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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Nationalität, ausgesprochen worden, auch seine Entlassung nicht angenommen
werden könne. '

So endigten die erste" officiellen Berührungen des Prinzen Louis Napoleon
Bonaparte mit der constituirenden Versammlung.

Indem Louis Napoleon auf seine dreifache Macht verzichtete, scheinbar den
Wünschen der Nationalversammlung sich fügend, zog er einen beträchtlichen Vor¬
theil aus dem Conflicte, der so eben entstanden war. Seine anscheinende Mäßigung
vergrößerte ihn in der öffentlichen Meinung, was nicht verhinderte, daß er in den
Augen des Volkes das Princip der Natioualsouveraiuetät selbst personifizirte,
welches die Volksvertreter zu mißkennen schienen. Seit jenem Tage gab er den
unbestimmten Anstrengungen, welche die Revolution durch unbekannte Hände machte,
sich den ihr entgegengestellten Hindernissen zu entwinden, einen Namen, einen
glänzenden Namen. Er absorbirte in sich, er verkörperte so zu sagen dieses Ideal
revolutionärer Dictatur, das eine noch ungebildete, lärmende, unvernünftige und
leidenschaftliche Demokratie den freiheitlichen Regierungen vorzieht.

Die verständige und thätige Bourgeoisie fühlte dies dunkel, und wir werden
sie auch mit richtigem Jnstincte sich um den General Cavaignac drängen sehen,
versuchend, die revolutionäre Bewegung bei einer gemäßigten Republik zum Halte
zu bringe". Aber die reiche, emporgekommene Bourgeoisie, welche deu politischen
Jnstinct verloren, die Parteien in.der Nationalversammlung, welche Fragen des
persönlichen Interesses gsepaltcu, die realistischen Fractionen, welche durch kleinlichen
Groll blind gemacht sind und deren Eitelkeit vor Allem das endliche Zustandekommen
der republikanischen Regierung fürchtet, werden sich ohne Ueberlegung auf Louis
Bonaparte's Seite werfen, das heißt auf die Seite ihres historischen, ihres ge¬
fährlichsten, nnversönlichstcn Feindes werfen.

N. S. des Berichterstatters:

Dieses Capitel aus der Geschichte Louis Bonaparte's scheint uns um so mehr die
Aufmerksamkeit des denkenden Lesers zu verdiene" als es bisher weniger gewürdigt
worden, u"d als der Kaiser uuserer Mai"n"g nach die im Mai und Juni vom "einfachen
Bürger" befolgte Politik nächstens als Napoleon III . in den Jahren 18.. und -18..
auf einem andern Terrain wiederholen wird, so wie der Kandidat der Präsident¬
schaft, der Präsident der Republik und der prinzpräsidcntliche Dictator des zweiten
Decembers auch ganz derselben Taktik gehuldigt hat.




Nationalität, ausgesprochen worden, auch seine Entlassung nicht angenommen
werden könne. '

So endigten die erste» officiellen Berührungen des Prinzen Louis Napoleon
Bonaparte mit der constituirenden Versammlung.

Indem Louis Napoleon auf seine dreifache Macht verzichtete, scheinbar den
Wünschen der Nationalversammlung sich fügend, zog er einen beträchtlichen Vor¬
theil aus dem Conflicte, der so eben entstanden war. Seine anscheinende Mäßigung
vergrößerte ihn in der öffentlichen Meinung, was nicht verhinderte, daß er in den
Augen des Volkes das Princip der Natioualsouveraiuetät selbst personifizirte,
welches die Volksvertreter zu mißkennen schienen. Seit jenem Tage gab er den
unbestimmten Anstrengungen, welche die Revolution durch unbekannte Hände machte,
sich den ihr entgegengestellten Hindernissen zu entwinden, einen Namen, einen
glänzenden Namen. Er absorbirte in sich, er verkörperte so zu sagen dieses Ideal
revolutionärer Dictatur, das eine noch ungebildete, lärmende, unvernünftige und
leidenschaftliche Demokratie den freiheitlichen Regierungen vorzieht.

