Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.Nur selten stößt man auf den Ausdruck eines schmerzlichen Gefühls.
Eine Sennhütte ist im Allgemeinen kein begehrenswerther Aufenthalt. Die Endlich hatte die Schwägerin (so werden in Salzburg'die Sennerinnen ge¬ Nur selten stößt man auf den Ausdruck eines schmerzlichen Gefühls.
Eine Sennhütte ist im Allgemeinen kein begehrenswerther Aufenthalt. Die Endlich hatte die Schwägerin (so werden in Salzburg'die Sennerinnen ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0064" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185940"/> <p xml:id="ID_174" prev="#ID_173"> Nur selten stößt man auf den Ausdruck eines schmerzlichen Gefühls.</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_6" type="poem"> <l> S'is no net lang, daß g'regt hat, die Landin tröpfle no;<lb/> I hab mal a Diendl g'hal't — I wollt, i hales no!</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_175"> Eine Sennhütte ist im Allgemeinen kein begehrenswerther Aufenthalt. Die<lb/> unsre war ans rohen unbehauenen Stämmen gezimmert; der uugedielte Haupt-<lb/> raum hatte in der Mitte einen Heerd ans aufgeworfener Erde mit Holz eingefaßt<lb/> und mit Schiefer belegt; der Rauch zog wo er konnte und mochte, durch die<lb/> Spalten und durch die Thür, die den Tag über als einzige Lichtöffnnng offen<lb/> stand, denn ein Fenster gab es nicht. Der Heerd vertrat zugleich die Stelle des<lb/> Tisches; ringsherum waren an den Wänden Bänke und Gestelle befestigt, auf<lb/> denen hölzerne Kübel, irdene Schalen nud Töpfe, blecherne Löffel und anderes<lb/> Geräth sich befanden. Das Bett der Sennerin war der Raumersparnis wegen<lb/> auf vier breiten Pfosten, etwa zwei Fuß hoch über einer Bank in einer Ecke<lb/> angebracht, so daß der darunter befindliche Raum der Bank zur Aufnahme von<lb/> Gerätschaften benutzt werde» konnte. Von diesem Hauptraum war durch einen<lb/> Verschlag eine Art von Kammer abgetrennt, und über dieser der Heuboden, wo<lb/> wir übernachten sollten. In einiger Entfernung lag eine lange Hütte, die zum<lb/> Stall für das Vieh, und eine kleine, die zur Aufbewahrung von Käse und Milch<lb/> diente. Manchmal wird auch der Hauptraum zu ebener Erde als Viehstall benutzt,<lb/> nud die Sennerin muß sich mit einer Wohnung im Dach begnügen.</p><lb/> <p xml:id="ID_176" next="#ID_177"> Endlich hatte die Schwägerin (so werden in Salzburg'die Sennerinnen ge¬<lb/> wöhnlich angeredet) ihre Kühe gemolken, und kam in die Hütte, um sich mit uns<lb/> über unser Abendessen zu berathen. Die Vorräthe ihres Haushalts bestanden in<lb/> Brod, Milch, Butter, Käse, Eiern und Kaffee. Während sie sich mit der Be¬<lb/> reitung des letztem beschäftigte, traten plötzlich zwei Buben vou etwa acht und<lb/> zehn Jahren in die Hütte, die von ihr als Brüder begrüßt wurden. Sie schienen<lb/> keinen besondern Auftrag zu haben, noch weniger konnte man bei ihnen das ro¬<lb/> mantische Gelüst voraussetzen, die Nacht ans dem Heuboden ohne besondere Ver-<lb/> anlassung zuzubringen; möglicherweise waren sie von den um die Tugend der<lb/> Tochter besorgten Aeltern als Ehrenwache gesendet, da diese wol erfahren haben<lb/> konnten, daß „Stadthcrren" hinaufgegangen waren. Unsre Schwägerin war<lb/> nämlich keine Magd, sondern die Tochter des Besitzers der Alpe, der aber acht<lb/> Kinder hatte, und sich vermuthlich dnrch diesen reichen Segen veranlaßt fühlte,<lb/> einige Dienstboten weniger zu halte». Sie war ein stämmiges Mädchen von<lb/> 19 Jahren und sah nicht übel ans; anfangs that sie blöde, indessen einige Scherze<lb/> des Wieners über das landesübliche Thema, ob sie eine» Geliebten habe, wer<lb/> er sei u. s. w., machten sie allmählich unbefangen. Er gab vor, den Bruder der<lb/> schönen Barbara für ihren Geliebten zu halten, und meinte, die Buben seien<lb/> wol von den Aeltern hinausgeschickt, weil sie ihn hätten hinaufgehen sehen; sie<lb/> behauptete hartnäckig, gar keinen Geliebten zu haben, und neckte den Wiener</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0064]
Nur selten stößt man auf den Ausdruck eines schmerzlichen Gefühls.
