Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.dem bisherigen Freunde: Höre, mit unsrer bisherigen Freundschaft ist es aus, du dem bisherigen Freunde: Höre, mit unsrer bisherigen Freundschaft ist es aus, du <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0152" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96327"/> <p xml:id="ID_481" prev="#ID_480" next="#ID_482"> dem bisherigen Freunde: Höre, mit unsrer bisherigen Freundschaft ist es aus, du<lb/> bist ein Schuft!" Das ist russische Loyalität. — Hieran reiht sich eine andere<lb/> Geschichte, die nicht lauge vorher passirte. Im Universitätsgericht zu Dorpat<lb/> war ein tüchtiger Secretär, der auf die vacant gewordene Stelle eines Syndicus<lb/> aspirirte und seiner Tüchtigkeit wegen von der Universität, die für die genannte<lb/> Stelle vorzustellen hatte, begünstigt wurde. Das war für den Kurator ein<lb/> Grund, ihn nicht zu begünstige». Er ließ einen andern jungen Mann zu sich<lb/> kommen und offerirte ihm das Syndicat, war aber ganz erstaunt, als dieser<lb/> ablehnte mit dem Bemerken, daß er zwar sehr danke für das geschenkte Vertrauen,<lb/> aber nicht mit S., dem Secretär des Uuiversttätsgerichts, concurriren könne, da<lb/> dieser sein Freund und Landsmann sei und eine Familie zu ernähren habe.<lb/> Statt sich über dieses edle Benehmen zu freuen, fuhr ihn der Kurator an : „Was,<lb/> Sie wollen die Stelle nicht, weil S. Ihr Freund ist, das ist Communismus,<lb/> solche Leute schickt der Kaiser nach Sibirien."— Bei seinem ersten Auftreten in<lb/> Dorpat that er ganz bescheiden und erklärte, daß er sich nicht in wissenschaftliche<lb/> Angelegenheiten mischen könne, sondern nur berufen sei, die Ordnung der Uni¬<lb/> versität zu überwachen. Er ließ damals die Studenten in der Aula zusammen¬<lb/> kommen, und ermahnte sie unter andern „keinen Schatten zu werfen" und „nicht<lb/> anzustoßen". Ein andres Mal, als ihn die Studenten um seine NichtVerhinderung<lb/> der Errichtung eines Leseinstituts baten, fragte er, was sie denn dort lesen<lb/> wollten, und auf die Autwort, daß sie zunächst nur einige Zeitungen wünschte,,,<lb/> erwiderte er väterlich-ernst: „Nein, hören Sie, Zeitungslesen bringt ans dem<lb/> Zusammenhang und macht dumm; das muß ich wissen." Bald fühlte er, daß<lb/> er in der Luft der gelehrten Welt wunderbar an Weisheit zunehme und urtheilte<lb/> uun über Wissenschaft und Gelehrte als Eingeweihter. Als im Jahr ein<lb/> Professor des römischen Rechts von Deutschland nach Dorpat berufen war, gefiel<lb/> es ihm übermäßig, daß unter dessen Werken sich ein großer Quartband, die<lb/> Ausgabe der Novellen Justinians, befand, denn er schätzt die Bücher nach Größe<lb/> und Gewicht; auch hatte er gehört, daß jeuer Professor ein guter Philolog sei.<lb/> Da sagte er dem, bei einem Diner mit Würde: „Jetzt bekommen wir einen<lb/> pathologischen Juristen!" Vor einigen Jahren hatte er einen sehr ausgezeich¬<lb/> neten Lehrer in Pernau in Affection genommen, und derselbe wurde zum Lector<lb/> der deutscheu Sprache an der Universität Dorpat gewählt. Als dieser nun schon<lb/> einige Zeit in seiner neuen Stellung gewirkt hatte, wurde eines Abends bei einem<lb/> curatorischcu Thee über ihn gesprochen. Die curatorischen Satelliten, in dem<lb/> Glauben ihrem Herrn und Meister sich dadurch angenehm zu machen, priesen den<lb/> neue» Lector, und einer derselben hob hervor, daß derselbe nicht mir sehr<lb/> wissenschaftlich gebildet, sondern auch sehr strebsam sei. Der kam aber übel an,<lb/> denn der Alte erhub seine Stimme und rief aus: „Was hat der zu streben, er<lb/> hat ja eine Stelle; das sind unruhige Köpfe, die dann noch streben, und die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0152]
