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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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durch die Befreiung von dieser Zuthat erhöht und veredelt, wiederzugeben weiß.
Sein Leben eine-? Wüstlings, einer Hexe, sind Bildergaben von gewaltiger un¬
heimlicher Macht, in seinen Kompositionen z" Dante findet sich ein Ueberfluß vou
meisterhaften Bildungen, sein Homer, Aesop unier den Hirten und unzählige
andere Arbeiten dieser Art offenbaren uns ein Verständniß des antiken Lebens,
wie eS selbst Cornelius nicht in gleichem Grade besitzt, da er zu specifisch deutsch
und schroff ist, um sich so ganz die Formen dieser heitern Welt aneignen zu
können.

Leider ist Genelli durch die Ungunst des Schicksals verhindert gewesen, seine
geniale Eigenthümlichkeit jemals in großen monumentalen Productionen zu ent¬
falten, vielleicht war die Art derselben am meisten an diesem Msgeschiek Schuld
da sie ihn der großen Masse sast ganz unverständlich machte. Den Mangel an
Individualisirung derselben habe ich schon berührt, so daß seine Figuren meist
ohne Kopf z. B. genau dasselbe ausdrücken würden als mit demselben, was wol
den großen Historienmaler, aber auch eine Lücke seines Talents anzeigt. Noch
minder werden ihm die unschöne Art seiner Drapirungen, die am meisten denen
des Michel Angelo in seinen Sculpturen gleichen, (welche selten nur den zehnten
Theil deö Werthes seiner herrlichen gemalten haben), und gewisse Manicrirtheiten
seiner Zeichnung verziehen, die jedem Schüler auffallen, der darum ans den Meister
herabsehen zu können glaubt, -- am wenigsten aber sein Hang zur übermäßi¬
gen ?l"weuduug der Symbolik und zu geschraubten und frostigen Allegorien, den
er mit der ganzen Schule theilt. Mir ist unbegreiflich, wie noch Künstler ein
diesem Genre Gefallen finden können, nachdem sie doch täglich an den Werken
ihrer Vorgänger sehen, mit welcher Gleichgültigkeit, ja Abneigung auch der Ge¬
bildete sich von der Cuträthselung dieser Bilder-Rebus abwendet, wie höchstens
die schönen Gestalten derselben ihm el" Interesse abgewinnen können, das mit
der vorgestellten Idee nicht im geringste" -zusammenhange steht. --

Ich gebe zu, daß man wenigstens bei der monumentalen Kunst weder der
Svmbolik, "och allegorischer Vorstellung ganz sich wird entschlagen tonnen, wenn
man sie dann aber nnr mit so viel Oekonomie anwenden wollte, als dies Raphael
nud Michel Angelo gethan haben, -- wie denn z. B. die Nacht deö letztern am
Grabmal der Medicäer wol eine unübertreffliche Personification dieses Begriffs
genannt werden kann, die niemals ihre Wirkung verfehlen wird.

Tritt uns die Hinneigung zum Hellenismus in Genelli unter allen lebenden
Künstlern am auffallendsten entgegen, so finde" wir dagegen bei Schwind die
ausgesprochen deutschesten Formen, die sich unmittelbar an unsere alte Kunst¬
schule, an Dürer, Adam Kraft, Peter Bischer anschließen, und nur den reizend¬
sten Schönheitssinn alö Bereicherung dazubringen. Kein deutscher Künstler kann
sich größeren und originelleren FormcnsinnS rühmen als Schwind, der Humorist
unter denselben. Was bei Kaulbach scharfe, ätzende Satyre ward, verklärt sich


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durch die Befreiung von dieser Zuthat erhöht und veredelt, wiederzugeben weiß.
Sein Leben eine-? Wüstlings, einer Hexe, sind Bildergaben von gewaltiger un¬
heimlicher Macht, in seinen Kompositionen z» Dante findet sich ein Ueberfluß vou
meisterhaften Bildungen, sein Homer, Aesop unier den Hirten und unzählige
andere Arbeiten dieser Art offenbaren uns ein Verständniß des antiken Lebens,
wie eS selbst Cornelius nicht in gleichem Grade besitzt, da er zu specifisch deutsch
und schroff ist, um sich so ganz die Formen dieser heitern Welt aneignen zu
können.

Leider ist Genelli durch die Ungunst des Schicksals verhindert gewesen, seine
geniale Eigenthümlichkeit jemals in großen monumentalen Productionen zu ent¬
falten, vielleicht war die Art derselben am meisten an diesem Msgeschiek Schuld
da sie ihn der großen Masse sast ganz unverständlich machte. Den Mangel an
Individualisirung derselben habe ich schon berührt, so daß seine Figuren meist
ohne Kopf z. B. genau dasselbe ausdrücken würden als mit demselben, was wol
den großen Historienmaler, aber auch eine Lücke seines Talents anzeigt. Noch
minder werden ihm die unschöne Art seiner Drapirungen, die am meisten denen
des Michel Angelo in seinen Sculpturen gleichen, (welche selten nur den zehnten
Theil deö Werthes seiner herrlichen gemalten haben), und gewisse Manicrirtheiten
seiner Zeichnung verziehen, die jedem Schüler auffallen, der darum ans den Meister
herabsehen zu können glaubt, — am wenigsten aber sein Hang zur übermäßi¬
gen ?l»weuduug der Symbolik und zu geschraubten und frostigen Allegorien, den
er mit der ganzen Schule theilt. Mir ist unbegreiflich, wie noch Künstler ein
diesem Genre Gefallen finden können, nachdem sie doch täglich an den Werken
ihrer Vorgänger sehen, mit welcher Gleichgültigkeit, ja Abneigung auch der Ge¬
bildete sich von der Cuträthselung dieser Bilder-Rebus abwendet, wie höchstens
die schönen Gestalten derselben ihm el» Interesse abgewinnen können, das mit
der vorgestellten Idee nicht im geringste» -zusammenhange steht. —

Ich gebe zu, daß man wenigstens bei der monumentalen Kunst weder der
Svmbolik, »och allegorischer Vorstellung ganz sich wird entschlagen tonnen, wenn
man sie dann aber nnr mit so viel Oekonomie anwenden wollte, als dies Raphael
nud Michel Angelo gethan haben, — wie denn z. B. die Nacht deö letztern am
Grabmal der Medicäer wol eine unübertreffliche Personification dieses Begriffs
genannt werden kann, die niemals ihre Wirkung verfehlen wird.

Tritt uns die Hinneigung zum Hellenismus in Genelli unter allen lebenden
Künstlern am auffallendsten entgegen, so finde» wir dagegen bei Schwind die
ausgesprochen deutschesten Formen, die sich unmittelbar an unsere alte Kunst¬
schule, an Dürer, Adam Kraft, Peter Bischer anschließen, und nur den reizend¬
sten Schönheitssinn alö Bereicherung dazubringen. Kein deutscher Künstler kann
sich größeren und originelleren FormcnsinnS rühmen als Schwind, der Humorist
unter denselben. Was bei Kaulbach scharfe, ätzende Satyre ward, verklärt sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/513>, abgerufen am 01.07.2024.