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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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ganz ignorirt, oder mit einer sonderbaren Ungunst behandelt. Das Gemeinde-
recht wird an den Besitz eines Wohnhauses -- nnr in Preußen schlechtweg an
den eines Grundstücks -- geknüpft; i" Pommern und Brandenburg haben selbst
Hausbesitzer, wenn sie nicht schon vorher das Gcmeinderccht besaßen, keinen
rechtlichen Anspruch darauf. Die zahlreichen Handwerker, die sich ans dem platten
Lande angesiedelt haben, werden, wenn sie nicht zugleich Hausbesitzer sind, als
ein Element behandelt, welches der Gesundheit des Gemeindelebens schadet; nur-
dann, wenn sie seit 3 Jahren jährlich mindestens 3 Thaler Klassensteuer -- ein
Satz, der deu vorigen Kammern selbst für das städtische Bürgerrecht zu hoch
schien -- entrichtet haben, kann ihnen durch den guten Willen der bevorrechteten
Grundbesitzer in dem Ortsstatnt das Gemeinderccht gewährt werden. In Pom¬
mern ist selbst dieses nicht erlaubt. Eben so wenig dürfen in den östlichen Pro¬
vinzen -- mit Ausnahme Preußens -- die zahlreichen Individuen, welche zwar
kein Haus besitzen, aber einige Morgen Acker- oder Gartenland erworben haben,
wenn sie nicht zugleich jenen Klassensteuersatz erreichen, ans die Gunst hoffen, zu
den Gemeindcbcralhuugen zugelassen zu werden. Wo durch den guten Willen der
bevorrechteten Grundbesitzer den nicht angesessenen, aber 3 Thaler Klassensteuer ent¬
richtenden Personen das Gcmeinderecht gewährt ist, bilden sie doch nnr eine vielfach
zurückgesetzte Klasse; in der Versammlung sämmtlicher Gemeindcberechtigten dürfen
sie nur durch Collectivstimmen vertreten werden, und diese dürfen nur eiuen in den
verschiedenen Provinzen verschiedenen, meist sehr geringen Bruchtheil der Gesammt-
zahl der Stimmen bilden. Hat die Gemeinde eine gewählte Vertretung, so ist
der Einfluß dieser Klasse natürlich noch mehr eingeschränkt. Nur in Schlesien
dürfen "sehr hoch" besteuerte Nichtangesessene in der allgemeine" Gemeinde¬
versammlung auch Virilstimmen erhalten, wie die Hausbesitzer; doch hängt es von
dem Willen der Letzteren ab, ob sie diese Rücksicht nehmen wollen.

Die nicht mit Grundbesitz angesessenen Handwerker werden, wie Sie sehen,
nach ägyptischen Begriffen als eine weniger begnadigte und zu einer traurigen
Stellung prädestinirte Klasse behandelt. Wie groß die Zahl der Handwerker ist,
die schon jetzt ans dem platten Lande wohnen, habe ich neulich hervorgehoben;
und es ist sehr merkwürdig, daß eine Tendenz, die sich ihrer Sorge für die
Eigenthümlichkeiten und realen Verhältnisse so sehr rühmt, ein sehr reales, in
Zahlen greifbares Verhältniß in einer Weise hintansetzt, für die kein besseres
Motiv ausfindig gemacht werden kann, als ein aus ganz anderen Verhältnissen
stammendes Herkommen.

