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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Oestreich außer durch eine diplomatische Note durch Nichts den Ausfall aufnehmen
wird, den sich der Kaiser der Franzosen ans so ansuchte Weise erlaubte. Man
weis;, daß der Friede Europas einzig und allein in den Händen Louis Napoleon's
sei, nud darum wird man thu auch uicht weiter reizen, "in so weniger, als der
letzte Act wieder zu beweisen scheint, daß Louis Napoleon schnell zu Handel" ge-
wohnt sei und nicht lange drohe. Ob aber Napoleon til. wirklich in seinem
Interesse die Stellung ausbeuten werde, die er sich nur geschaffen, das ist eine
andere Frage und wird sich erst später zeige", obgleich Gründe vorhanden, dies
schon jetzt zu bezweifeln. Louis Napoleon's Interesse wäre nämlich der Friede,
und er thut Alles, was ihn früher oder später zum Kriege drängen muß, er
bereitet siel/ auch mit zu viel Wohlgefallen darauf vor; er zählt unter seinen
Freunden zu viel abenteuerliche Kopfe; er schuldet der Armee zu viel, ohne irgend¬
wie zu trachten ihr ein bedeutendes Gegenwinde zu verschaffen; er liebt zu sehr
die capitelweise Nachahmung seines Onkels, er ist selbst zu sehr für die französi¬
sche ^loire- eingenommen, und endlich ist seine Finanzpolitik eine zu gewagte, als
daß ihm ein anderer Ausweg offen bleiben sollte als der perikleische. Ans der an¬
dern Seite kann seine fortgesetzte drohende Haltung die Vorbereitungen seiner
eventuellen Gegner zu einem Punkte gedeihen lasse", wo es diesen selbst schwer
oder 'unmöglich werden mag, den Friede" länger zu erhalte". Der Krieg aber
ist nicht i" Lo"is Napoleon'S Interesse, weil er als Sieger oder Be¬
siegter seine Krone gleich leicht verliere" kaun. Vom Uebenvuudeueu ver.
steht sich das vo" selbst nud vom Sieger läßt sich das auch ohne Para¬
doxe behaupten, weil Louis Napoleon nicht ohne Bundesgenosse" siegen
kann, und weil die Bundesgenossen, die er finden wird, später seine Feinde
werden müsse". Daß der Ausgang eines Krieges für de" neue" Kaiser
eben so unheilvoll sei" werde wie für de" alte", scheint mir um so gewisser, als
ein europäischer Krieg unter den gegenwärtigen Verhältnissen nnr ein revvllttiv
"airer werden kann. Er mag unter was immer für einer Fahne geführt werde",
sein Inhalt muß früher oder später i" den der Revolution einschlage". Schon
Napoleon'S Krieg hat trotz seiner persönliche" Zwecke uicht wenig zur Verbreitung
der revolutionairen Idee" .beigetragen,, !und darum wurde anch Napoleon immer
als Held der Revolution betrachtet, obgleich er nichts weniger als ein Freund der
selben gewesen. Der Krieg Louis Napoleon's aber müßte durch die Lage der
Dinge eine noch weit revolutiouairerc Bete"tu"g erhalte". Auch darf ma" uicht
vergesse", daß der nächste europäische Krieg auch das junge Amerika in die
Schranke" rufen dürfte, das wol schwer die Gelegenheit, sich die ersten Ritter-
spvren zu- verdienen, vorübergehen lassen wird.

Vorläufig verstummen alle trübe" Prophezeiungen. Wir sind Alle festlich
gekleidet, um das kaiserliche Ehepaar morgen ans ihrem Hochzeitsznge an uns
vorüber ziehen zu sehen -- was die nächsten Monate bringen werden, kümmert uns


Oestreich außer durch eine diplomatische Note durch Nichts den Ausfall aufnehmen
wird, den sich der Kaiser der Franzosen ans so ansuchte Weise erlaubte. Man
weis;, daß der Friede Europas einzig und allein in den Händen Louis Napoleon's
sei, nud darum wird man thu auch uicht weiter reizen, »in so weniger, als der
letzte Act wieder zu beweisen scheint, daß Louis Napoleon schnell zu Handel» ge-
wohnt sei und nicht lange drohe. Ob aber Napoleon til. wirklich in seinem
Interesse die Stellung ausbeuten werde, die er sich nur geschaffen, das ist eine
andere Frage und wird sich erst später zeige», obgleich Gründe vorhanden, dies
schon jetzt zu bezweifeln. Louis Napoleon's Interesse wäre nämlich der Friede,
und er thut Alles, was ihn früher oder später zum Kriege drängen muß, er
bereitet siel/ auch mit zu viel Wohlgefallen darauf vor; er zählt unter seinen
Freunden zu viel abenteuerliche Kopfe; er schuldet der Armee zu viel, ohne irgend¬
wie zu trachten ihr ein bedeutendes Gegenwinde zu verschaffen; er liebt zu sehr
die capitelweise Nachahmung seines Onkels, er ist selbst zu sehr für die französi¬
sche ^loire- eingenommen, und endlich ist seine Finanzpolitik eine zu gewagte, als
daß ihm ein anderer Ausweg offen bleiben sollte als der perikleische. Ans der an¬
dern Seite kann seine fortgesetzte drohende Haltung die Vorbereitungen seiner
eventuellen Gegner zu einem Punkte gedeihen lasse», wo es diesen selbst schwer
oder 'unmöglich werden mag, den Friede» länger zu erhalte». Der Krieg aber
ist nicht i» Lo»is Napoleon'S Interesse, weil er als Sieger oder Be¬
siegter seine Krone gleich leicht verliere» kaun. Vom Uebenvuudeueu ver.
steht sich das vo» selbst nud vom Sieger läßt sich das auch ohne Para¬
doxe behaupten, weil Louis Napoleon nicht ohne Bundesgenosse» siegen
kann, und weil die Bundesgenossen, die er finden wird, später seine Feinde
werden müsse». Daß der Ausgang eines Krieges für de» neue» Kaiser
eben so unheilvoll sei» werde wie für de» alte», scheint mir um so gewisser, als
ein europäischer Krieg unter den gegenwärtigen Verhältnissen nnr ein revvllttiv
»airer werden kann. Er mag unter was immer für einer Fahne geführt werde»,
sein Inhalt muß früher oder später i» den der Revolution einschlage». Schon
Napoleon'S Krieg hat trotz seiner persönliche» Zwecke uicht wenig zur Verbreitung
der revolutionairen Idee» .beigetragen,, !und darum wurde anch Napoleon immer
als Held der Revolution betrachtet, obgleich er nichts weniger als ein Freund der
selben gewesen. Der Krieg Louis Napoleon's aber müßte durch die Lage der
Dinge eine noch weit revolutiouairerc Bete»tu»g erhalte». Auch darf ma» uicht
vergesse», daß der nächste europäische Krieg auch das junge Amerika in die
Schranke» rufen dürfte, das wol schwer die Gelegenheit, sich die ersten Ritter-
spvren zu- verdienen, vorübergehen lassen wird.

