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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Heer kostenfrei zu unterhalten, zurückstand, um die Wette verwüstet wurde. Ganze
Landstriche wurden damals in Einöden verwandelt, an der Stelle de rnieoergebrannten
Dörfer erhoben sich nur langsam neue Wohnsitze. Nach dem dreißigjährigen
Kriege war das Land entvölkert und die alten Hanptgewerbszweige der nord¬
deutschen Ebene, Tuchfabrikation und Bierbrauerei, sind seit jener Zeit nicht
wieder recht emporgekommen. Auf den dreißigjährigen Krieg folgten die Unter¬
nehmungen des großen Kurfürsten, welche den Feind oft tief in das Land
hineinzogen. Wenn aber auch die kriegerischen Verwüstungen nicht mehr so
bedeutend waren, so konnte die bloße Unterhaltung einer Armee von 38,000 Mann
mit einer für die damalige Zeit zahlreichen Cavalerie für ein Land von 1^2 Million
Seelen der Capitalienansammlung nicht günstig sein. Darauf folgte ein
Menschenalter des Friedens, in welchem jedoch fortdauernd ein für die Steuerkraft
des Landes sehr starkes Heer unterhalten werden mußte und außerdem noch jener
Staatsschatz gesammelt wurde, ohne den die Kriege des großen Friedrichs und
die Bildung des preußischen Grvßstaates nicht möglich gewesen wäre", der jedoch
in einem so dünn bevölkerten Lande nicht immer ohne drückende fiscalische
Maßregeln zusammengebracht werden konnte. Die Kriege Friedrichs brachten die
feindlichen Heere zu verschiedenen Malen in das Land, und es litten besonders
die zerstreuten Besitzungen westlich der Elbe. Daß diese im Verhältniß zu dem
dreißigjährigen so leicht ertragbaren Kriege dem Lande sehr tiefe Wunden schlugen,
ergibt sich aus den Resultaten der Volkszählung. Viele Provinzen verloren an
Bevölkerung, somit auch an Productivität in der Landwirthschaft wie in den
Gewerben. Von 1734--1766 ging in Pommern die Bevölkerung von 368,996
auf 339,947 Seelen, in der Neumark von 219,362 auf 209,808, in den
sächsischen Besitzungen Magdeburg, Halberstadt, Quedlinburg, 138 Q-M.,
von 328,636 ans 317,323, im Mindenschen, S3 Q.-M, von 162,916 auf
160,677, in der Grafschaft Mark, 46 Q.-M., von 119,168 auf 111,772, in
Cleve, Mors und Geldern, 63 Q.-M., von 130,881 auf 136,S18 zurück. Es
folgte wiederum ein Menschenalter des Friedens, in welchem jedoch das National¬
capital grade nicht besonders auf die Landwirthschaft hingelenkt wurde. Friedrichs
Handelspolitik lastete schwer auf derselben, vielleicht schwerer als Kriegsdruck.
Inzwischen war die Stärke des Heeres und die Steuerlast bedeutend vermehrt
worden, und bald begann ein neuer Kampf, der mehr Anstrengungen und Opfer
forderte, als alle vorhergehenden. Außer dem Mehraufwand, welchen das eigene
Heer kostete, hatte das auf die Hälfte seines Gebiets reducirte Preußen in den
Jahren 1806 bis 1813 nach einem Berichte der Staatsschuldencommission gegen
400 Millionen Thaler Kontributionen, Entschädigungen, Naturalleistungen aller
Art, oder einen Werth etwa der Hälfte seines gestimmten productiven Mobiliar-
und Immobiliarvermögens entsprechend an den französischen Sieger zu zahlen.


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Heer kostenfrei zu unterhalten, zurückstand, um die Wette verwüstet wurde. Ganze
Landstriche wurden damals in Einöden verwandelt, an der Stelle de rnieoergebrannten
Dörfer erhoben sich nur langsam neue Wohnsitze. Nach dem dreißigjährigen
Kriege war das Land entvölkert und die alten Hanptgewerbszweige der nord¬
deutschen Ebene, Tuchfabrikation und Bierbrauerei, sind seit jener Zeit nicht
wieder recht emporgekommen. Auf den dreißigjährigen Krieg folgten die Unter¬
nehmungen des großen Kurfürsten, welche den Feind oft tief in das Land
hineinzogen. Wenn aber auch die kriegerischen Verwüstungen nicht mehr so
bedeutend waren, so konnte die bloße Unterhaltung einer Armee von 38,000 Mann
mit einer für die damalige Zeit zahlreichen Cavalerie für ein Land von 1^2 Million
Seelen der Capitalienansammlung nicht günstig sein. Darauf folgte ein
Menschenalter des Friedens, in welchem jedoch fortdauernd ein für die Steuerkraft
des Landes sehr starkes Heer unterhalten werden mußte und außerdem noch jener
Staatsschatz gesammelt wurde, ohne den die Kriege des großen Friedrichs und
die Bildung des preußischen Grvßstaates nicht möglich gewesen wäre», der jedoch
in einem so dünn bevölkerten Lande nicht immer ohne drückende fiscalische
Maßregeln zusammengebracht werden konnte. Die Kriege Friedrichs brachten die
feindlichen Heere zu verschiedenen Malen in das Land, und es litten besonders
die zerstreuten Besitzungen westlich der Elbe. Daß diese im Verhältniß zu dem
dreißigjährigen so leicht ertragbaren Kriege dem Lande sehr tiefe Wunden schlugen,
ergibt sich aus den Resultaten der Volkszählung. Viele Provinzen verloren an
Bevölkerung, somit auch an Productivität in der Landwirthschaft wie in den
Gewerben. Von 1734—1766 ging in Pommern die Bevölkerung von 368,996
auf 339,947 Seelen, in der Neumark von 219,362 auf 209,808, in den
sächsischen Besitzungen Magdeburg, Halberstadt, Quedlinburg, 138 Q-M.,
von 328,636 ans 317,323, im Mindenschen, S3 Q.-M, von 162,916 auf
160,677, in der Grafschaft Mark, 46 Q.-M., von 119,168 auf 111,772, in
Cleve, Mors und Geldern, 63 Q.-M., von 130,881 auf 136,S18 zurück. Es
folgte wiederum ein Menschenalter des Friedens, in welchem jedoch das National¬
capital grade nicht besonders auf die Landwirthschaft hingelenkt wurde. Friedrichs
Handelspolitik lastete schwer auf derselben, vielleicht schwerer als Kriegsdruck.
Inzwischen war die Stärke des Heeres und die Steuerlast bedeutend vermehrt
worden, und bald begann ein neuer Kampf, der mehr Anstrengungen und Opfer
forderte, als alle vorhergehenden. Außer dem Mehraufwand, welchen das eigene
Heer kostete, hatte das auf die Hälfte seines Gebiets reducirte Preußen in den
Jahren 1806 bis 1813 nach einem Berichte der Staatsschuldencommission gegen
400 Millionen Thaler Kontributionen, Entschädigungen, Naturalleistungen aller
Art, oder einen Werth etwa der Hälfte seines gestimmten productiven Mobiliar-
und Immobiliarvermögens entsprechend an den französischen Sieger zu zahlen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/107>, abgerufen am 03.07.2024.