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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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ein schönes Beispiel von der hingebenden Treue der Japanesen. Seit der Ver¬
nichtung von Tschuja's Papieren fehlte es an allen schriftlichen Beweisen gegen
die Theilnahme an dem Complott; aber der Umstand, daß Ziositz, der eine so
wichtige Rolle dabei spielen sollte, Lehrer, und Tschuja Officier des Jorinobo
gewesen, mußte diesen Fürsten bei dem argwöhnischen Sjogun verdächtig machen.
Man fing eine Untersuchung gegen ihn an, ohne zu einem Ziel zu kommen, als
sein Secretair Karmofejemon mit der Erklärung hervortrat, daß er allein von
dem ganzen Haushalt des Fürsten in die Verschwörung eingeweiht sei; zur Bestätigung
seiner Aussage schlitzte er sich den Bauch auf. Die Folge dieser Selbstaufopferung
war, daß Jorinobo, obgleich immer noch verdächtig, unangefochten am Hofe von
Jeddo blieb; und daß ein verdächtiger Fürst so durchkommen kann, zeigt, wie
sehr der japanesische Despotismus dnrch Gesetz und Herkommen beschränkt ist.
Einige Generationen später wurde Josimorim, ein Nachkömmling Joriuobo's,
Sjogun, und legte die Dankbarkeit seiner Familie für die Rettung ihres Uhus da¬
durch an den Tag, daß er die Nachkommen Karmofejemon's zu den höchsten
Würden des Staats erhob, und letztere in der Familie erblich machte.

Schließlich noch ein Beispiel von mechanischem Genie bei einem ungebildeten
Japanesen, welches zugleich zeigt, daß die die einzelnen Rangklassen trennenden
Grenzen doch zuweilen zu überschreiten sind. Als zu Anfang dieses Jahrhunderts
die englischen Kreuzer den holländischen Schiffen den Verkehr mit Japan zu ge¬
fährlich machten, engagirten die Holländer amerikanische Schiffe, um durch die
neutrale Flagge ihre Waare zu decken. Eines derselben, mit Kupfer und Kampher
beladen, wollte Nachts den Hafen von Nangasaki verlassen, rannte aber ans einem
Felsen ans, wurde leck und versank. Die Mannschaft kam glücklich an's Land,
und der amerikanische Capitän, die holländische Faktorei und die Behörde von
Nangasaki gingen nun zu Rathe, wie das Schiff wieder herauszubringen sei.

"Zuerst faßte man den Plan," erzählt Doeff, "dnrch japanesische Taucher das
Kupfer heraufholen zu lassen; aber das einströmende Wasser hatte den Kampher
geschmolzen und die dadurch entbundenen erstickenden Dünste kosteten zwei Tauchern
das Leben. Der Versuch, das Schiff zu erleichtern, mußte aufgegeben werden, und
jeder Versuch, es ohne Entladung herauszuheben, war fehlgeschlagen, als ein ein¬
facher Fischer aus dem Fürstenthum Fizen, Namens Kijemon, es gegen Wieder¬
erstattung der Auslagen zu thun versprach; wenn es ihm nicht gelänge, wollte er
nichts haben. Die Leute lachten den Mann aus, der vielleicht jetzt zum ersten
Male ein europäisches Schiff sah; aber er ließ sich nicht irre machen. Er befestigte
auf beiden Seiten des gesunkenen Schiffes 15 oder 16 Bugsirboote, und verband
sie unter einander mit Stützen und Balken. Dann bei günstiger Springfluth
kam er selbst mit einem japanesischen Handelsfahrzeng, das er auf ähnliche Weise
am Hintertheil des gesunkenen Schiffes befestigte, und setzte im Augenblick der
höchsten Fluth jedes Segel auf jedem Boote bei. Der schwerbeladene Kauffahrer


ein schönes Beispiel von der hingebenden Treue der Japanesen. Seit der Ver¬
nichtung von Tschuja's Papieren fehlte es an allen schriftlichen Beweisen gegen
die Theilnahme an dem Complott; aber der Umstand, daß Ziositz, der eine so
wichtige Rolle dabei spielen sollte, Lehrer, und Tschuja Officier des Jorinobo
gewesen, mußte diesen Fürsten bei dem argwöhnischen Sjogun verdächtig machen.
Man fing eine Untersuchung gegen ihn an, ohne zu einem Ziel zu kommen, als
sein Secretair Karmofejemon mit der Erklärung hervortrat, daß er allein von
dem ganzen Haushalt des Fürsten in die Verschwörung eingeweiht sei; zur Bestätigung
seiner Aussage schlitzte er sich den Bauch auf. Die Folge dieser Selbstaufopferung
war, daß Jorinobo, obgleich immer noch verdächtig, unangefochten am Hofe von
Jeddo blieb; und daß ein verdächtiger Fürst so durchkommen kann, zeigt, wie
sehr der japanesische Despotismus dnrch Gesetz und Herkommen beschränkt ist.
Einige Generationen später wurde Josimorim, ein Nachkömmling Joriuobo's,
Sjogun, und legte die Dankbarkeit seiner Familie für die Rettung ihres Uhus da¬
durch an den Tag, daß er die Nachkommen Karmofejemon's zu den höchsten
Würden des Staats erhob, und letztere in der Familie erblich machte.