Die verständige und thätige Bourgeoisie fühlte dies dunkel, und wir werden
sie auch mit richtigem Jnstincte sich um den General Cavaignac drängen sehen,
versuchend, die revolutionäre Bewegung bei einer gemäßigten Republik zum Halte
zu bringe». Aber die reiche, emporgekommene Bourgeoisie, welche deu politischen
Jnstinct verloren, die Parteien in.der Nationalversammlung, welche Fragen des
persönlichen Interesses gsepaltcu, die realistischen Fractionen, welche durch kleinlichen
Groll blind gemacht sind und deren Eitelkeit vor Allem das endliche Zustandekommen
der republikanischen Regierung fürchtet, werden sich ohne Ueberlegung auf Louis
Bonaparte's Seite werfen, das heißt auf die Seite ihres historischen, ihres ge¬
fährlichsten, nnversönlichstcn Feindes werfen.

N. S. des Berichterstatters:

Dieses Capitel aus der Geschichte Louis Bonaparte's scheint uns um so mehr die
Aufmerksamkeit des denkenden Lesers zu verdiene» als es bisher weniger gewürdigt
worden, u»d als der Kaiser uuserer Mai»n»g nach die im Mai und Juni vom „einfachen
Bürger" befolgte Politik nächstens als Napoleon III . in den Jahren 18.. und -18..
auf einem andern Terrain wiederholen wird, so wie der Kandidat der Präsident¬
schaft, der Präsident der Republik und der prinzpräsidcntliche Dictator des zweiten
Decembers auch ganz derselben Taktik gehuldigt hat.




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[0430] Nationalität, ausgesprochen worden, auch seine Entlassung nicht angenommen werden könne. ' So endigten die erste» officiellen Berührungen des Prinzen Louis Napoleon Bonaparte mit der constituirenden Versammlung. Indem Louis Napoleon auf seine dreifache Macht verzichtete, scheinbar den Wünschen der Nationalversammlung sich fügend, zog er einen beträchtlichen Vor¬ theil aus dem Conflicte, der so eben entstanden war. Seine anscheinende Mäßigung vergrößerte ihn in der öffentlichen Meinung, was nicht verhinderte, daß er in den Augen des Volkes das Princip der Natioualsouveraiuetät selbst personifizirte, welches die Volksvertreter zu mißkennen schienen. Seit jenem Tage gab er den unbestimmten Anstrengungen, welche die Revolution durch unbekannte Hände machte, sich den ihr entgegengestellten Hindernissen zu entwinden, einen Namen, einen glänzenden Namen. Er absorbirte in sich, er verkörperte so zu sagen dieses Ideal revolutionärer Dictatur, das eine noch ungebildete, lärmende, unvernünftige und leidenschaftliche Demokratie den freiheitlichen Regierungen vorzieht. Die verständige und thätige Bourgeoisie fühlte dies dunkel, und wir werden sie auch mit richtigem Jnstincte sich um den General Cavaignac drängen sehen, versuchend, die revolutionäre Bewegung bei einer gemäßigten Republik zum Halte zu bringe». Aber die reiche, emporgekommene Bourgeoisie, welche deu politischen Jnstinct verloren, die Parteien in.der Nationalversammlung, welche Fragen des persönlichen Interesses gsepaltcu, die realistischen Fractionen, welche durch kleinlichen Groll blind gemacht sind und deren Eitelkeit vor Allem das endliche Zustandekommen der republikanischen Regierung fürchtet, werden sich ohne Ueberlegung auf Louis Bonaparte's Seite werfen, das heißt auf die Seite ihres historischen, ihres ge¬ fährlichsten, nnversönlichstcn Feindes werfen. N. S. des Berichterstatters: Dieses Capitel aus der Geschichte Louis Bonaparte's scheint uns um so mehr die Aufmerksamkeit des denkenden Lesers zu verdiene» als es bisher weniger gewürdigt worden, u»d als der Kaiser uuserer Mai»n»g nach die im Mai und Juni vom „einfachen Bürger" befolgte Politik nächstens als Napoleon III . in den Jahren 18.. und -18.. auf einem andern Terrain wiederholen wird, so wie der Kandidat der Präsident¬ schaft, der Präsident der Republik und der prinzpräsidcntliche Dictator des zweiten Decembers auch ganz derselben Taktik gehuldigt hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/430>, abgerufen am 24.07.2024.