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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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und seinen Unternehmungsgeist, um vorläufig auf Eroberungen verzichten zu
können. Der umsichtigste und beste Theil der amerikanischen Staatsmänner sieht
daher auch mit Besorgnis; auf eine Politik, in welche die Projecte des Egoismus
der Sclavenhalter und die zügellosen Leidenschaften einer turbulenter Demokratie
die Union hineinzuziehen streben. Der eigentliche Krebsschaden der amerikanischen
Zustände, die Sklavcnfrage, die von Zeit zu Zeit Dimensionen annimmt, welche den
Bestand des Staatenbundes in Frage stellen, würde dnrch die Erwerbung Cuba'ö
in nicht geringem Grade verschlimmert werden. Die Partisane der Sclaverei
würden zunächst dahin streben, die Insel in mindestens zwei Staateil zu theilen,
und mit den dadurch sür den Kongreß, besonders im Senat gewonnenen Zuwachs
von Stimmen nicht nur mit verstärkter Kraft jede Maßregel zurückweisen, die
anch uur auf dem vorstchtigsteu Wege den Uebeln der Sclaverei zu steuern sucht,
sondern auch in deu neuen Staatenbildungen, die sich auf der ungeheuern Fläche
der zur Republik gehörigen Territorien vorbereiten, nach Möglichkeit die Insti¬
tution des Sclaventhnms hinein verpflanzen. Wir huldigen keineswegs jenen
philanthropischen Uebertreibungen, die von dem absoluten Standpunkt des sittliche"
Rigorismus die sofortige Aufhebung der Sclaverei in Amerika verlangen, ohne Rück¬
sicht auf die unermeßlichen materiellen Interessen, die darin verwickelt sind, nud ohne
Rücksicht, ob die Union darüber aus einander fällt; aber eine übermäßige Ver¬
stärkung des Sclaveninteresses muß unter alleu Umständen als verderblich
erscheinen.

Die Art und Weise, wie die Cuba-Projecte betrieben werden, ist ferner nicht
nur schmählich für die Ohren der Republick allen civilisirten Völkern gegenüber,
sondern auch tief dcmvralisirend für ihre öffentlichen Zustände. Schon die
Manoeuvres, mit denen Texas aunexirt wurde, und der dadurch hervorgerufene
Krieg mit Mexiko äußerten Rückwirkungen auf den Volksgeist, die vielleicht nicht
durch die große" Gebietscrwerbuugeu aufgewogen wurden. Greller und cynischer
treten diese schlimmen Neigungen und Excesse bei den Annexirungsversuchen auf
Cuba hervor. Am hellen Tage rüstet man aus dem Gebiet der Union Expeditionen
aus, die von den Gesetzen des Völkerrechts geächtet und der Seeräuberei gleich¬
gestellt werden; das Publicum wird Monate und Jahre laug durch fabrikmäßig
erfundene Lügen über die Zustände und Vorgänge auf Cuba in gefährliche
Illusionen versetzt, Illusionen, welche tapfere, aber irregeleitete Männer in eine"
schmachvollen Tod trieben; ja es bildet sich ein großer Bund ("zum einsamen
Stern"), der seine Verzweigungen durch sast alle Staaten erstreckt in der aus¬
drücklichen Absicht, die Besitzungen einer Nation, mit der Amerika in Frieden
lebt, gleich Flibustiern zu überfallen. Es ist unmöglich, daß aus der Verwilderung
in Bezug auf geheiligte Satzungen des internationalen Rechtes nicht eine Saal
der Zuchtlosigkeit aufsprießen sollte, deren unheilvolle Früchte später, vielleicht zu
spät anch im Innern sich offenbaren werden. Die nächstlicgendste und nicht am


8*

und seinen Unternehmungsgeist, um vorläufig auf Eroberungen verzichten zu
können. Der umsichtigste und beste Theil der amerikanischen Staatsmänner sieht
daher auch mit Besorgnis; auf eine Politik, in welche die Projecte des Egoismus
der Sclavenhalter und die zügellosen Leidenschaften einer turbulenter Demokratie
die Union hineinzuziehen streben. Der eigentliche Krebsschaden der amerikanischen
Zustände, die Sklavcnfrage, die von Zeit zu Zeit Dimensionen annimmt, welche den
Bestand des Staatenbundes in Frage stellen, würde dnrch die Erwerbung Cuba'ö
in nicht geringem Grade verschlimmert werden. Die Partisane der Sclaverei
würden zunächst dahin streben, die Insel in mindestens zwei Staateil zu theilen,
und mit den dadurch sür den Kongreß, besonders im Senat gewonnenen Zuwachs
von Stimmen nicht nur mit verstärkter Kraft jede Maßregel zurückweisen, die
anch uur auf dem vorstchtigsteu Wege den Uebeln der Sclaverei zu steuern sucht,
sondern auch in deu neuen Staatenbildungen, die sich auf der ungeheuern Fläche
der zur Republik gehörigen Territorien vorbereiten, nach Möglichkeit die Insti¬
tution des Sclaventhnms hinein verpflanzen. Wir huldigen keineswegs jenen
philanthropischen Uebertreibungen, die von dem absoluten Standpunkt des sittliche»
Rigorismus die sofortige Aufhebung der Sclaverei in Amerika verlangen, ohne Rück¬
sicht auf die unermeßlichen materiellen Interessen, die darin verwickelt sind, nud ohne
Rücksicht, ob die Union darüber aus einander fällt; aber eine übermäßige Ver¬
stärkung des Sclaveninteresses muß unter alleu Umständen als verderblich
erscheinen.

Die Art und Weise, wie die Cuba-Projecte betrieben werden, ist ferner nicht
nur schmählich für die Ohren der Republick allen civilisirten Völkern gegenüber,
sondern auch tief dcmvralisirend für ihre öffentlichen Zustände. Schon die
Manoeuvres, mit denen Texas aunexirt wurde, und der dadurch hervorgerufene
Krieg mit Mexiko äußerten Rückwirkungen auf den Volksgeist, die vielleicht nicht
durch die große» Gebietscrwerbuugeu aufgewogen wurden. Greller und cynischer
treten diese schlimmen Neigungen und Excesse bei den Annexirungsversuchen auf
Cuba hervor. Am hellen Tage rüstet man aus dem Gebiet der Union Expeditionen
aus, die von den Gesetzen des Völkerrechts geächtet und der Seeräuberei gleich¬
gestellt werden; das Publicum wird Monate und Jahre laug durch fabrikmäßig
erfundene Lügen über die Zustände und Vorgänge auf Cuba in gefährliche
Illusionen versetzt, Illusionen, welche tapfere, aber irregeleitete Männer in eine»
schmachvollen Tod trieben; ja es bildet sich ein großer Bund („zum einsamen
Stern"), der seine Verzweigungen durch sast alle Staaten erstreckt in der aus¬
drücklichen Absicht, die Besitzungen einer Nation, mit der Amerika in Frieden
lebt, gleich Flibustiern zu überfallen. Es ist unmöglich, daß aus der Verwilderung
in Bezug auf geheiligte Satzungen des internationalen Rechtes nicht eine Saal
der Zuchtlosigkeit aufsprießen sollte, deren unheilvolle Früchte später, vielleicht zu
spät anch im Innern sich offenbaren werden. Die nächstlicgendste und nicht am


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/67>, abgerufen am 27.12.2024.