Schließlich noch ein Beispiel von mechanischem Genie bei einem ungebildeten
Japanesen, welches zugleich zeigt, daß die die einzelnen Rangklassen trennenden
Grenzen doch zuweilen zu überschreiten sind. Als zu Anfang dieses Jahrhunderts
die englischen Kreuzer den holländischen Schiffen den Verkehr mit Japan zu ge¬
fährlich machten, engagirten die Holländer amerikanische Schiffe, um durch die
neutrale Flagge ihre Waare zu decken. Eines derselben, mit Kupfer und Kampher
beladen, wollte Nachts den Hafen von Nangasaki verlassen, rannte aber ans einem
Felsen ans, wurde leck und versank. Die Mannschaft kam glücklich an's Land,
und der amerikanische Capitän, die holländische Faktorei und die Behörde von
Nangasaki gingen nun zu Rathe, wie das Schiff wieder herauszubringen sei.

„Zuerst faßte man den Plan," erzählt Doeff, „dnrch japanesische Taucher das
Kupfer heraufholen zu lassen; aber das einströmende Wasser hatte den Kampher
geschmolzen und die dadurch entbundenen erstickenden Dünste kosteten zwei Tauchern
das Leben. Der Versuch, das Schiff zu erleichtern, mußte aufgegeben werden, und
jeder Versuch, es ohne Entladung herauszuheben, war fehlgeschlagen, als ein ein¬
facher Fischer aus dem Fürstenthum Fizen, Namens Kijemon, es gegen Wieder¬
erstattung der Auslagen zu thun versprach; wenn es ihm nicht gelänge, wollte er
nichts haben. Die Leute lachten den Mann aus, der vielleicht jetzt zum ersten
Male ein europäisches Schiff sah; aber er ließ sich nicht irre machen. Er befestigte
auf beiden Seiten des gesunkenen Schiffes 15 oder 16 Bugsirboote, und verband
sie unter einander mit Stützen und Balken. Dann bei günstiger Springfluth
kam er selbst mit einem japanesischen Handelsfahrzeng, das er auf ähnliche Weise
am Hintertheil des gesunkenen Schiffes befestigte, und setzte im Augenblick der
höchsten Fluth jedes Segel auf jedem Boote bei. Der schwerbeladene Kauffahrer


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[0510] ein schönes Beispiel von der hingebenden Treue der Japanesen. Seit der Ver¬ nichtung von Tschuja's Papieren fehlte es an allen schriftlichen Beweisen gegen die Theilnahme an dem Complott; aber der Umstand, daß Ziositz, der eine so wichtige Rolle dabei spielen sollte, Lehrer, und Tschuja Officier des Jorinobo gewesen, mußte diesen Fürsten bei dem argwöhnischen Sjogun verdächtig machen. Man fing eine Untersuchung gegen ihn an, ohne zu einem Ziel zu kommen, als sein Secretair Karmofejemon mit der Erklärung hervortrat, daß er allein von dem ganzen Haushalt des Fürsten in die Verschwörung eingeweiht sei; zur Bestätigung seiner Aussage schlitzte er sich den Bauch auf. Die Folge dieser Selbstaufopferung war, daß Jorinobo, obgleich immer noch verdächtig, unangefochten am Hofe von Jeddo blieb; und daß ein verdächtiger Fürst so durchkommen kann, zeigt, wie sehr der japanesische Despotismus dnrch Gesetz und Herkommen beschränkt ist. Einige Generationen später wurde Josimorim, ein Nachkömmling Joriuobo's, Sjogun, und legte die Dankbarkeit seiner Familie für die Rettung ihres Uhus da¬ durch an den Tag, daß er die Nachkommen Karmofejemon's zu den höchsten Würden des Staats erhob, und letztere in der Familie erblich machte. Schließlich noch ein Beispiel von mechanischem Genie bei einem ungebildeten Japanesen, welches zugleich zeigt, daß die die einzelnen Rangklassen trennenden Grenzen doch zuweilen zu überschreiten sind. Als zu Anfang dieses Jahrhunderts die englischen Kreuzer den holländischen Schiffen den Verkehr mit Japan zu ge¬ fährlich machten, engagirten die Holländer amerikanische Schiffe, um durch die neutrale Flagge ihre Waare zu decken. Eines derselben, mit Kupfer und Kampher beladen, wollte Nachts den Hafen von Nangasaki verlassen, rannte aber ans einem Felsen ans, wurde leck und versank. Die Mannschaft kam glücklich an's Land, und der amerikanische Capitän, die holländische Faktorei und die Behörde von Nangasaki gingen nun zu Rathe, wie das Schiff wieder herauszubringen sei. „Zuerst faßte man den Plan," erzählt Doeff, „dnrch japanesische Taucher das Kupfer heraufholen zu lassen; aber das einströmende Wasser hatte den Kampher geschmolzen und die dadurch entbundenen erstickenden Dünste kosteten zwei Tauchern das Leben. Der Versuch, das Schiff zu erleichtern, mußte aufgegeben werden, und jeder Versuch, es ohne Entladung herauszuheben, war fehlgeschlagen, als ein ein¬ facher Fischer aus dem Fürstenthum Fizen, Namens Kijemon, es gegen Wieder¬ erstattung der Auslagen zu thun versprach; wenn es ihm nicht gelänge, wollte er nichts haben. Die Leute lachten den Mann aus, der vielleicht jetzt zum ersten Male ein europäisches Schiff sah; aber er ließ sich nicht irre machen. Er befestigte auf beiden Seiten des gesunkenen Schiffes 15 oder 16 Bugsirboote, und verband sie unter einander mit Stützen und Balken. Dann bei günstiger Springfluth kam er selbst mit einem japanesischen Handelsfahrzeng, das er auf ähnliche Weise am Hintertheil des gesunkenen Schiffes befestigte, und setzte im Augenblick der höchsten Fluth jedes Segel auf jedem Boote bei. Der schwerbeladene Kauffahrer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/510>, abgerufen am 27.12.2024.