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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Bundestag wenig Lust gezeigt hatte, Oestreich seiner bundesmäßigen Zahlungs¬
pflichten aus jenen Jahren zu entbinden, deshalb den preußischen Antrag einer
Specialliqnidation einstimmig genehmigte -- da meldete Oestreich in der Sitzung
vom 14. April jene Millionen als wirkliche Forderung an. Ja, es behielt sich
sogar nähere Nachweise zu eventuelle" Nachforderungen vor. . Also sollen allerdings
die deutscheu Steuerpflichtigen die Schlachte" von Temesvar und Novara, ja viel¬
leicht selbst die russischen Hilfsheere von Vilagos bezahlen, obgleich Oestreich dem
Bundestage sicherlich nicht die mindeste Einsprache in seine Politik erlauben würde..
Diese finanzielle Differenz gehört mit unter die Gründe, weshalb schwerlich län¬
gere Buudestagsferien eintreten; dazu kommt noch die Festnngsfrage und jene
über die Verwandlung der Bnudcömilitärcommissiou in eine technische Behörde.

Beide Fragen sind so vielfach verzerrt und verzogen worden, daß es wol der
Mühe verlohnt, ihre Kernpunkte hier nochmals parteilos zu berühren. Vorn
steht die Festuugsfragc. Oestreich verlangt für Rastadt und Ulm befestigte Lager,
oder vielmehr das Geld zu deren Ban. Denn um den Geldpunkt dreht sich die
Frage. Oestreich wird in seinem Verlangen von den ihm enger verbündeten süd¬
deutschen Staaten unterstützt-- dies ist natürlich, denn Ulm und Rastadt sind ihnen
speciell wichtig. Dabei berufen sich die Fordernden auf eine" sogenannten "ursprüng¬
lichen Plan," wonach verschanzte Lager für Ulm und Rastadt entworfen und wel¬
cher dnrch einen Bundesbeschluß festgestellt sei. Hier liegt nur eine Halbwahrheit
vor. Denn der Bnndesbeschluß vom März 1841 stellte blos den Bau beider
Festungen mit Rücksicht aus verschanzte Lager fest. Zwei folgende Bundcsbeschlüsse
vom August 1842 und April 1843 bestimmten dagegen für den Bau beider Fe-
stungen die "unübersteigliche" Summe von 27^ Million Fi. Können damit
verschanzte Lager hergestellt werden -- gut; ists mit dieser Summe nicht möglich,
so bleiben sie solange frommer Wunsch und Vorschreibnng", bis andere höchst
nöthige Befestigungen der deutschen Bundcsgrenzcn hergestellt sind. Denn Ulm
und Rastadt sind anch ohne befestigte Lager vollkommen kriegsferlige Orte. Oest¬
reich mit seinen speciellen Alliirten verlangten aber eine allgemeine Matrikularumlage
für die Verwirklichung dieser ihrer Plane. Abgesehen davon, daß dadurch die "un-
übersteiglich" festgestellte Bausumme für beide Festungen um mehre Millionen
überschritten würde, kommt noch ein anderer Umstand in Frage. Oestreich, Baiern
und andere süddeutsche Biuueustaaten haben ihren Matrikularverpflichtungen für
die deutsche Flotte theils gar nicht, theils nur mit höchst geringen Anzahlnngs-
summcn entsprochen; die norddeutschen Staaten zahlten dagegen vollständig bis
auf ganz geringe Reste. Wegen der Zahluugssäumigkeit der ebeu erwähnten
Staaten mußte nun ein großer Theil der Fonds aus der letzten Matrikularumlage
für den Buudesfestuugsbau für Marienzwecke verwendet werden. Um jedoch die
nothwendigsten^Festungsbauten fortführen zu können, beschloß bekanntlich der
Bundestag eine kleine Matrikularumlage. Doch wurden Oestreich und die audern


Bundestag wenig Lust gezeigt hatte, Oestreich seiner bundesmäßigen Zahlungs¬
pflichten aus jenen Jahren zu entbinden, deshalb den preußischen Antrag einer
Specialliqnidation einstimmig genehmigte — da meldete Oestreich in der Sitzung
vom 14. April jene Millionen als wirkliche Forderung an. Ja, es behielt sich
sogar nähere Nachweise zu eventuelle« Nachforderungen vor. . Also sollen allerdings
die deutscheu Steuerpflichtigen die Schlachte» von Temesvar und Novara, ja viel¬
leicht selbst die russischen Hilfsheere von Vilagos bezahlen, obgleich Oestreich dem
Bundestage sicherlich nicht die mindeste Einsprache in seine Politik erlauben würde..
Diese finanzielle Differenz gehört mit unter die Gründe, weshalb schwerlich län¬
gere Buudestagsferien eintreten; dazu kommt noch die Festnngsfrage und jene
über die Verwandlung der Bnudcömilitärcommissiou in eine technische Behörde.

