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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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mit haarsträubender Seelenruhe die Straße zu einer menschlichen Thätigkeit, für
die man sonst die größte Zurückgezogenheit zweckmäßig hält. Solche Scenen
kann man am hellen Tage überall ans den Gassen und Plätzen der königlichen
Hauptstadt sehen. Des Nachts sind die Straßen für einen Fußgänger gar nicht
zu passiren, und ich möchte in der Dunkelheit lieber die gefährlichsten Alpenwege
beschreiten, als eine längere Wanderung dnrch das Häuserlabyrinth Lissabons machen.
Schon die Hunde, die dann überall in Hansen umherliegen, erheben gegen den
Wanderer, der sie in ihrer Ruhe stört, ein wüthendes Geheul und weise" ihm
grimmig die Zähne. Man hat diese eckelhafter Thiere wiederholt auszurotten ver¬
sucht, hat das aber stets wieder aufgegeben, da sie wenigstens einen Theil des
Straßenschmnzes vertilgen. Nimmt ihre Zahl aber zu sehr überHand, so schlagen
die Abdecker einige Tausende todt, und werfen die Leichname in den Tejo. Nach
wenigen Monaten soll aber eine solche Abnahme wieder völlig ausgeglichen sein.
Merkwürdig ist, daß diese Hunde, so räubig und mit Aussatz besetzt sie auch
oft aussehen, doch niemals von der Tollwuth angesteckt werden sollen.

Mögen die Leser mir verzeihen, daß ich so lange bei diesen häßlichen Din¬
gen verweilt habe. Schmuz, Gestank, Straßenbettler und Hunde bilden so wesent¬
liche Elemente von Lissabon, daß man sie selbst bei der flüchtigsten Schilderung
dieser Stadt nicht übergehen kann. War es mir doch auf vielen Straßen nicht
möglich zu weilen, ohne ein mit illo ne OoloZnö getränktes Taschentuch vor die
Nase zu halten.

Was hier ferner auffällt, sind die, vielen Affen und Papageien, die man
überall auf den Balkonen angekettet sieht. Jedes Haus fast hat mehrere solcher
unruhiger und schreiender Gäste. Wir machten uns den Spaß und zählten, daß
auf den verschiedenen Balkonen von fünf größeren Häusern ans der >'ur0",
I'.mmiwi-l;" 11 Affen und 17 Papageien an Ketten befestigt saßen; die Vögel
krächzten, die Affen schnitten Gesichter, wiesen uns das Gesäß, und warfen Scha¬
len ans die Straße.

Die Balkone, dnrch Vcrcmdas vor der Sonne geschützt, dienen einem großen
Theil der weiblichen Bevölkerung Lissabons fast zum regelmäßigen Anfenthalt.
Anständige Frauen zu Fuße sieht mau nur in geringer Zahl ans den Gassen,
deren Zustand auch das Spazierengehen fast unmöglich macht. Selbst für
Herren hat das Gehen, bei dem man beständig ans den Weg sehen muß,
wenig Einladendes, zumal der Weg fast immer Berg auf, Berg ab führt; weshalb
man sich sehr häufig der Cabriolets bedient. Es sind dies eigenthümliche Wagen,
die sehr hohe Hinterräder und niedere Vorderräder haben, und zwei bis drei
Personen sassen. Zwei abgetriebene Gäule oder auch Maulthiere ziehen dieselben.
Auf dem einen sitzt der Postillon mit hohen Stiefeln, rundem Glanzledcrhnt,
Lederhosen und einer kurzen hellfarbigen Jacke, Alles zwar nach portugiesischer
Art etwas schmuzig, in der Ferne aber gar nicht übel aussehend. Wir mietheten


mit haarsträubender Seelenruhe die Straße zu einer menschlichen Thätigkeit, für
die man sonst die größte Zurückgezogenheit zweckmäßig hält. Solche Scenen
kann man am hellen Tage überall ans den Gassen und Plätzen der königlichen
Hauptstadt sehen. Des Nachts sind die Straßen für einen Fußgänger gar nicht
zu passiren, und ich möchte in der Dunkelheit lieber die gefährlichsten Alpenwege
beschreiten, als eine längere Wanderung dnrch das Häuserlabyrinth Lissabons machen.
Schon die Hunde, die dann überall in Hansen umherliegen, erheben gegen den
Wanderer, der sie in ihrer Ruhe stört, ein wüthendes Geheul und weise» ihm
grimmig die Zähne. Man hat diese eckelhafter Thiere wiederholt auszurotten ver¬
sucht, hat das aber stets wieder aufgegeben, da sie wenigstens einen Theil des
Straßenschmnzes vertilgen. Nimmt ihre Zahl aber zu sehr überHand, so schlagen
die Abdecker einige Tausende todt, und werfen die Leichname in den Tejo. Nach
wenigen Monaten soll aber eine solche Abnahme wieder völlig ausgeglichen sein.
Merkwürdig ist, daß diese Hunde, so räubig und mit Aussatz besetzt sie auch
oft aussehen, doch niemals von der Tollwuth angesteckt werden sollen.

Mögen die Leser mir verzeihen, daß ich so lange bei diesen häßlichen Din¬
gen verweilt habe. Schmuz, Gestank, Straßenbettler und Hunde bilden so wesent¬
liche Elemente von Lissabon, daß man sie selbst bei der flüchtigsten Schilderung
dieser Stadt nicht übergehen kann. War es mir doch auf vielen Straßen nicht
möglich zu weilen, ohne ein mit illo ne OoloZnö getränktes Taschentuch vor die
Nase zu halten.

Was hier ferner auffällt, sind die, vielen Affen und Papageien, die man
überall auf den Balkonen angekettet sieht. Jedes Haus fast hat mehrere solcher
unruhiger und schreiender Gäste. Wir machten uns den Spaß und zählten, daß
auf den verschiedenen Balkonen von fünf größeren Häusern ans der >'ur0»,
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krächzten, die Affen schnitten Gesichter, wiesen uns das Gesäß, und warfen Scha¬
len ans die Straße.

Die Balkone, dnrch Vcrcmdas vor der Sonne geschützt, dienen einem großen
Theil der weiblichen Bevölkerung Lissabons fast zum regelmäßigen Anfenthalt.
Anständige Frauen zu Fuße sieht mau nur in geringer Zahl ans den Gassen,
deren Zustand auch das Spazierengehen fast unmöglich macht. Selbst für
Herren hat das Gehen, bei dem man beständig ans den Weg sehen muß,
wenig Einladendes, zumal der Weg fast immer Berg auf, Berg ab führt; weshalb
man sich sehr häufig der Cabriolets bedient. Es sind dies eigenthümliche Wagen,
die sehr hohe Hinterräder und niedere Vorderräder haben, und zwei bis drei
Personen sassen. Zwei abgetriebene Gäule oder auch Maulthiere ziehen dieselben.
Auf dem einen sitzt der Postillon mit hohen Stiefeln, rundem Glanzledcrhnt,
Lederhosen und einer kurzen hellfarbigen Jacke, Alles zwar nach portugiesischer
Art etwas schmuzig, in der Ferne aber gar nicht übel aussehend. Wir mietheten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/95>, abgerufen am 28.12.2024.