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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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darf. -- Letzterer ist, wie bei der Schule überhaupt, so auch bei Schmorr nicht
zu finden, so wenig, als eine gründlich durchgebildete Modclliruug, zu der es
die Eile, mit der die Arbeit durch den König meist betrieben wurde, niemals
kommen ließ.

Am meisten findet mau sie noch bei Heinrich Heß entwickelt, demjenigen
Meister der Schule, der seiue künstlerischen Eigenschaften am meisten in ein schö¬
nes wohlthuendes Gleichgewicht zu bringen und damit vortreffliche Resultate zu
erzielen gewußt hat. -- So sind denn aus dessen Malereien in der Hoscapelle,
noch mehr aber aus denen der Basilica Werke geworden, in denen sich die tech¬
nischen Fortschritte der Schule am meisten bemerkbar machen, die einen schonen,
wahren, ja edlen Eindruck überall machen müssen, wenn man in ihnen eine her¬
vortretende Eigenthümlichkeit auch am wenigsten finden mag. -- Eine höchst
ehrenwerthe hausbackene Tüchtigkeit ist es, die uns aus den Werken dieses Ma¬
lers anspricht, innig ohne Schwung, edel ohne groß, trefflich ohne blendend,
wahr ohne gerade sehr individuell in der Auffassung oder eigenthümlich in der
Darstellung zu sein. -- Besonders rühmenswerth ist sein Kolorit. In der Hos¬
capelle noch etwas schwarze Schatten zeigend, steigerte er dasselbe in der Basilica
zu einer höchst wohlthuenden Klarheit und Harmonie, wie sie außer ihm und
seinem vortrefflichen Genossen Schrandolph keiner der andern Meister erreichte,
sodaß die Schule ihm nach dieser Seite hin einen entschiedenen Fortschritt ver¬
dankt, der jüngere Meister wie Kaulbach und Schrandolph nur eine feinere und
gründlichere Durchbildung der Mvdelliruug und Rundung der Gestalten beizufügen
brauchten, um ihr Alles zu geben, dessen Mangel ihr vorzugsweise noch mit
Recht vorgeworfen werden kann. --

Aller dieser technischen Ausbildung entbehrend, welche Haß zu so großem
Verdienste gereicht, muß Bonaventura Genelli doch zu den genialsten, eigen¬
thümlichsten Künstlern unserer Zeit gerechnet werden, weil ihm eine Fülle poetischer
Begabung und plastischen Formensinns innewohnt, wie sie nur wenigen verliehen
wurde. -- In der Art seiner Auffassung und Zeichnung überall Michel Angelo'sche
Einflüsse verrathend, die er mit der Antike auf eine merkwürdige Weise durch
seiue eigentlich keiner bestimmten Zeit noch Nation angehörenden, aller Indivi-
dualisirung entsagenden Gestalten zu vereinen weiß, entwickelt er eine dämonische
Macht in der Erfindung seiner dem romantische" Gebiete angehörenden, eine Fülle
der schönsten Anschauungen in dem des griechischen Göttermythus entnommenen
Stoffen; hat man erst gewagt, sich ihm anzuvertrauen und das oft Abstoßende
seiner Productionen zu übertragen, so führt er uns in eine gänzlich neue origi¬
nelle Welt, die nichts mit der irgend eines jetzt existirenden Künstlers gemein hat,
so entschieden und wohlthätig er auch auf viele derselben eingewirkt. -- In Al¬
lem, was er macht, beurkundet sich jener große Blick deö ächten Historienmalers,
der überall das Zufällige vom Wesentlichen zu trennen und uns das letztere,


darf. — Letzterer ist, wie bei der Schule überhaupt, so auch bei Schmorr nicht
zu finden, so wenig, als eine gründlich durchgebildete Modclliruug, zu der es
die Eile, mit der die Arbeit durch den König meist betrieben wurde, niemals
kommen ließ.

Am meisten findet mau sie noch bei Heinrich Heß entwickelt, demjenigen
Meister der Schule, der seiue künstlerischen Eigenschaften am meisten in ein schö¬
nes wohlthuendes Gleichgewicht zu bringen und damit vortreffliche Resultate zu
erzielen gewußt hat. — So sind denn aus dessen Malereien in der Hoscapelle,
noch mehr aber aus denen der Basilica Werke geworden, in denen sich die tech¬
nischen Fortschritte der Schule am meisten bemerkbar machen, die einen schonen,
wahren, ja edlen Eindruck überall machen müssen, wenn man in ihnen eine her¬
vortretende Eigenthümlichkeit auch am wenigsten finden mag. — Eine höchst
ehrenwerthe hausbackene Tüchtigkeit ist es, die uns aus den Werken dieses Ma¬
lers anspricht, innig ohne Schwung, edel ohne groß, trefflich ohne blendend,
wahr ohne gerade sehr individuell in der Auffassung oder eigenthümlich in der
Darstellung zu sein. — Besonders rühmenswerth ist sein Kolorit. In der Hos¬
capelle noch etwas schwarze Schatten zeigend, steigerte er dasselbe in der Basilica
zu einer höchst wohlthuenden Klarheit und Harmonie, wie sie außer ihm und
seinem vortrefflichen Genossen Schrandolph keiner der andern Meister erreichte,
sodaß die Schule ihm nach dieser Seite hin einen entschiedenen Fortschritt ver¬
dankt, der jüngere Meister wie Kaulbach und Schrandolph nur eine feinere und
gründlichere Durchbildung der Mvdelliruug und Rundung der Gestalten beizufügen
brauchten, um ihr Alles zu geben, dessen Mangel ihr vorzugsweise noch mit
Recht vorgeworfen werden kann. —

Aller dieser technischen Ausbildung entbehrend, welche Haß zu so großem
Verdienste gereicht, muß Bonaventura Genelli doch zu den genialsten, eigen¬
thümlichsten Künstlern unserer Zeit gerechnet werden, weil ihm eine Fülle poetischer
Begabung und plastischen Formensinns innewohnt, wie sie nur wenigen verliehen
wurde. — In der Art seiner Auffassung und Zeichnung überall Michel Angelo'sche
Einflüsse verrathend, die er mit der Antike auf eine merkwürdige Weise durch
seiue eigentlich keiner bestimmten Zeit noch Nation angehörenden, aller Indivi-
dualisirung entsagenden Gestalten zu vereinen weiß, entwickelt er eine dämonische
Macht in der Erfindung seiner dem romantische» Gebiete angehörenden, eine Fülle
der schönsten Anschauungen in dem des griechischen Göttermythus entnommenen
Stoffen; hat man erst gewagt, sich ihm anzuvertrauen und das oft Abstoßende
seiner Productionen zu übertragen, so führt er uns in eine gänzlich neue origi¬
nelle Welt, die nichts mit der irgend eines jetzt existirenden Künstlers gemein hat,
so entschieden und wohlthätig er auch auf viele derselben eingewirkt. — In Al¬
lem, was er macht, beurkundet sich jener große Blick deö ächten Historienmalers,
der überall das Zufällige vom Wesentlichen zu trennen und uns das letztere,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/512>, abgerufen am 29.06.2024.