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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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bis zur Thronbesteigung von Gongens Urenkel, Minamoto-no-jeje-mitsu, <e!51,
wo er die Stelle eines Befehlshabers der Pikeniere Jorinobos, des neuen Sjoguns
Onkel, erbiete. Jetzt glaubte Tschuja die Gelegenheit zur Rache ergreifen zu
müssen. Er verschwor sich mit Ziositz, dem ehemaligen Lehrer Jorinobos, das
ganze Geschlecht GongenS auszurotten, und das Reich zwischen sich und Ziositz
zu theilen. Die Verschwörung hatte schon zahlreiche Anhänger gesunden, als
Tschnjci, der seine Rachepläne fast 30 Jahre in seinem Busen bewahrt hatte,
sich durch eine Unvorsichtigkeit verrieth, und der Sjogun Befehl ertheilte die
beiden Hauptverschwörer wo möglich lebendig zu verhaften, um weitere Bekennt¬
nisse von ihnen zu erpressen. Eo gelang bei Tschuja, der in Jeddo wohnte.
Man machte vor seiner Thür Fcueilärm, und als er heraustrat, wurde er über¬
fallen, und nach hartnäckiger Gegenwehr, -- er tödtete zwei der Häscher, --
überwältigt. Seine Gattin hörte den Lärm, ahnte die Ursache, und beeilte sich
die Papiere ihres Mannes, die viele Fürsten und andere Vornehme des Landes
in der Verschwörung compromittirten, zu verbrennen. Ihre Geistesgegenwart
wird jetzt noch in Japan bewundert, und will man einem geistesstarken Weibe
eine ganz besondere Ehre erweisen, so vergleicht man es mit Tschuja's Gattin.
Glücklicher als Tschuja entging Zivsitz der Verhaftung durch das gewöhnliche Mittel
des Selbstmords; aber zwei seiner Freunde, Jkejemon und Fatsijcmon, wurden
festgenommen und verhört. Sie erkannten bereitwillig ihre Theilnahme an einer
Verschwörung an, die sie für ruhmvoll hielten, weigerten sich aber, Teilnehmer
zu nennen. Nun wurden sie Foltern unterworfen, deren Beschreibung die Haut
schaudern macht, über die wir aber nicht mit Stillschweigen hinweg gehen dürfen,
wenn wir einen richtigen Begriff von der Sündhaftigkeit und der Wildheit des
japanesischen Charakters geben wollen.

Zuerst überklebte man Tschuja, Jkejemon und Fatsijemon mit feuchtem Thon
und legte sie dann ans heiße Asche, bis der sich durch das Trocknen zusammenziehende
Thon das Fleisch mit zahllose" Wunden zerriß. Kein Einziger verzog eine Miene, und
Fatsijemon, der wie ein Mohawk unter den Händen blutdürstiger Irokesen seine
Peiniger verhöhnte, sagte: "Ich habe eine lange Reise gemacht, und die Wärme
ist gut für meine Gesundheit; meine Gelenke werden dadurch geschmeidiger, und
meine Glieder gewandter." Da diese Marter ihren Zweck nicht erreichte, machte
man Jedem einen 8 Zoll langen Einschnitt in den Rücken, und goß siedendes
Kupfer hinein, und nach dem Erkalten grub man dieses Kupfer wieder aus, so
daß es das daran hängenbleibende Fleisch mit wegriß. Auch dadurch ließ sich die
Standhaftigkeit der Opfer nicht erschüttern. Fatsijemon nannte die Tortur eine
neue Art Moxa, eine von den japanesischen Aerzten angewendete Cantesirungs-
methode; und Tschuja sagte zu dem Richter, der ihn aufforderte, weitere Qualen
sich durch Nennung seiner Mitschuldigen zu ersparen: "Kaum war ich nenn Jahr
alt, so beschloß ich meinen Vater zu rächen, und mich des Thrones zu bemächtigen.


