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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Mein Muth ist so unerschütterlich, wie eine unsrer Mauern. Ich trotze allem
Eurem Witz! Erfindet neue Qualen, meine Sündhaftigkeit spricht ihnen Hohn."

Die Regierung gab die Hoffnung ans, auf diesem Wege neue Entdeckungen
zu machen, und beschloß, die Strafe an den Opfern, die in ihre Hand gefallen,
zu vollstrecke". Es waren, außer den drei Obengenannten, noch ZI, die meistens
nur als Freunde und Verwandte der Verschworenen verdächtig waren, und so
mit in ihr Schicksal verwickelt wurden. Sieben davon waren Frauen, und na¬
türlich befand sich Tschuja'ö Gattin unter den Opfern. In einem langen Zuge
wurden sie zum Tode geführt, und als sie auf dem Hinrichtnngsplatze ankamen,
drängte sich ein zwei kostbare Schwerter tragender Maun durch die Menge und
redete den mit der Beaufsichtigung der Hinrichtung beauftragten Richter folgender¬
maßen an: "Ich bin Sibata-Sabrobe, der Freund Tschuja'ö und Ziositz's. Da
ich weit entfernt von hier wohne, habe ich erst vor Kurzem von ihrer Verschwö¬
rung gehört, und bin sofort nach Jeddo geeilt. Bis jetzt habe ich mich verborgen
gehalten, in der Hoffnung, der Sjvguu werde in seiner Gnade Tschuja verzeihen;
da er aber jetzt sterben soll, so bin ich gekommen, um ihn zu umarmen, und,
wenn es sein muß, mit ihm den Tod zu leiden." "Du bist ein edler Mann,"
gab der Richter zur Antwort "und ich wollte, alle Welt wäre wie dn. Ich brauche
nicht erst des Statthalters von Jeddo Erlaubniß abzuwarten, um deine Bitte zu
gewähren; du kannst Tschuja Gesellschaft leisten."

Die beiden Freunde sprachen eine Zeit lang ungestört mit einander; dann
holte Sibata einen Krug Saki, den er mitgebracht, und sie tranken sich darin
zum Abschied zu. Beide weinten. Tschuja dankte seinem Freunde mit großer
Innigkeit, daß er noch einmal gekommen, ihn zu sehen. Sibata erwiderte:
"Unser irdischer Körper gleicht der prächtigen Blume Asagawa, die mit Tagesgrauen
aufblühe, und so wie die Souue aufgeht, verwelkt; oder der Eintagsfliege No-
gero. Aber nach dem Tode werden wir uns in einer bessern Welt wiederfinden,
wo wir uns nie wieder trennen." Darauf stand er auf, verließ Tschuja, und
dankte dem Richter für seine Nachsicht.

Die Gefangenen wurden nun an Kreuze geheftet, und dnrch Bauchaufschlitzen
hingerichtet. Aber auch die Frauen starben mit der größten Standhaftigkeit.
Als sie ausgelitten, trat Sibata abermals vor den Richter und bot ihm seiue
beiden Schwerter mit den Worten dar: "Dir bin ich Dank schuldig für die
Unterredung mit meinem Hingeschiedenen Freunde; und ich fordere Dich jetzt auf,
.mich bei dem Sjogun anzuklagen, damit ich wie Tschuja den Tod leide." --
"Verhüten die Götter, daß ich solches thue!" rief der Angeredete aus. "Du
verdienst ein besseres Schicksal, denn während alle seine andern Freunde nur für
ihre Sicherheit sorgten und sich versteckt hielten, meldest Du Dich kühn, um ihn
zum Abschied zu umarmen."

Das Schicksal eures andern der dieser Verschwörung Verdächtigen, giebt


Mein Muth ist so unerschütterlich, wie eine unsrer Mauern. Ich trotze allem
Eurem Witz! Erfindet neue Qualen, meine Sündhaftigkeit spricht ihnen Hohn."

Die Regierung gab die Hoffnung ans, auf diesem Wege neue Entdeckungen
zu machen, und beschloß, die Strafe an den Opfern, die in ihre Hand gefallen,
zu vollstrecke». Es waren, außer den drei Obengenannten, noch ZI, die meistens
nur als Freunde und Verwandte der Verschworenen verdächtig waren, und so
mit in ihr Schicksal verwickelt wurden. Sieben davon waren Frauen, und na¬
türlich befand sich Tschuja'ö Gattin unter den Opfern. In einem langen Zuge
wurden sie zum Tode geführt, und als sie auf dem Hinrichtnngsplatze ankamen,
drängte sich ein zwei kostbare Schwerter tragender Maun durch die Menge und
redete den mit der Beaufsichtigung der Hinrichtung beauftragten Richter folgender¬
maßen an: „Ich bin Sibata-Sabrobe, der Freund Tschuja'ö und Ziositz's. Da
ich weit entfernt von hier wohne, habe ich erst vor Kurzem von ihrer Verschwö¬
rung gehört, und bin sofort nach Jeddo geeilt. Bis jetzt habe ich mich verborgen
gehalten, in der Hoffnung, der Sjvguu werde in seiner Gnade Tschuja verzeihen;
da er aber jetzt sterben soll, so bin ich gekommen, um ihn zu umarmen, und,
wenn es sein muß, mit ihm den Tod zu leiden." „Du bist ein edler Mann,"
gab der Richter zur Antwort „und ich wollte, alle Welt wäre wie dn. Ich brauche
nicht erst des Statthalters von Jeddo Erlaubniß abzuwarten, um deine Bitte zu
gewähren; du kannst Tschuja Gesellschaft leisten."

Die beiden Freunde sprachen eine Zeit lang ungestört mit einander; dann
holte Sibata einen Krug Saki, den er mitgebracht, und sie tranken sich darin
zum Abschied zu. Beide weinten. Tschuja dankte seinem Freunde mit großer
Innigkeit, daß er noch einmal gekommen, ihn zu sehen. Sibata erwiderte:
„Unser irdischer Körper gleicht der prächtigen Blume Asagawa, die mit Tagesgrauen
aufblühe, und so wie die Souue aufgeht, verwelkt; oder der Eintagsfliege No-
gero. Aber nach dem Tode werden wir uns in einer bessern Welt wiederfinden,
wo wir uns nie wieder trennen." Darauf stand er auf, verließ Tschuja, und
dankte dem Richter für seine Nachsicht.

Die Gefangenen wurden nun an Kreuze geheftet, und dnrch Bauchaufschlitzen
hingerichtet. Aber auch die Frauen starben mit der größten Standhaftigkeit.
Als sie ausgelitten, trat Sibata abermals vor den Richter und bot ihm seiue
beiden Schwerter mit den Worten dar: „Dir bin ich Dank schuldig für die
Unterredung mit meinem Hingeschiedenen Freunde; und ich fordere Dich jetzt auf,
.mich bei dem Sjogun anzuklagen, damit ich wie Tschuja den Tod leide." —
„Verhüten die Götter, daß ich solches thue!" rief der Angeredete aus. „Du
verdienst ein besseres Schicksal, denn während alle seine andern Freunde nur für
ihre Sicherheit sorgten und sich versteckt hielten, meldest Du Dich kühn, um ihn
zum Abschied zu umarmen."

Das Schicksal eures andern der dieser Verschwörung Verdächtigen, giebt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/509>, abgerufen am 01.07.2024.