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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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wenigsten gefährliche ist die Mißachtung des Ansehns der Centralgewalt. Seit
drei Jahren macht dieselbe vergebliche Anstrengungen, die Umtriebe der "Sym-
pathiserö und Liberatoren" zu bewältigen; ihre er.ecntiven Mittel erweisen sich als
unzureichend neben der offenen Begünstigung, welche die Behörden der ein¬
zelnen Staaten des Südens jenen angedeihen lassen, ihre Mahnungen und
Proclamationen verhallen wirkungslos, und selbst der Appell an die Gerichte
liefert in vielen Fällen nur den traurigen Beweis, daß die Geschwornen sich von
Sonderintcresseu und politischen Leidenschaften, nicht von der Erkenntniß des
Rechtes und wahrem nationalen Ehrgefühl leiten lassen. Man kann die aufrich¬
tigste Liebe für politische Freiheit haben und doch eiuen Zustand scandalös finden,
wie er sich in der Korrespondenz des Präsidenten der Vereinigten Staaten mit
Herrn Law, dem Director einer DampfschiffahrtSgescllschaft, welche auch Fahrten
zwischen New-Orleans und Havanna macht, herausstellt. Umsonst protestirt der
Esch der vollziehenden Gewalt gegen die eigenmächtigen Versuche von Privat¬
personen, einen Krieg zwischen Spanien und der Union hervorzurufen, umsonst
zieht er die Officiere der Republik von den Schiffen der Gesellschaft zurück, auf
denen der Proviantmeister Smith sich befindet, dem wegen Vermittelung aufrühre¬
rischer Korrespondenzen die Landung in Cuba Seitens des spanischen Gouverneurs
untersagt ist; Herr Law fährt fort, auf eigene Hand die Sache bis zu einem
gewaltsamen Conflict zu treiben, in dem Vertrauen, daß die Erhitzung der
nationalen Leidenschaften die Centralregierung und den Kongreß zum Kriege
treiben werde, selbst auf Grund eines völlig ungerechten Anlasses und wider die
bessere Einsicht aller leitenden Staatsmänner der Union. Da innerhalb weniger
Monate (4. März 185:!) die höchste Leitung der Republik an den Erwählten der
demokratischen Partei, den General Pierce, übergeht, so haben diese Berech¬
nungen nur zu viel Aussicht zu reussiren. Zwar ist Pierce nach allen über ihn
eingegangenen Nachrichten ein besonnener und gemäßigter Mann und keineswegs
ein hirnverbrannter Politiker; immerhin wird er es indeß schwierig finden, sich
der Strömung der Kriegs- und Eroberungssucht, die gerade in seiner Partei
vorherrscht, zu widersetzen, und das Gewicht der Wihgs ist in Folge ihrer bei¬
spiellosen Niederlage bei der letzten Präsidentenwahl zu lies gesunken, um schwer
in die Wagschale der Entscheidung zu fallen. Der moralische Zwang jedoch, den
bei dieser Gelegenheit eine Partei durch die Entfesselung der Vvltsleideuschafteu
gegen die höchstem Behörden der Republick anwendet, wird, falls der Erfolg ihn
krönt, seine verderblichen Folgen nicht verfehlen. Die Zukunft und nationale
Einheit der Vereinigten Staaten sind tief gefährdet, wenn die Centralgewalt zur
Ohnmacht herabgedrückt wird; ihre in den wichtigsten Beziehungen zum Auslande
verspottete Autorität würde bald auf dieselbe Insubordination auch in inneren Fragen
stoßen, und dann steht die Epoche vor der Thür, in der die Arena der Parteikämpfe
nicht mehr der Cougresz, und die Waffe nicht mehr das friedliche Wort sein wird.


wenigsten gefährliche ist die Mißachtung des Ansehns der Centralgewalt. Seit
drei Jahren macht dieselbe vergebliche Anstrengungen, die Umtriebe der „Sym-
pathiserö und Liberatoren" zu bewältigen; ihre er.ecntiven Mittel erweisen sich als
unzureichend neben der offenen Begünstigung, welche die Behörden der ein¬
zelnen Staaten des Südens jenen angedeihen lassen, ihre Mahnungen und
Proclamationen verhallen wirkungslos, und selbst der Appell an die Gerichte
liefert in vielen Fällen nur den traurigen Beweis, daß die Geschwornen sich von
Sonderintcresseu und politischen Leidenschaften, nicht von der Erkenntniß des
Rechtes und wahrem nationalen Ehrgefühl leiten lassen. Man kann die aufrich¬
tigste Liebe für politische Freiheit haben und doch eiuen Zustand scandalös finden,
wie er sich in der Korrespondenz des Präsidenten der Vereinigten Staaten mit
Herrn Law, dem Director einer DampfschiffahrtSgescllschaft, welche auch Fahrten
zwischen New-Orleans und Havanna macht, herausstellt. Umsonst protestirt der
Esch der vollziehenden Gewalt gegen die eigenmächtigen Versuche von Privat¬
personen, einen Krieg zwischen Spanien und der Union hervorzurufen, umsonst
zieht er die Officiere der Republik von den Schiffen der Gesellschaft zurück, auf
denen der Proviantmeister Smith sich befindet, dem wegen Vermittelung aufrühre¬
rischer Korrespondenzen die Landung in Cuba Seitens des spanischen Gouverneurs
untersagt ist; Herr Law fährt fort, auf eigene Hand die Sache bis zu einem
gewaltsamen Conflict zu treiben, in dem Vertrauen, daß die Erhitzung der
nationalen Leidenschaften die Centralregierung und den Kongreß zum Kriege
treiben werde, selbst auf Grund eines völlig ungerechten Anlasses und wider die
bessere Einsicht aller leitenden Staatsmänner der Union. Da innerhalb weniger
Monate (4. März 185:!) die höchste Leitung der Republik an den Erwählten der
demokratischen Partei, den General Pierce, übergeht, so haben diese Berech¬
nungen nur zu viel Aussicht zu reussiren. Zwar ist Pierce nach allen über ihn
eingegangenen Nachrichten ein besonnener und gemäßigter Mann und keineswegs
ein hirnverbrannter Politiker; immerhin wird er es indeß schwierig finden, sich
der Strömung der Kriegs- und Eroberungssucht, die gerade in seiner Partei
vorherrscht, zu widersetzen, und das Gewicht der Wihgs ist in Folge ihrer bei¬
spiellosen Niederlage bei der letzten Präsidentenwahl zu lies gesunken, um schwer
in die Wagschale der Entscheidung zu fallen. Der moralische Zwang jedoch, den
bei dieser Gelegenheit eine Partei durch die Entfesselung der Vvltsleideuschafteu
gegen die höchstem Behörden der Republick anwendet, wird, falls der Erfolg ihn
krönt, seine verderblichen Folgen nicht verfehlen. Die Zukunft und nationale
Einheit der Vereinigten Staaten sind tief gefährdet, wenn die Centralgewalt zur
Ohnmacht herabgedrückt wird; ihre in den wichtigsten Beziehungen zum Auslande
verspottete Autorität würde bald auf dieselbe Insubordination auch in inneren Fragen
stoßen, und dann steht die Epoche vor der Thür, in der die Arena der Parteikämpfe
nicht mehr der Cougresz, und die Waffe nicht mehr das friedliche Wort sein wird.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/68>, abgerufen am 01.07.2024.