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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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wohl gemerkt nach portugiesischem Maßstabe, denn ein Holländer würde schon
dies für den Inbegriff aller Unflätherei halten -- sehen noch einige andere große
breite Straßen mit stattlichen Häusern in der Nähe dieses Platzes aus. Fremde
Kaufleute, die hier wohnen, sollen aus eigenen Mitteln einige Gallego's besolden,
welche deu allergröbsten Schmuz wöchentlich einige Mal entfernen und in den Fluß
werfen. So wie mau aber mehr in das Innere der Stadt kommt, in diese un-
gemein steilen Straßen Berg ans, Berg ab, die ein schwerer Wagen ohne Hemm-
schuh gar nicht befahren konnte, beginnt eine Herrschaft des Schurzes, von der
man sich bei uns in Deutschland durchaus keine" Begriff machen kann. Wenn
man, wie es bei mir der Fall war, aus algierischen Städten kommt, ist Ange und
Nase in Allem, was Reinlichkeit anbetrifft, wahrlich nicht verwöhnt, aber über
diesen Schmuz aller Art, der die Luft förmlich verpestete, war ich doch erstaunt.
Man denke, die ganze große Stadt von 27!i,000 Einwohnern besitzt keine öffent¬
liche Straßenreinignng, keine Kloaken oder Abzugsgräben irgend einer Art. Aller
Unrath ans den Häusern, selbst der schmuzigste und widerlichste, wird ohne Wei¬
teres auf die Gassen geworfen, welche den allgemeinen Mistplatz der ganzen Be¬
völkerung bilden. Hier bleibt er in großen und kleinen Haufen ruhig liegen, bis
die Sonne ihn verdunstet, oder die 10--1-1,000 herrenlosen Hunde, die sich Tag
und Nacht auf den Gassen umhertreiben, ihn auffressen. Diese herrenlosen Hunde
sind von der verschiedensten Race, aber durchgängig so ekelhafte, verwilderte und
verkommene Bestien, daß selbst der eifrigste Hundefrennd sich mit Widerwillen
von ihnen fortwenden wird. Sie vermehren natürlich die vielen Schmuzbilder
ans deu Straße", wo sie sich begatten, ihr Wochenbett halte", oder ihr Sterbe¬
lager finde", wo auch ihre Leichname ungestört liegen bleiben, bis die übrigen
halb verhungerten Gefährten sie aufgefressen haben. Die Angen der portugie¬
sischen Damen müssen ganz anders als die unsrigen organisirt sein, denn sie
finden in allen diesen schmuzigen Scenen nichts Widerliches, und ihre Geruchs-
organe sind abgestumpft, wie bei uns nur die jener sehr nützlichen Menschenrasse,
welche ans der Reinigung der Cloaken ihren Lebensberuf macht. Ich habe ge-.
sehen, daß zwei portugiesische Damen in ihren alterthümlichen Carossen an einer
Stelle halten blieben und eine gemüthliche Conversation mit einander begannen,
wo ein mehrere Fuß hoher Kothhaufen ein solch furchtbares Miasma aushauchte,
daß wir mit Taschentüchern vor der Nase eiligst seiner Nähe entflohen.
Auch in anderen Dingen herrscht eine merkwürdige Unbefangenheit, und noch
andere, als niederländische Genrebilder kann man hier an allen Ecken und
Winkeln sehen, ohne daß selbst die Angen der jungen Fräuleins, die fast den
ganzen Tag anf ihren Balkonen zuzubringen Pflegen, bemerkenswerthen Anstoß
daran nehmen. Hier liegt eine Bcttlerfamilie halb nackt und nnr mit Fetzen be¬
kleidet, und die Fran stellt mit günstigem Erfolg eine Jagd auf dem Kopfe ihres
Mannes an, an der andern Ecke kauert ein portugiesischer Bauer und benutzt


wohl gemerkt nach portugiesischem Maßstabe, denn ein Holländer würde schon
dies für den Inbegriff aller Unflätherei halten — sehen noch einige andere große
breite Straßen mit stattlichen Häusern in der Nähe dieses Platzes aus. Fremde
Kaufleute, die hier wohnen, sollen aus eigenen Mitteln einige Gallego's besolden,
welche deu allergröbsten Schmuz wöchentlich einige Mal entfernen und in den Fluß
werfen. So wie mau aber mehr in das Innere der Stadt kommt, in diese un-
gemein steilen Straßen Berg ans, Berg ab, die ein schwerer Wagen ohne Hemm-
schuh gar nicht befahren konnte, beginnt eine Herrschaft des Schurzes, von der
man sich bei uns in Deutschland durchaus keine» Begriff machen kann. Wenn
man, wie es bei mir der Fall war, aus algierischen Städten kommt, ist Ange und
Nase in Allem, was Reinlichkeit anbetrifft, wahrlich nicht verwöhnt, aber über
diesen Schmuz aller Art, der die Luft förmlich verpestete, war ich doch erstaunt.
Man denke, die ganze große Stadt von 27!i,000 Einwohnern besitzt keine öffent¬
liche Straßenreinignng, keine Kloaken oder Abzugsgräben irgend einer Art. Aller
Unrath ans den Häusern, selbst der schmuzigste und widerlichste, wird ohne Wei¬
teres auf die Gassen geworfen, welche den allgemeinen Mistplatz der ganzen Be¬
völkerung bilden. Hier bleibt er in großen und kleinen Haufen ruhig liegen, bis
die Sonne ihn verdunstet, oder die 10—1-1,000 herrenlosen Hunde, die sich Tag
und Nacht auf den Gassen umhertreiben, ihn auffressen. Diese herrenlosen Hunde
sind von der verschiedensten Race, aber durchgängig so ekelhafte, verwilderte und
verkommene Bestien, daß selbst der eifrigste Hundefrennd sich mit Widerwillen
von ihnen fortwenden wird. Sie vermehren natürlich die vielen Schmuzbilder
ans deu Straße», wo sie sich begatten, ihr Wochenbett halte», oder ihr Sterbe¬
lager finde», wo auch ihre Leichname ungestört liegen bleiben, bis die übrigen
halb verhungerten Gefährten sie aufgefressen haben. Die Angen der portugie¬
sischen Damen müssen ganz anders als die unsrigen organisirt sein, denn sie
finden in allen diesen schmuzigen Scenen nichts Widerliches, und ihre Geruchs-
organe sind abgestumpft, wie bei uns nur die jener sehr nützlichen Menschenrasse,
welche ans der Reinigung der Cloaken ihren Lebensberuf macht. Ich habe ge-.
sehen, daß zwei portugiesische Damen in ihren alterthümlichen Carossen an einer
Stelle halten blieben und eine gemüthliche Conversation mit einander begannen,
wo ein mehrere Fuß hoher Kothhaufen ein solch furchtbares Miasma aushauchte,
daß wir mit Taschentüchern vor der Nase eiligst seiner Nähe entflohen.
Auch in anderen Dingen herrscht eine merkwürdige Unbefangenheit, und noch
andere, als niederländische Genrebilder kann man hier an allen Ecken und
Winkeln sehen, ohne daß selbst die Angen der jungen Fräuleins, die fast den
ganzen Tag anf ihren Balkonen zuzubringen Pflegen, bemerkenswerthen Anstoß
daran nehmen. Hier liegt eine Bcttlerfamilie halb nackt und nnr mit Fetzen be¬
kleidet, und die Fran stellt mit günstigem Erfolg eine Jagd auf dem Kopfe ihres
Mannes an, an der andern Ecke kauert ein portugiesischer Bauer und benutzt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/94>, abgerufen am 24.07.2024.