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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Antipathien und Sympathien sogar bis in diese Räume erstrecken. Auf Anders
frühere Gastspiele sind jetzt die Johanna Wagners gefolgt. Eine Partei, die sich
-- wir wissen nicht warum -- gern als "östreichisch" bezeichnet, sucht nun die
Vorzüge der ,,k. preußischen Kammer- und Hofopernsängerin" möglichst zu ver¬
kleinern. Jsts auch nur ein Curiosum, so gehörts doch mit zur Tagesgeschichte.




Reifeliteratur.

Briefe aus Italien. Von Adolph Helfserich. 3. Bd. Neapel und Sicilien
im Jahr 1850. Leipzig. Hinrichs. ^--

Wir haben die beiden ersten.Bände dieses interessanten Werks seiner Zeit
angezeigt. Der dritte, gleichfalls ans Korrespondenz-Artikeln der A. A. Z. mit
Auswahl zusammengesetzt, enthält eine lebhafte und anschauliche Schilderung jenes
abscheulichen Bürgerkrieges, bei dem wir wohl zweifeln konnten, ob wir inner¬
halb der berühmten Civilisation des neunzehnten Jahrhunderts lebten. --

Nordische Bilder. Von Eduard Osenbrüggen. Leipzig, Hinrichs. --

Es sind vermischte Skizzen ans dem Leben der russischen Ostseeprovinzen, die uns
manche neue, abscheuliche Anschauung geben. Ueber den Ton der Schrift werden
unsre Leser am besten urtheilen können, wenn wir ihnen einige Anekdoten vom
General Kraffström mittheilen, der 1836 zum Curator der Universität Dorpat
erwählt wurde. -- "Wie seine russische Loyalität beschaffen ist. zeigt deutlich
folgende Geschichte aus neuester Zeit. Als im Sommer -I8S1 einem aus einer
Ferienreise abwesenden Professor bei nächtlicher Weile seine Papiere polizeilich
weggenommen waren, begab sich der Curator am folgenden Tage in das Haus
der Schwiegereltern des Professors, um eine Cvndolcnzvifite zu machen. Er traf
nur die Dame vom Hause und sprach sich gegen sie darüber aus, wie schlimm
es wäre, wenn man in seiner Correspondenz nicht die gehörige Vorsicht beobachte.
Die würdige Dame erwiderte, daß sie überzeugt sei, ihr Schwiegersohn habe
keine gefährliche Korrespondenz gehabt, und fügte in ihrer schwiegermütterlichen
Eitelkeit hinzu, man würde etwas ganz anderes in den convasirten Briefen finden,
als mau suche, nämlich wie ihr Schwiegersohn sich in wenigen Jahren im Lande
seiner Wirksamkeit habe beliebt zu machen gewußt. "Aber, gnädige Fran, er¬
widerte der General der Universität, ein Beamter soll sich nicht beliebt machen,
das will der Kaiser nicht; ich bin auch uicht beliebt. Sie sagen, Ihr Schwieger¬
sohn sei ein Freund von N. N. und habe deshalb mit N. N. correspondirt, aber
der Kaiser liebt N. N. nicht. Wenn ich einen Freund habe und der Kaiser sagt
mir, ich dürfe mit dem Freunde nicht länger verkehren, so gehe ich hin und sage


Antipathien und Sympathien sogar bis in diese Räume erstrecken. Auf Anders
frühere Gastspiele sind jetzt die Johanna Wagners gefolgt. Eine Partei, die sich
— wir wissen nicht warum — gern als „östreichisch" bezeichnet, sucht nun die
Vorzüge der ,,k. preußischen Kammer- und Hofopernsängerin" möglichst zu ver¬
kleinern. Jsts auch nur ein Curiosum, so gehörts doch mit zur Tagesgeschichte.




Reifeliteratur.

Briefe aus Italien. Von Adolph Helfserich. 3. Bd. Neapel und Sicilien
im Jahr 1850. Leipzig. Hinrichs. ^—

Wir haben die beiden ersten.Bände dieses interessanten Werks seiner Zeit
angezeigt. Der dritte, gleichfalls ans Korrespondenz-Artikeln der A. A. Z. mit
Auswahl zusammengesetzt, enthält eine lebhafte und anschauliche Schilderung jenes
abscheulichen Bürgerkrieges, bei dem wir wohl zweifeln konnten, ob wir inner¬
halb der berühmten Civilisation des neunzehnten Jahrhunderts lebten. —

Nordische Bilder. Von Eduard Osenbrüggen. Leipzig, Hinrichs. —

Es sind vermischte Skizzen ans dem Leben der russischen Ostseeprovinzen, die uns
manche neue, abscheuliche Anschauung geben. Ueber den Ton der Schrift werden
unsre Leser am besten urtheilen können, wenn wir ihnen einige Anekdoten vom
General Kraffström mittheilen, der 1836 zum Curator der Universität Dorpat
erwählt wurde. — „Wie seine russische Loyalität beschaffen ist. zeigt deutlich
folgende Geschichte aus neuester Zeit. Als im Sommer -I8S1 einem aus einer
Ferienreise abwesenden Professor bei nächtlicher Weile seine Papiere polizeilich
weggenommen waren, begab sich der Curator am folgenden Tage in das Haus
der Schwiegereltern des Professors, um eine Cvndolcnzvifite zu machen. Er traf
nur die Dame vom Hause und sprach sich gegen sie darüber aus, wie schlimm
es wäre, wenn man in seiner Correspondenz nicht die gehörige Vorsicht beobachte.
Die würdige Dame erwiderte, daß sie überzeugt sei, ihr Schwiegersohn habe
keine gefährliche Korrespondenz gehabt, und fügte in ihrer schwiegermütterlichen
Eitelkeit hinzu, man würde etwas ganz anderes in den convasirten Briefen finden,
als mau suche, nämlich wie ihr Schwiegersohn sich in wenigen Jahren im Lande
seiner Wirksamkeit habe beliebt zu machen gewußt. „Aber, gnädige Fran, er¬
widerte der General der Universität, ein Beamter soll sich nicht beliebt machen,
das will der Kaiser nicht; ich bin auch uicht beliebt. Sie sagen, Ihr Schwieger¬
sohn sei ein Freund von N. N. und habe deshalb mit N. N. correspondirt, aber
der Kaiser liebt N. N. nicht. Wenn ich einen Freund habe und der Kaiser sagt
mir, ich dürfe mit dem Freunde nicht länger verkehren, so gehe ich hin und sage


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/151>, abgerufen am 22.07.2024.