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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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ganz besondere Vorsorge getroffen. Da"" "ins; ein Ortsstatnt entworfen werben
- sonst ist dies dein Ermessen der Gemeinde anheim gegeben - und zwar nicht
von der Gemeinde, sondern vom Landrath; anch ist dann nicht die Bestätigung
der Regierung genügend, sondern es ist die des Ministeriums erforderlich. In
diesem Ortsstatnt muß festgesetzt werden, in welchem Verhältniß der Ritterguts¬
besitzer an den Cvmmunallasten participirt, ob ihm eine größere Stimmenzahl
oder der Vorsitz in der Gemeindeversammlung, ein erhöhtes Wahlrecht bei Wahl
der Gemeindevertretung oder eine Virilstünme in derselben beizulegen ist n, s. w.
Umfaßt das Rittergut deu dritte" Theil des gesammten zur Gemeinde gehörigen
Grundeigenthums, so hat der Besitzer i^su das Recht, den dritten Theil der
Gemeindeverordneten zu wählen. Ist es dem Rittergutsbesitzer unangenehm,
persönlich mit den Bauern zu verhandeln, so kann der Landrath sür ihn in den
OrtSstatnteu das Recht ausbedinge", daß er sich durch Pächter, Jnspectoren u. tgi.
vertreten lassen darf. Viel wichtiger aber ist es, daß über allen ländlichen Ge¬
meinden als nächste Aufsichtsbehörde die "Ortspvlizeibehörde" schwebt. Diese ist
vorläufig noch eine mystische Größe; aber wenn dieses nebelhafte Wesen Gestalt
gewinnen wird, dann wird es -- das ist ziemlich sicher -- wo es nnr irgend
möglich ist, in Gestalt des Rittergutsbesitzers, erscheinen.

Bei den unbedeutenden Geschäften, die in den kraftlosen Landgemeinden
vorkommen, scheint es kaum der Mühe werth, sich in sie zu mengen. Dennoch
existirt fast keine Action, die ganz ohne büreaukratische Einmischung vor sich gehen
konnte. Ortspvlizeibehörde, Landrath, Kreistag, Negierung, Oberpräsident,
Minister, -- Alle sind bald hier bald dort berufen, sich in'ö Mittel zu legen.
Schon der Umstand, daß alle sür das Dorf irgend wie nennenswerthen Fragen,
z. B. ob die kleineren Grundbesitzer und die Nichtangesessenen Stimmrecht erhalten
sollen, wie viel Cvllectivstimmen man ihnen in der Gemeindeversammlung und in
der Vertretung gewähren will, in welchem Verhältniß sie an den Lasten Theil
nehmen sollen, wie überhaupt die Gemeindemitglieder in die verschiedenen Klassen
vertheilt werden sollen u. tgi., in dem Ortsstatut entschieden werden müssen,
giebt der Regierung, deren Bestätigung es unterliegt, die Entscheidung über die
Elemente des Gemeindclebens in die Hand. Auch die Frage, ob die Angelegen-
heiten der Gemeinde in der Versammlung sämmtlicher Berechtigten, oder durch
eine gewählte Vertretung berathen werden sollen, entscheidet die Regierung nach
Anhörung des Gutachtens der Kreisvertretung. Der Schulze erhält eine ver-
hältnißmäßig ausgedehnte Befugniß. Er beruht die Versammlungen, präsidire
ihnen mit vollem Stimmrecht, auch wenn er es nach seinen sonstigen Eigen¬
schaften nicht besitzt, und auch dann, wenn die Versammlung aus gewählten Ver¬
tretern besteht; er allem hat die Ausführung der Beschlüsse und kann sie bean¬
standen; er erhält für seine Mühwaltnng eine Entschädigung, die, in Ermangelung
gütlicher Einigung, durch den Landrath unter Beirath der Polizeivbrigkeit fest-


ganz besondere Vorsorge getroffen. Da»» »ins; ein Ortsstatnt entworfen werben
- sonst ist dies dein Ermessen der Gemeinde anheim gegeben - und zwar nicht
von der Gemeinde, sondern vom Landrath; anch ist dann nicht die Bestätigung
der Regierung genügend, sondern es ist die des Ministeriums erforderlich. In
diesem Ortsstatnt muß festgesetzt werden, in welchem Verhältniß der Ritterguts¬
besitzer an den Cvmmunallasten participirt, ob ihm eine größere Stimmenzahl
oder der Vorsitz in der Gemeindeversammlung, ein erhöhtes Wahlrecht bei Wahl
der Gemeindevertretung oder eine Virilstünme in derselben beizulegen ist n, s. w.
Umfaßt das Rittergut deu dritte» Theil des gesammten zur Gemeinde gehörigen
Grundeigenthums, so hat der Besitzer i^su das Recht, den dritten Theil der
Gemeindeverordneten zu wählen. Ist es dem Rittergutsbesitzer unangenehm,
persönlich mit den Bauern zu verhandeln, so kann der Landrath sür ihn in den
OrtSstatnteu das Recht ausbedinge», daß er sich durch Pächter, Jnspectoren u. tgi.
vertreten lassen darf. Viel wichtiger aber ist es, daß über allen ländlichen Ge¬
meinden als nächste Aufsichtsbehörde die „Ortspvlizeibehörde" schwebt. Diese ist
vorläufig noch eine mystische Größe; aber wenn dieses nebelhafte Wesen Gestalt
gewinnen wird, dann wird es — das ist ziemlich sicher — wo es nnr irgend
möglich ist, in Gestalt des Rittergutsbesitzers, erscheinen.

Bei den unbedeutenden Geschäften, die in den kraftlosen Landgemeinden
vorkommen, scheint es kaum der Mühe werth, sich in sie zu mengen. Dennoch
existirt fast keine Action, die ganz ohne büreaukratische Einmischung vor sich gehen
konnte. Ortspvlizeibehörde, Landrath, Kreistag, Negierung, Oberpräsident,
Minister, — Alle sind bald hier bald dort berufen, sich in'ö Mittel zu legen.
Schon der Umstand, daß alle sür das Dorf irgend wie nennenswerthen Fragen,
z. B. ob die kleineren Grundbesitzer und die Nichtangesessenen Stimmrecht erhalten
sollen, wie viel Cvllectivstimmen man ihnen in der Gemeindeversammlung und in
der Vertretung gewähren will, in welchem Verhältniß sie an den Lasten Theil
nehmen sollen, wie überhaupt die Gemeindemitglieder in die verschiedenen Klassen
vertheilt werden sollen u. tgi., in dem Ortsstatut entschieden werden müssen,
giebt der Regierung, deren Bestätigung es unterliegt, die Entscheidung über die
Elemente des Gemeindclebens in die Hand. Auch die Frage, ob die Angelegen-
heiten der Gemeinde in der Versammlung sämmtlicher Berechtigten, oder durch
eine gewählte Vertretung berathen werden sollen, entscheidet die Regierung nach
Anhörung des Gutachtens der Kreisvertretung. Der Schulze erhält eine ver-
hältnißmäßig ausgedehnte Befugniß. Er beruht die Versammlungen, präsidire
ihnen mit vollem Stimmrecht, auch wenn er es nach seinen sonstigen Eigen¬
schaften nicht besitzt, und auch dann, wenn die Versammlung aus gewählten Ver¬
tretern besteht; er allem hat die Ausführung der Beschlüsse und kann sie bean¬
standen; er erhält für seine Mühwaltnng eine Entschädigung, die, in Ermangelung
gütlicher Einigung, durch den Landrath unter Beirath der Polizeivbrigkeit fest-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/229>, abgerufen am 28.12.2024.