mit den bunten Unflüsterbaren
abgefaßt und zum Rector geführt, der ihn nun ganz summarisch zum Carcer
condemnirte. Gerührt bat aber der Student: „Magnificenz, lieber noch einen
Schandfleck!" —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/153>, abgerufen am 03.07.2024.