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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Adelbert Stifter"

Als ein sehr elegant ausgestattetes Festgeschenk liege" uns zwei Bände
"Bunte Steine" von Adelbert Stifter vor (Pesth, bei Heckenast. Leipzig, bei
G. Wigand). Da wir bis jetzt auf diesen Dichter uoch nicht gekommen sind, so
ergreife" wir diese Gelegenheit, unsre Ansicht über deu Inhalt seines Talents
auszusprechen.

Die gegenwärtigen beiden Bände unterscheiden sich nur dem Titel "ach von
den sechs Bänden Studie", die früher von demselben Dichter erschiene" sind.
Der Titel ist ganz zufällig, oder wenn um" will, ans einer Caprice gewählt.
Zum Anfang jeder Erzählung, oder doch der meisten unter ihnen, werde" el"
Paar Bemerkungen über eine bestimmte Steingattnng gemacht und dann vermittelst
einer ganz beliebigen Ideenassociation eine mehr oder minder zusammenhängende
Begebenheit daran geknüpft. Dieses Motiv ist also ein ganz äußerliches, in der
eigentlichen Methode der Conception habe" wir die alte" Studien. In der
Bvrredc spricht sich Adelbert Stifter sehr schon darüber aus, daß man sowol in
der Betrachtung der Natur, als in der Auffassung der geschichtlichen Welt einen
ganz willkürlichen Unterschied zwischen groß nud klein macht, daß in dem nnschciw
baren Wachsen eines Grashalms sich eben so mächtig die schöpferische Kraft der
Natur entwickelt, als in einem furchtbaren Gewitter, daß die anspruchslosen Motive
einer stillen Seele eben so den Proceß des Geistes veranschaulichen, als der große
Entschluß eiuer heldenhaften Natur, daß, wen" wir diese Erscheiinmgen i" das
auflösen, was doch für de" Geist allein das Bleibende ist, in ihr Gesetz, die eine
Erscheinung für uns so fruchtbar sein muß wie die andere. Er macht darauf
aufmerksam, daß für den Unkundige" die Beobachtungen von den Abweichungen
der Magnetnadel, die an vielen Orten zu gleicher Zeit stattfinden, auch einen
sehr kleinlichen Eindruck macheu würden, während doch dieser heimlich wirkende
Fleiß allein im Stande ist, die großen Siege zu vermitteln, die der menschliche
Geist über die Natur davon getragen hat. Das ist sehr schön empfunden, und


Grenzten, i. iW. 6
Adelbert Stifter»

Als ein sehr elegant ausgestattetes Festgeschenk liege» uns zwei Bände
„Bunte Steine" von Adelbert Stifter vor (Pesth, bei Heckenast. Leipzig, bei
G. Wigand). Da wir bis jetzt auf diesen Dichter uoch nicht gekommen sind, so
ergreife» wir diese Gelegenheit, unsre Ansicht über deu Inhalt seines Talents
auszusprechen.

Die gegenwärtigen beiden Bände unterscheiden sich nur dem Titel »ach von
den sechs Bänden Studie«, die früher von demselben Dichter erschiene» sind.
Der Titel ist ganz zufällig, oder wenn um» will, ans einer Caprice gewählt.
Zum Anfang jeder Erzählung, oder doch der meisten unter ihnen, werde» el»
Paar Bemerkungen über eine bestimmte Steingattnng gemacht und dann vermittelst
einer ganz beliebigen Ideenassociation eine mehr oder minder zusammenhängende
Begebenheit daran geknüpft. Dieses Motiv ist also ein ganz äußerliches, in der
eigentlichen Methode der Conception habe» wir die alte» Studien. In der
Bvrredc spricht sich Adelbert Stifter sehr schon darüber aus, daß man sowol in
der Betrachtung der Natur, als in der Auffassung der geschichtlichen Welt einen
ganz willkürlichen Unterschied zwischen groß nud klein macht, daß in dem nnschciw
baren Wachsen eines Grashalms sich eben so mächtig die schöpferische Kraft der
Natur entwickelt, als in einem furchtbaren Gewitter, daß die anspruchslosen Motive
einer stillen Seele eben so den Proceß des Geistes veranschaulichen, als der große
Entschluß eiuer heldenhaften Natur, daß, wen» wir diese Erscheiinmgen i» das
auflösen, was doch für de» Geist allein das Bleibende ist, in ihr Gesetz, die eine
Erscheinung für uns so fruchtbar sein muß wie die andere. Er macht darauf
aufmerksam, daß für den Unkundige» die Beobachtungen von den Abweichungen
der Magnetnadel, die an vielen Orten zu gleicher Zeit stattfinden, auch einen
sehr kleinlichen Eindruck macheu würden, während doch dieser heimlich wirkende
Fleiß allein im Stande ist, die großen Siege zu vermitteln, die der menschliche
Geist über die Natur davon getragen hat. Das ist sehr schön empfunden, und


Grenzten, i. iW. 6
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[0049] Adelbert Stifter» Als ein sehr elegant ausgestattetes Festgeschenk liege» uns zwei Bände „Bunte Steine" von Adelbert Stifter vor (Pesth, bei Heckenast. Leipzig, bei G. Wigand). Da wir bis jetzt auf diesen Dichter uoch nicht gekommen sind, so ergreife» wir diese Gelegenheit, unsre Ansicht über deu Inhalt seines Talents auszusprechen. Die gegenwärtigen beiden Bände unterscheiden sich nur dem Titel »ach von den sechs Bänden Studie«, die früher von demselben Dichter erschiene» sind. Der Titel ist ganz zufällig, oder wenn um» will, ans einer Caprice gewählt. Zum Anfang jeder Erzählung, oder doch der meisten unter ihnen, werde» el» Paar Bemerkungen über eine bestimmte Steingattnng gemacht und dann vermittelst einer ganz beliebigen Ideenassociation eine mehr oder minder zusammenhängende Begebenheit daran geknüpft. Dieses Motiv ist also ein ganz äußerliches, in der eigentlichen Methode der Conception habe» wir die alte» Studien. In der Bvrredc spricht sich Adelbert Stifter sehr schon darüber aus, daß man sowol in der Betrachtung der Natur, als in der Auffassung der geschichtlichen Welt einen ganz willkürlichen Unterschied zwischen groß nud klein macht, daß in dem nnschciw baren Wachsen eines Grashalms sich eben so mächtig die schöpferische Kraft der Natur entwickelt, als in einem furchtbaren Gewitter, daß die anspruchslosen Motive einer stillen Seele eben so den Proceß des Geistes veranschaulichen, als der große Entschluß eiuer heldenhaften Natur, daß, wen» wir diese Erscheiinmgen i» das auflösen, was doch für de» Geist allein das Bleibende ist, in ihr Gesetz, die eine Erscheinung für uns so fruchtbar sein muß wie die andere. Er macht darauf aufmerksam, daß für den Unkundige» die Beobachtungen von den Abweichungen der Magnetnadel, die an vielen Orten zu gleicher Zeit stattfinden, auch einen sehr kleinlichen Eindruck macheu würden, während doch dieser heimlich wirkende Fleiß allein im Stande ist, die großen Siege zu vermitteln, die der menschliche Geist über die Natur davon getragen hat. Das ist sehr schön empfunden, und Grenzten, i. iW. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/49>, abgerufen am 24.07.2024.