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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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und zu prophezeihen. Es gab Straßenredner, welche ihn als ein Opfer Ludwig
Philipp'S und der Bourgeoisie darstellten.

Herr Emil Thomas, welcher dnrch seine Mutter ununterbrochene Verbin-
dungen mit der bonapartistischen Partei unterhielt, begünstigte in den National-
atelicrS die Candidatur deö Prinzen, und er ließ einen Anschlag anheften, welcher
den Wählern auf ein Mal Louis Bonaparte, Emil Thomas und Emil Girardin
vorschlug.

Während man ans die armen Klassen in dieser Weise wirkte, vernachlässigte
man nicht, die Feinde der Republik durch andere Mittel für den Erfolg Louis
Napoleon's zu gewinnen. Herr Persigny knüpfte mit Herrn Falloux alte Verbin¬
dungen an; man besuchte Herrn Girardin, man umgab Herrn Carlier, man
machte bei allen politischen Malcontenten Louis Bonaparte'S Candidatur als den
geschicktesten und wirksamsten Act der Opposition geltend.

Der Erfolg übertraf die Erwartung: eine dreifache Wahl in den Departement"!:
Nonne, Charente-Infcricnr und Korsika schickte den Volksvertreter Louis Napoleon
Bonaparte in die constitnirende Versammlung.

Diese Wahl war ohne Widerrede das wichtigste Ereignis) seit dem 4. Mai,
und doch sieht man nicht, daß die Nationalversammlung besonders dadurch berührt
worden wäre. Die republikanische Majorität ivar ganz von ihren Streitigkeiten
mit dem VollziehnngSanöschnsse und von den Kabalen der vrlcanistischen Partei
in Anspruch genommen. Die Wahl des Herrn Thiers däuchte ihr eine weit
größere Gefahr, als jene Louis Napoleon's.

Als während der Verhandlung über das VcrbannnngSgcsch der Orleanisten
die Rede gewesen, diese Maßregel auch auf die Familie Bonaparte auszudehnen,
widersetzten sich sast alle Republikaner dieser Ausdehnung mit Lebhaftigkeit. Von
den beiden Linien der Bourbons redend, rief der Volksvertreter Vignette ans:
"Sie sind beide in den Packwagen der Kosaken gekommen, so mögen sie auch
mit einander fortziehen; was die Familie Bonaparte betrifft, so adoptiren wir selbe
vorläufig, weil sie nicht gefährlich ist." Herr Dumas, später Pvlizeipräfcct unter
der Regierung des Generals Cavaignac bekämpfte gleichfalls die Assimilation,
welche man zwischen den beiden königlichen Linien und den Bonapartes machen
wollte. "Die Familie Bonaparte" sagte er, "hat nunmehr einen innern Werth,
sie ist nichts weiter, als die ruhmreiche Tradition einer Epoche, welche Niemand
Narr genug sein kann wieder anfangen zu wollen." Mehrere republikanische
Volksvertreter sprachen in demselben Sinne. Als sich endlich die Verhandlung
am 10. Juni wieder erneute, bei Gelegenheit eines Antrags von Pietri, den
". Artikel des Gesetzes vom 10. April 1832 abzuschaffen, bestieg Herr Cremieux,



Man weiß, daß Emil Thomas später Redacteur des uapolcouistischen Vix ovvi-woe
und dann Verwalter der Güter Napoleon's in der Solognc geworden.
Grciijboten, I. -IW, 48

und zu prophezeihen. Es gab Straßenredner, welche ihn als ein Opfer Ludwig
Philipp'S und der Bourgeoisie darstellten.

Herr Emil Thomas, welcher dnrch seine Mutter ununterbrochene Verbin-
dungen mit der bonapartistischen Partei unterhielt, begünstigte in den National-
atelicrS die Candidatur deö Prinzen, und er ließ einen Anschlag anheften, welcher
den Wählern auf ein Mal Louis Bonaparte, Emil Thomas und Emil Girardin
vorschlug.

Während man ans die armen Klassen in dieser Weise wirkte, vernachlässigte
man nicht, die Feinde der Republik durch andere Mittel für den Erfolg Louis
Napoleon's zu gewinnen. Herr Persigny knüpfte mit Herrn Falloux alte Verbin¬
dungen an; man besuchte Herrn Girardin, man umgab Herrn Carlier, man
machte bei allen politischen Malcontenten Louis Bonaparte'S Candidatur als den
geschicktesten und wirksamsten Act der Opposition geltend.

Der Erfolg übertraf die Erwartung: eine dreifache Wahl in den Departement»!:
Nonne, Charente-Infcricnr und Korsika schickte den Volksvertreter Louis Napoleon
Bonaparte in die constitnirende Versammlung.

Diese Wahl war ohne Widerrede das wichtigste Ereignis) seit dem 4. Mai,
und doch sieht man nicht, daß die Nationalversammlung besonders dadurch berührt
worden wäre. Die republikanische Majorität ivar ganz von ihren Streitigkeiten
mit dem VollziehnngSanöschnsse und von den Kabalen der vrlcanistischen Partei
in Anspruch genommen. Die Wahl des Herrn Thiers däuchte ihr eine weit
größere Gefahr, als jene Louis Napoleon's.

Als während der Verhandlung über das VcrbannnngSgcsch der Orleanisten
die Rede gewesen, diese Maßregel auch auf die Familie Bonaparte auszudehnen,
widersetzten sich sast alle Republikaner dieser Ausdehnung mit Lebhaftigkeit. Von
den beiden Linien der Bourbons redend, rief der Volksvertreter Vignette ans:
„Sie sind beide in den Packwagen der Kosaken gekommen, so mögen sie auch
mit einander fortziehen; was die Familie Bonaparte betrifft, so adoptiren wir selbe
vorläufig, weil sie nicht gefährlich ist." Herr Dumas, später Pvlizeipräfcct unter
der Regierung des Generals Cavaignac bekämpfte gleichfalls die Assimilation,
welche man zwischen den beiden königlichen Linien und den Bonapartes machen
wollte. „Die Familie Bonaparte" sagte er, „hat nunmehr einen innern Werth,
sie ist nichts weiter, als die ruhmreiche Tradition einer Epoche, welche Niemand
Narr genug sein kann wieder anfangen zu wollen." Mehrere republikanische
Volksvertreter sprachen in demselben Sinne. Als sich endlich die Verhandlung
am 10. Juni wieder erneute, bei Gelegenheit eines Antrags von Pietri, den
«. Artikel des Gesetzes vom 10. April 1832 abzuschaffen, bestieg Herr Cremieux,



Man weiß, daß Emil Thomas später Redacteur des uapolcouistischen Vix ovvi-woe
und dann Verwalter der Güter Napoleon's in der Solognc geworden.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/385>, abgerufen am 04.07.2024.