Beide Fragen sind so vielfach verzerrt und verzogen worden, daß es wol der
Mühe verlohnt, ihre Kernpunkte hier nochmals parteilos zu berühren. Vorn
steht die Festuugsfragc. Oestreich verlangt für Rastadt und Ulm befestigte Lager,
oder vielmehr das Geld zu deren Ban. Denn um den Geldpunkt dreht sich die
Frage. Oestreich wird in seinem Verlangen von den ihm enger verbündeten süd¬
deutschen Staaten unterstützt— dies ist natürlich, denn Ulm und Rastadt sind ihnen
speciell wichtig. Dabei berufen sich die Fordernden auf eine» sogenannten „ursprüng¬
lichen Plan," wonach verschanzte Lager für Ulm und Rastadt entworfen und wel¬
cher dnrch einen Bundesbeschluß festgestellt sei. Hier liegt nur eine Halbwahrheit
vor. Denn der Bnndesbeschluß vom März 1841 stellte blos den Bau beider
Festungen mit Rücksicht aus verschanzte Lager fest. Zwei folgende Bundcsbeschlüsse
vom August 1842 und April 1843 bestimmten dagegen für den Bau beider Fe-
stungen die „unübersteigliche" Summe von 27^ Million Fi. Können damit
verschanzte Lager hergestellt werden — gut; ists mit dieser Summe nicht möglich,
so bleiben sie solange frommer Wunsch und Vorschreibnng", bis andere höchst
nöthige Befestigungen der deutschen Bundcsgrenzcn hergestellt sind. Denn Ulm
und Rastadt sind anch ohne befestigte Lager vollkommen kriegsferlige Orte. Oest¬
reich mit seinen speciellen Alliirten verlangten aber eine allgemeine Matrikularumlage
für die Verwirklichung dieser ihrer Plane. Abgesehen davon, daß dadurch die „un-
übersteiglich" festgestellte Bausumme für beide Festungen um mehre Millionen
überschritten würde, kommt noch ein anderer Umstand in Frage. Oestreich, Baiern
und andere süddeutsche Biuueustaaten haben ihren Matrikularverpflichtungen für
die deutsche Flotte theils gar nicht, theils nur mit höchst geringen Anzahlnngs-
summcn entsprochen; die norddeutschen Staaten zahlten dagegen vollständig bis
auf ganz geringe Reste. Wegen der Zahluugssäumigkeit der ebeu erwähnten
Staaten mußte nun ein großer Theil der Fonds aus der letzten Matrikularumlage
für den Buudesfestuugsbau für Marienzwecke verwendet werden. Um jedoch die
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Bundestag eine kleine Matrikularumlage. Doch wurden Oestreich und die audern


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[0149] Bundestag wenig Lust gezeigt hatte, Oestreich seiner bundesmäßigen Zahlungs¬ pflichten aus jenen Jahren zu entbinden, deshalb den preußischen Antrag einer Specialliqnidation einstimmig genehmigte — da meldete Oestreich in der Sitzung vom 14. April jene Millionen als wirkliche Forderung an. Ja, es behielt sich sogar nähere Nachweise zu eventuelle« Nachforderungen vor. . Also sollen allerdings die deutscheu Steuerpflichtigen die Schlachte» von Temesvar und Novara, ja viel¬ leicht selbst die russischen Hilfsheere von Vilagos bezahlen, obgleich Oestreich dem Bundestage sicherlich nicht die mindeste Einsprache in seine Politik erlauben würde.. Diese finanzielle Differenz gehört mit unter die Gründe, weshalb schwerlich län¬ gere Buudestagsferien eintreten; dazu kommt noch die Festnngsfrage und jene über die Verwandlung der Bnudcömilitärcommissiou in eine technische Behörde. Beide Fragen sind so vielfach verzerrt und verzogen worden, daß es wol der Mühe verlohnt, ihre Kernpunkte hier nochmals parteilos zu berühren. Vorn steht die Festuugsfragc. Oestreich verlangt für Rastadt und Ulm befestigte Lager, oder vielmehr das Geld zu deren Ban. Denn um den Geldpunkt dreht sich die Frage. Oestreich wird in seinem Verlangen von den ihm enger verbündeten süd¬ deutschen Staaten unterstützt— dies ist natürlich, denn Ulm und Rastadt sind ihnen speciell wichtig. Dabei berufen sich die Fordernden auf eine» sogenannten „ursprüng¬ lichen Plan," wonach verschanzte Lager für Ulm und Rastadt entworfen und wel¬ cher dnrch einen Bundesbeschluß festgestellt sei. Hier liegt nur eine Halbwahrheit vor. Denn der Bnndesbeschluß vom März 1841 stellte blos den Bau beider Festungen mit Rücksicht aus verschanzte Lager fest. Zwei folgende Bundcsbeschlüsse vom August 1842 und April 1843 bestimmten dagegen für den Bau beider Fe- stungen die „unübersteigliche" Summe von 27^ Million Fi. Können damit verschanzte Lager hergestellt werden — gut; ists mit dieser Summe nicht möglich, so bleiben sie solange frommer Wunsch und Vorschreibnng", bis andere höchst nöthige Befestigungen der deutschen Bundcsgrenzcn hergestellt sind. Denn Ulm und Rastadt sind anch ohne befestigte Lager vollkommen kriegsferlige Orte. Oest¬ reich mit seinen speciellen Alliirten verlangten aber eine allgemeine Matrikularumlage für die Verwirklichung dieser ihrer Plane. Abgesehen davon, daß dadurch die „un- übersteiglich" festgestellte Bausumme für beide Festungen um mehre Millionen überschritten würde, kommt noch ein anderer Umstand in Frage. Oestreich, Baiern und andere süddeutsche Biuueustaaten haben ihren Matrikularverpflichtungen für die deutsche Flotte theils gar nicht, theils nur mit höchst geringen Anzahlnngs- summcn entsprochen; die norddeutschen Staaten zahlten dagegen vollständig bis auf ganz geringe Reste. Wegen der Zahluugssäumigkeit der ebeu erwähnten Staaten mußte nun ein großer Theil der Fonds aus der letzten Matrikularumlage für den Buudesfestuugsbau für Marienzwecke verwendet werden. Um jedoch die nothwendigsten^Festungsbauten fortführen zu können, beschloß bekanntlich der Bundestag eine kleine Matrikularumlage. Doch wurden Oestreich und die audern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/149>, abgerufen am 01.07.2024.