Wie aiidcrs wird dagegen der Rittergutsbesitzer behandelt! Seine Besitzungen
bilden eiuen gesonderten "Gutsbezirk", für dessen Verhältnisse die Entwürfe keine
besonderen Regeln aufstellen. Sollte vielleicht ganz ausnahmsweise der Fall ein¬
treten, daß ein Rittergut oder ein Theil desselben, z. B- ein geschlossenes Wald-
grnndstück mit einer bestehenden Gemeinde vereinigt zu werden wünscht, so ist


ganz ignorirt, oder mit einer sonderbaren Ungunst behandelt. Das Gemeinde-
recht wird an den Besitz eines Wohnhauses — nnr in Preußen schlechtweg an
den eines Grundstücks — geknüpft; i» Pommern und Brandenburg haben selbst
Hausbesitzer, wenn sie nicht schon vorher das Gcmeinderccht besaßen, keinen
rechtlichen Anspruch darauf. Die zahlreichen Handwerker, die sich ans dem platten
Lande angesiedelt haben, werden, wenn sie nicht zugleich Hausbesitzer sind, als
ein Element behandelt, welches der Gesundheit des Gemeindelebens schadet; nur-
dann, wenn sie seit 3 Jahren jährlich mindestens 3 Thaler Klassensteuer — ein
Satz, der deu vorigen Kammern selbst für das städtische Bürgerrecht zu hoch
schien — entrichtet haben, kann ihnen durch den guten Willen der bevorrechteten
Grundbesitzer in dem Ortsstatnt das Gemeinderccht gewährt werden. In Pom¬
mern ist selbst dieses nicht erlaubt. Eben so wenig dürfen in den östlichen Pro¬
vinzen — mit Ausnahme Preußens — die zahlreichen Individuen, welche zwar
kein Haus besitzen, aber einige Morgen Acker- oder Gartenland erworben haben,
wenn sie nicht zugleich jenen Klassensteuersatz erreichen, ans die Gunst hoffen, zu
den Gemeindcbcralhuugen zugelassen zu werden. Wo durch den guten Willen der
bevorrechteten Grundbesitzer den nicht angesessenen, aber 3 Thaler Klassensteuer ent¬
richtenden Personen das Gcmeinderecht gewährt ist, bilden sie doch nnr eine vielfach
zurückgesetzte Klasse; in der Versammlung sämmtlicher Gemeindcberechtigten dürfen
sie nur durch Collectivstimmen vertreten werden, und diese dürfen nur eiuen in den
verschiedenen Provinzen verschiedenen, meist sehr geringen Bruchtheil der Gesammt-
zahl der Stimmen bilden. Hat die Gemeinde eine gewählte Vertretung, so ist
der Einfluß dieser Klasse natürlich noch mehr eingeschränkt. Nur in Schlesien
dürfen „sehr hoch" besteuerte Nichtangesessene in der allgemeine» Gemeinde¬
versammlung auch Virilstimmen erhalten, wie die Hausbesitzer; doch hängt es von
dem Willen der Letzteren ab, ob sie diese Rücksicht nehmen wollen.

Die nicht mit Grundbesitz angesessenen Handwerker werden, wie Sie sehen,
nach ägyptischen Begriffen als eine weniger begnadigte und zu einer traurigen
Stellung prädestinirte Klasse behandelt. Wie groß die Zahl der Handwerker ist,
die schon jetzt ans dem platten Lande wohnen, habe ich neulich hervorgehoben;
und es ist sehr merkwürdig, daß eine Tendenz, die sich ihrer Sorge für die
Eigenthümlichkeiten und realen Verhältnisse so sehr rühmt, ein sehr reales, in
Zahlen greifbares Verhältniß in einer Weise hintansetzt, für die kein besseres
Motiv ausfindig gemacht werden kann, als ein aus ganz anderen Verhältnissen
stammendes Herkommen.

Wie aiidcrs wird dagegen der Rittergutsbesitzer behandelt! Seine Besitzungen
bilden eiuen gesonderten „Gutsbezirk", für dessen Verhältnisse die Entwürfe keine
besonderen Regeln aufstellen. Sollte vielleicht ganz ausnahmsweise der Fall ein¬
treten, daß ein Rittergut oder ein Theil desselben, z. B- ein geschlossenes Wald-
grnndstück mit einer bestehenden Gemeinde vereinigt zu werden wünscht, so ist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/228>, abgerufen am 28.12.2024.