Vorläufig verstummen alle trübe» Prophezeiungen. Wir sind Alle festlich
gekleidet, um das kaiserliche Ehepaar morgen ans ihrem Hochzeitsznge an uns
vorüber ziehen zu sehen — was die nächsten Monate bringen werden, kümmert uns


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[0279] Oestreich außer durch eine diplomatische Note durch Nichts den Ausfall aufnehmen wird, den sich der Kaiser der Franzosen ans so ansuchte Weise erlaubte. Man weis;, daß der Friede Europas einzig und allein in den Händen Louis Napoleon's sei, nud darum wird man thu auch uicht weiter reizen, »in so weniger, als der letzte Act wieder zu beweisen scheint, daß Louis Napoleon schnell zu Handel» ge- wohnt sei und nicht lange drohe. Ob aber Napoleon til. wirklich in seinem Interesse die Stellung ausbeuten werde, die er sich nur geschaffen, das ist eine andere Frage und wird sich erst später zeige», obgleich Gründe vorhanden, dies schon jetzt zu bezweifeln. Louis Napoleon's Interesse wäre nämlich der Friede, und er thut Alles, was ihn früher oder später zum Kriege drängen muß, er bereitet siel/ auch mit zu viel Wohlgefallen darauf vor; er zählt unter seinen Freunden zu viel abenteuerliche Kopfe; er schuldet der Armee zu viel, ohne irgend¬ wie zu trachten ihr ein bedeutendes Gegenwinde zu verschaffen; er liebt zu sehr die capitelweise Nachahmung seines Onkels, er ist selbst zu sehr für die französi¬ sche ^loire- eingenommen, und endlich ist seine Finanzpolitik eine zu gewagte, als daß ihm ein anderer Ausweg offen bleiben sollte als der perikleische. Ans der an¬ dern Seite kann seine fortgesetzte drohende Haltung die Vorbereitungen seiner eventuellen Gegner zu einem Punkte gedeihen lasse», wo es diesen selbst schwer oder 'unmöglich werden mag, den Friede» länger zu erhalte». Der Krieg aber ist nicht i» Lo»is Napoleon'S Interesse, weil er als Sieger oder Be¬ siegter seine Krone gleich leicht verliere» kaun. Vom Uebenvuudeueu ver. steht sich das vo» selbst nud vom Sieger läßt sich das auch ohne Para¬ doxe behaupten, weil Louis Napoleon nicht ohne Bundesgenosse» siegen kann, und weil die Bundesgenossen, die er finden wird, später seine Feinde werden müsse». Daß der Ausgang eines Krieges für de» neue» Kaiser eben so unheilvoll sei» werde wie für de» alte», scheint mir um so gewisser, als ein europäischer Krieg unter den gegenwärtigen Verhältnissen nnr ein revvllttiv »airer werden kann. Er mag unter was immer für einer Fahne geführt werde», sein Inhalt muß früher oder später i» den der Revolution einschlage». Schon Napoleon'S Krieg hat trotz seiner persönliche» Zwecke uicht wenig zur Verbreitung der revolutionairen Idee» .beigetragen,, !und darum wurde anch Napoleon immer als Held der Revolution betrachtet, obgleich er nichts weniger als ein Freund der selben gewesen. Der Krieg Louis Napoleon's aber müßte durch die Lage der Dinge eine noch weit revolutiouairerc Bete»tu»g erhalte». Auch darf ma» uicht vergesse», daß der nächste europäische Krieg auch das junge Amerika in die Schranke» rufen dürfte, das wol schwer die Gelegenheit, sich die ersten Ritter- spvren zu- verdienen, vorübergehen lassen wird. Vorläufig verstummen alle trübe» Prophezeiungen. Wir sind Alle festlich gekleidet, um das kaiserliche Ehepaar morgen ans ihrem Hochzeitsznge an uns vorüber ziehen zu sehen — was die nächsten Monate bringen werden, kümmert uns

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/279>, abgerufen am 27.12.2024.