S'is no net lang, daß g'regt hat, die Landin tröpfle no;
I hab mal a Diendl g'hal't — I wollt, i hales no!
Eine Sennhütte ist im Allgemeinen kein begehrenswerther Aufenthalt. Die
unsre war ans rohen unbehauenen Stämmen gezimmert; der uugedielte Haupt-
raum hatte in der Mitte einen Heerd ans aufgeworfener Erde mit Holz eingefaßt
und mit Schiefer belegt; der Rauch zog wo er konnte und mochte, durch die
Spalten und durch die Thür, die den Tag über als einzige Lichtöffnnng offen
stand, denn ein Fenster gab es nicht. Der Heerd vertrat zugleich die Stelle des
Tisches; ringsherum waren an den Wänden Bänke und Gestelle befestigt, auf
denen hölzerne Kübel, irdene Schalen nud Töpfe, blecherne Löffel und anderes
Geräth sich befanden. Das Bett der Sennerin war der Raumersparnis wegen
auf vier breiten Pfosten, etwa zwei Fuß hoch über einer Bank in einer Ecke
angebracht, so daß der darunter befindliche Raum der Bank zur Aufnahme von
Gerätschaften benutzt werde» konnte. Von diesem Hauptraum war durch einen
Verschlag eine Art von Kammer abgetrennt, und über dieser der Heuboden, wo
wir übernachten sollten. In einiger Entfernung lag eine lange Hütte, die zum
Stall für das Vieh, und eine kleine, die zur Aufbewahrung von Käse und Milch
diente. Manchmal wird auch der Hauptraum zu ebener Erde als Viehstall benutzt,
nud die Sennerin muß sich mit einer Wohnung im Dach begnügen.
Endlich hatte die Schwägerin (so werden in Salzburg'die Sennerinnen ge¬
wöhnlich angeredet) ihre Kühe gemolken, und kam in die Hütte, um sich mit uns
über unser Abendessen zu berathen. Die Vorräthe ihres Haushalts bestanden in
Brod, Milch, Butter, Käse, Eiern und Kaffee. Während sie sich mit der Be¬
reitung des letztem beschäftigte, traten plötzlich zwei Buben vou etwa acht und
zehn Jahren in die Hütte, die von ihr als Brüder begrüßt wurden. Sie schienen
keinen besondern Auftrag zu haben, noch weniger konnte man bei ihnen das ro¬
mantische Gelüst voraussetzen, die Nacht ans dem Heuboden ohne besondere Ver-
anlassung zuzubringen; möglicherweise waren sie von den um die Tugend der
Tochter besorgten Aeltern als Ehrenwache gesendet, da diese wol erfahren haben
konnten, daß „Stadthcrren" hinaufgegangen waren. Unsre Schwägerin war
nämlich keine Magd, sondern die Tochter des Besitzers der Alpe, der aber acht
Kinder hatte, und sich vermuthlich dnrch diesen reichen Segen veranlaßt fühlte,
einige Dienstboten weniger zu halte». Sie war ein stämmiges Mädchen von
19 Jahren und sah nicht übel ans; anfangs that sie blöde, indessen einige Scherze
des Wieners über das landesübliche Thema, ob sie eine» Geliebten habe, wer
er sei u. s. w., machten sie allmählich unbefangen. Er gab vor, den Bruder der
schönen Barbara für ihren Geliebten zu halten, und meinte, die Buben seien
wol von den Aeltern hinausgeschickt, weil sie ihn hätten hinaufgehen sehen; sie
behauptete hartnäckig, gar keinen Geliebten zu haben, und neckte den Wiener
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |