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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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dnrch ihre geheimen Agenten in diesem Sinne über den überraschenden Schritt
seiner Majestät auszusprechen. Den Journalen ist der pÄrvvnu anch in die
Nase gestiegen, und obgleich sie es noch immer nicht wagen dürfen, zu sprechen,
so erlaubt man ihnen doch laut zu niesen, und das ist immerhin eine
willkounneue Abwechselung in der lautlosen Stille, die uns bisher umgeben.
Die realistischen Journale sage": -- Ah da seht ihr's, der Kaiser sagt
selbst, daß er nicht die eigentliche, traditionelle Monarchie wieder hergestellt,
während die Journale der ehemaligen Republik replicircn: Ihr Neaetionaire
müßt nun selber zugestehen, daß die Revolution nicht so leicht zu besiegen und
daß das lmiM-iz nun eiugestauduer Maßen nur ein revolutivuaircs Factum sei.
Der Constitutivucl, der gegenwärtig die bonapartistische Legitimität vertreten will
-- kümmert sich um den parvenu nicht und beweist, daß das Kaiserreich der Re¬
volution blos folge, aber nicht ans ihr entspringe. Wer sich unterfängt zu zwei¬
feln, dem streckt Cassaignac seine kurze" Hosen aus weißem Atlas entgegen und
fragt ironisch: Ist das ein demokratisches, el" revolutivuaires Kaiserreich, tuis
Niemand bei sich empfängt, als "ach dem stcifesten Hofceremouiel? Das iuexpressible
Argument macht die Widersacher verstumme", und der Gascviiier wirft sich in
die Brust, schlägt deu Schlapphut unter den Arm und kehrt der demokratischen
Canaille vornehm den Rucke". Aber das ist ganz gleich, die Hauptsache ist, daß
der i>!>,rv<zun el" Loch i" die chinesische Mauer der Censur gestoßen "ut daß seit
der Rede vom vergangenen Samstag eine Art von Discussion sich entsponnen
hat. Durfte doch der 5ion,l<z sogar heute berichte", daß der Münster der aus¬
wärtige" Augelegeuhcite" el"e sehr energische Note an die Vertreter der franzö-
sische" Regierilng bei den auswärtigen Hofe" geschickt habe. Die Heirath scheint
also nicht so ganz ein coup rlg I,et,k oder el" <x,up cle e"gen' gewesen zu sein,
als mau dies hier ziemlich allgemein angenommen. Der Kaiser hat durch seinen
Minister Rußland, Oestreich und Preußen es wissen lassen, daß er dem europäi¬
sche" Friede" kein größeres Opfer bringe" konnte, als indem er seinen Gefühlen
ans eine so energische Weise Zwang anthue, gegenüber den Demüthigungen,
welche ihm Rußland zugefügt. Der Minister des Kaisers sagt nicht, daß ohne
Lord Cooley es vielleicht noch früher zu einem cxmp ac lötiz gekommen wäre.
Dieses Circnlarschreiben an die französischen Missionen im Auslande war die vor¬
läufige Drohung die Heirath war blos eine Venvirklichnng derselben. Abge¬
sehen von alle" Nebenrücksichten und von der Art und Weise, wie die Heirath in
Frankreich gegenwärtig aufgenommen wird, hat Louis Napoleon seine Stellung
dnrch selbe keineswegs erschwert. Politisch hat er nnr gewonnen dadurch, und es
ist leine bloße Phrase, wenn er ölige, daß er unabhängiger durch diesen Act ge¬
worden. Die europäischen Kabinette beiden nur in der That jetzt nichts mehr
zu geben, sie können ihn durch keinerlei hoffnungsvolle Vorspiegelungen mehr
ködern. Louis Napoleon hat jetzt allem zu geben, und dies ist so wahr, daß


dnrch ihre geheimen Agenten in diesem Sinne über den überraschenden Schritt
seiner Majestät auszusprechen. Den Journalen ist der pÄrvvnu anch in die
Nase gestiegen, und obgleich sie es noch immer nicht wagen dürfen, zu sprechen,
so erlaubt man ihnen doch laut zu niesen, und das ist immerhin eine
willkounneue Abwechselung in der lautlosen Stille, die uns bisher umgeben.
Die realistischen Journale sage»: — Ah da seht ihr's, der Kaiser sagt
selbst, daß er nicht die eigentliche, traditionelle Monarchie wieder hergestellt,
während die Journale der ehemaligen Republik replicircn: Ihr Neaetionaire
müßt nun selber zugestehen, daß die Revolution nicht so leicht zu besiegen und
daß das lmiM-iz nun eiugestauduer Maßen nur ein revolutivuaircs Factum sei.
Der Constitutivucl, der gegenwärtig die bonapartistische Legitimität vertreten will
— kümmert sich um den parvenu nicht und beweist, daß das Kaiserreich der Re¬
volution blos folge, aber nicht ans ihr entspringe. Wer sich unterfängt zu zwei¬
feln, dem streckt Cassaignac seine kurze» Hosen aus weißem Atlas entgegen und
fragt ironisch: Ist das ein demokratisches, el» revolutivuaires Kaiserreich, tuis
Niemand bei sich empfängt, als »ach dem stcifesten Hofceremouiel? Das iuexpressible
Argument macht die Widersacher verstumme», und der Gascviiier wirft sich in
die Brust, schlägt deu Schlapphut unter den Arm und kehrt der demokratischen
Canaille vornehm den Rucke». Aber das ist ganz gleich, die Hauptsache ist, daß
der i>!>,rv<zun el» Loch i» die chinesische Mauer der Censur gestoßen »ut daß seit
der Rede vom vergangenen Samstag eine Art von Discussion sich entsponnen
hat. Durfte doch der 5ion,l<z sogar heute berichte», daß der Münster der aus¬
wärtige» Augelegeuhcite» el»e sehr energische Note an die Vertreter der franzö-
sische» Regierilng bei den auswärtigen Hofe» geschickt habe. Die Heirath scheint
also nicht so ganz ein coup rlg I,et,k oder el» <x,up cle e»gen' gewesen zu sein,
als mau dies hier ziemlich allgemein angenommen. Der Kaiser hat durch seinen
Minister Rußland, Oestreich und Preußen es wissen lassen, daß er dem europäi¬
sche» Friede» kein größeres Opfer bringe» konnte, als indem er seinen Gefühlen
ans eine so energische Weise Zwang anthue, gegenüber den Demüthigungen,
welche ihm Rußland zugefügt. Der Minister des Kaisers sagt nicht, daß ohne
Lord Cooley es vielleicht noch früher zu einem cxmp ac lötiz gekommen wäre.
Dieses Circnlarschreiben an die französischen Missionen im Auslande war die vor¬
läufige Drohung die Heirath war blos eine Venvirklichnng derselben. Abge¬
sehen von alle» Nebenrücksichten und von der Art und Weise, wie die Heirath in
Frankreich gegenwärtig aufgenommen wird, hat Louis Napoleon seine Stellung
dnrch selbe keineswegs erschwert. Politisch hat er nnr gewonnen dadurch, und es
ist leine bloße Phrase, wenn er ölige, daß er unabhängiger durch diesen Act ge¬
worden. Die europäischen Kabinette beiden nur in der That jetzt nichts mehr
zu geben, sie können ihn durch keinerlei hoffnungsvolle Vorspiegelungen mehr
ködern. Louis Napoleon hat jetzt allem zu geben, und dies ist so wahr, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/278>, abgerufen am 28.12.2024.