dem bisherigen Freunde: Höre, mit unsrer bisherigen Freundschaft ist es aus, du
bist ein Schuft!" Das ist russische Loyalität. — Hieran reiht sich eine andere
Geschichte, die nicht lauge vorher passirte. Im Universitätsgericht zu Dorpat
war ein tüchtiger Secretär, der auf die vacant gewordene Stelle eines Syndicus
aspirirte und seiner Tüchtigkeit wegen von der Universität, die für die genannte
Stelle vorzustellen hatte, begünstigt wurde. Das war für den Kurator ein
Grund, ihn nicht zu begünstige». Er ließ einen andern jungen Mann zu sich
kommen und offerirte ihm das Syndicat, war aber ganz erstaunt, als dieser
ablehnte mit dem Bemerken, daß er zwar sehr danke für das geschenkte Vertrauen,
aber nicht mit S., dem Secretär des Uuiversttätsgerichts, concurriren könne, da
dieser sein Freund und Landsmann sei und eine Familie zu ernähren habe.
Statt sich über dieses edle Benehmen zu freuen, fuhr ihn der Kurator an : „Was,
Sie wollen die Stelle nicht, weil S. Ihr Freund ist, das ist Communismus,
solche Leute schickt der Kaiser nach Sibirien."— Bei seinem ersten Auftreten in
Dorpat that er ganz bescheiden und erklärte, daß er sich nicht in wissenschaftliche
Angelegenheiten mischen könne, sondern nur berufen sei, die Ordnung der Uni¬
versität zu überwachen. Er ließ damals die Studenten in der Aula zusammen¬
kommen, und ermahnte sie unter andern „keinen Schatten zu werfen" und „nicht
anzustoßen". Ein andres Mal, als ihn die Studenten um seine NichtVerhinderung
der Errichtung eines Leseinstituts baten, fragte er, was sie denn dort lesen
wollten, und auf die Autwort, daß sie zunächst nur einige Zeitungen wünschte,,,
erwiderte er väterlich-ernst: „Nein, hören Sie, Zeitungslesen bringt ans dem
Zusammenhang und macht dumm; das muß ich wissen." Bald fühlte er, daß
er in der Luft der gelehrten Welt wunderbar an Weisheit zunehme und urtheilte
uun über Wissenschaft und Gelehrte als Eingeweihter. Als im Jahr ein
Professor des römischen Rechts von Deutschland nach Dorpat berufen war, gefiel
es ihm übermäßig, daß unter dessen Werken sich ein großer Quartband, die
Ausgabe der Novellen Justinians, befand, denn er schätzt die Bücher nach Größe
und Gewicht; auch hatte er gehört, daß jeuer Professor ein guter Philolog sei.
Da sagte er dem, bei einem Diner mit Würde: „Jetzt bekommen wir einen
pathologischen Juristen!" Vor einigen Jahren hatte er einen sehr ausgezeich¬
neten Lehrer in Pernau in Affection genommen, und derselbe wurde zum Lector
der deutscheu Sprache an der Universität Dorpat gewählt. Als dieser nun schon
einige Zeit in seiner neuen Stellung gewirkt hatte, wurde eines Abends bei einem
curatorischcu Thee über ihn gesprochen. Die curatorischen Satelliten, in dem
Glauben ihrem Herrn und Meister sich dadurch angenehm zu machen, priesen den
neue» Lector, und einer derselben hob hervor, daß derselbe nicht mir sehr
wissenschaftlich gebildet, sondern auch sehr strebsam sei. Der kam aber übel an,
denn der Alte erhub seine Stimme und rief aus: „Was hat der zu streben, er
hat ja eine Stelle; das sind unruhige Köpfe, die dann noch streben, und die
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