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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Staaten dadurch ihrer pecuniären Verpflichtungen für die Flotte nicht entbun¬
den. Jene Matriknlarrestc für die Bundesflotte sind aber so bedeutend, daß ihr
Betrag selbst zum Bau jener verschanzten Lager hinreichen würde. Dagegen
würde bei einer allgemeinen Anlage zu diesem Behufe Norddeutschland für ein
und denselben Zweck doppelt zahlen, wahrend Oestreich und seine speciellen Alliir-
ten nicht nur dafür einfach gezahlt hätten, sondern auch von den Flottenbeiträgen
dispensirt wären.

In gewisser Art hängt mit der süddeutschen BundeSfestungssrage auch der
Antrag Oestreichs auf Verwandlung der Bnndesmililärcommissiou in eine technische
Behörde zusammen. Jene besteht bekanntlich als berathende Behörde aus sechs
Mitgliedern; die technische Commission soll dagegen eine vorläufig noch ziemlich
unklare Stellung erhalten und aus 7 Mitgliedern bestehen. Nach der Zusammen¬
setzung, welche die Bundesarmeecorps haben, laßt sich voraussehen, daß Nord¬
deutschland darin in die Minderheit kommen würde. Und überdies, wer würde
über die Vorschläge und Anträge dieser Commission zu entscheiden haben? Der
Bundestag? Dies scheint vor der Hand sehr fraglich. Ein engerer Ausschuß
der Commission? Seine Wahl würde wieder vou der Mehrheit der Commission
abhängen.--voraussichtlich wird diese Angelegenheit noch lange Wege zu machen
haben, ehe sie zu einem Abschlüsse gedeiht. Aber unter die Hinderungen langer
Bundesferien gehört sie trotzdem.

Ueber all diesen Fericnhindcrungcn habe" wir beinahe Frankfurt vergessen.
Es ist trotz des Sommers einigermaßen mißlaunig. Der Börseuhaudel geht der
orientalischen Wirrungen halber flau, der Kleinhandel klagt über den Mangel der
Fremden, wie alle umliegenden Badeorte, und das Publicum klagt über das Stei¬
gen der Lebensmittelpreise. Eine Taxe würde die Leser der Grenzboten lang¬
weilen; sie müssen die Versicherung hinnehme", daß wirklich schou der kleinste
Haushalt diese Aufschläge empfindet. Der hiesige innungsartige Schutz aller Ver¬
käufer ist übrigens ganz dazu angethan, dem Publicum zwar jede Vertheuerung
des Lebens augenblicklich, jede Verwvhlfeiluug aber erst sehr -spät genießen zu
lassen. ES gibt nirgends so theuere Handwerker, als in Frankfurt; und sie,
wissen vortrefflich zusammenzuhalten. Auch die tägliche Zeitungsnahrung müssen
wir seit dem 1. Juli theuer bezahlen, da jetzt jedes Blatt einem Stempel
unterliegt. Trotzdem ist das schon einmal aus Frankfurt vertriebene Volksblatt
der demokratischen Partei, nachdem es auch in Hessen am ferneren Erscheinen
verhindert worden ist, von neuem als "Volksfreund" auferstanden. Sein Proö-
perircu möchten wir bezweifeln, wenn es die bisherige rusticale Form nicht ab¬
streift; von Einfluß wars schou seit seinem Frankfurter Tode nicht mehr. -- Soll
ich nun auch noch vom Theater sprechen? Sogar die hiesigen Localblätter wissen
an der jetzigen Directious- und Regieführung nichts zu lobci? -- das will viel
heißen. Als Curiosum darf aber doch nicht unbemerkt bleiben, daß sich politische


Staaten dadurch ihrer pecuniären Verpflichtungen für die Flotte nicht entbun¬
den. Jene Matriknlarrestc für die Bundesflotte sind aber so bedeutend, daß ihr
Betrag selbst zum Bau jener verschanzten Lager hinreichen würde. Dagegen
würde bei einer allgemeinen Anlage zu diesem Behufe Norddeutschland für ein
und denselben Zweck doppelt zahlen, wahrend Oestreich und seine speciellen Alliir-
ten nicht nur dafür einfach gezahlt hätten, sondern auch von den Flottenbeiträgen
dispensirt wären.

In gewisser Art hängt mit der süddeutschen BundeSfestungssrage auch der
Antrag Oestreichs auf Verwandlung der Bnndesmililärcommissiou in eine technische
Behörde zusammen. Jene besteht bekanntlich als berathende Behörde aus sechs
Mitgliedern; die technische Commission soll dagegen eine vorläufig noch ziemlich
unklare Stellung erhalten und aus 7 Mitgliedern bestehen. Nach der Zusammen¬
setzung, welche die Bundesarmeecorps haben, laßt sich voraussehen, daß Nord¬
deutschland darin in die Minderheit kommen würde. Und überdies, wer würde
über die Vorschläge und Anträge dieser Commission zu entscheiden haben? Der
Bundestag? Dies scheint vor der Hand sehr fraglich. Ein engerer Ausschuß
der Commission? Seine Wahl würde wieder vou der Mehrheit der Commission
abhängen.—voraussichtlich wird diese Angelegenheit noch lange Wege zu machen
haben, ehe sie zu einem Abschlüsse gedeiht. Aber unter die Hinderungen langer
Bundesferien gehört sie trotzdem.

Ueber all diesen Fericnhindcrungcn habe» wir beinahe Frankfurt vergessen.
Es ist trotz des Sommers einigermaßen mißlaunig. Der Börseuhaudel geht der
orientalischen Wirrungen halber flau, der Kleinhandel klagt über den Mangel der
Fremden, wie alle umliegenden Badeorte, und das Publicum klagt über das Stei¬
gen der Lebensmittelpreise. Eine Taxe würde die Leser der Grenzboten lang¬
weilen; sie müssen die Versicherung hinnehme«, daß wirklich schou der kleinste
Haushalt diese Aufschläge empfindet. Der hiesige innungsartige Schutz aller Ver¬
käufer ist übrigens ganz dazu angethan, dem Publicum zwar jede Vertheuerung
des Lebens augenblicklich, jede Verwvhlfeiluug aber erst sehr -spät genießen zu
lassen. ES gibt nirgends so theuere Handwerker, als in Frankfurt; und sie,
wissen vortrefflich zusammenzuhalten. Auch die tägliche Zeitungsnahrung müssen
wir seit dem 1. Juli theuer bezahlen, da jetzt jedes Blatt einem Stempel
unterliegt. Trotzdem ist das schon einmal aus Frankfurt vertriebene Volksblatt
der demokratischen Partei, nachdem es auch in Hessen am ferneren Erscheinen
verhindert worden ist, von neuem als „Volksfreund" auferstanden. Sein Proö-
perircu möchten wir bezweifeln, wenn es die bisherige rusticale Form nicht ab¬
streift; von Einfluß wars schou seit seinem Frankfurter Tode nicht mehr. — Soll
ich nun auch noch vom Theater sprechen? Sogar die hiesigen Localblätter wissen
an der jetzigen Directious- und Regieführung nichts zu lobci? — das will viel
heißen. Als Curiosum darf aber doch nicht unbemerkt bleiben, daß sich politische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/150>, abgerufen am 03.07.2024.