bis zur Thronbesteigung von Gongens Urenkel, Minamoto-no-jeje-mitsu, <e!51,
wo er die Stelle eines Befehlshabers der Pikeniere Jorinobos, des neuen Sjoguns
Onkel, erbiete. Jetzt glaubte Tschuja die Gelegenheit zur Rache ergreifen zu
müssen. Er verschwor sich mit Ziositz, dem ehemaligen Lehrer Jorinobos, das
ganze Geschlecht GongenS auszurotten, und das Reich zwischen sich und Ziositz
zu theilen. Die Verschwörung hatte schon zahlreiche Anhänger gesunden, als
Tschnjci, der seine Rachepläne fast 30 Jahre in seinem Busen bewahrt hatte,
sich durch eine Unvorsichtigkeit verrieth, und der Sjogun Befehl ertheilte die
beiden Hauptverschwörer wo möglich lebendig zu verhaften, um weitere Bekennt¬
nisse von ihnen zu erpressen. Eo gelang bei Tschuja, der in Jeddo wohnte.
Man machte vor seiner Thür Fcueilärm, und als er heraustrat, wurde er über¬
fallen, und nach hartnäckiger Gegenwehr, — er tödtete zwei der Häscher, —
überwältigt. Seine Gattin hörte den Lärm, ahnte die Ursache, und beeilte sich
die Papiere ihres Mannes, die viele Fürsten und andere Vornehme des Landes
in der Verschwörung compromittirten, zu verbrennen. Ihre Geistesgegenwart
wird jetzt noch in Japan bewundert, und will man einem geistesstarken Weibe
eine ganz besondere Ehre erweisen, so vergleicht man es mit Tschuja's Gattin.
Glücklicher als Tschuja entging Zivsitz der Verhaftung durch das gewöhnliche Mittel
des Selbstmords; aber zwei seiner Freunde, Jkejemon und Fatsijcmon, wurden
festgenommen und verhört. Sie erkannten bereitwillig ihre Theilnahme an einer
Verschwörung an, die sie für ruhmvoll hielten, weigerten sich aber, Teilnehmer
zu nennen. Nun wurden sie Foltern unterworfen, deren Beschreibung die Haut
schaudern macht, über die wir aber nicht mit Stillschweigen hinweg gehen dürfen,
wenn wir einen richtigen Begriff von der Sündhaftigkeit und der Wildheit des
japanesischen Charakters geben wollen.

Zuerst überklebte man Tschuja, Jkejemon und Fatsijemon mit feuchtem Thon
und legte sie dann ans heiße Asche, bis der sich durch das Trocknen zusammenziehende
Thon das Fleisch mit zahllose» Wunden zerriß. Kein Einziger verzog eine Miene, und
Fatsijemon, der wie ein Mohawk unter den Händen blutdürstiger Irokesen seine
Peiniger verhöhnte, sagte: „Ich habe eine lange Reise gemacht, und die Wärme
ist gut für meine Gesundheit; meine Gelenke werden dadurch geschmeidiger, und
meine Glieder gewandter." Da diese Marter ihren Zweck nicht erreichte, machte
man Jedem einen 8 Zoll langen Einschnitt in den Rücken, und goß siedendes
Kupfer hinein, und nach dem Erkalten grub man dieses Kupfer wieder aus, so
daß es das daran hängenbleibende Fleisch mit wegriß. Auch dadurch ließ sich die
Standhaftigkeit der Opfer nicht erschüttern. Fatsijemon nannte die Tortur eine
neue Art Moxa, eine von den japanesischen Aerzten angewendete Cantesirungs-
methode; und Tschuja sagte zu dem Richter, der ihn aufforderte, weitere Qualen
sich durch Nennung seiner Mitschuldigen zu ersparen: „Kaum war ich nenn Jahr
alt, so beschloß ich meinen Vater zu rächen, und mich des Thrones zu bemächtigen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/508>, abgerufen am 04.07.2024.