Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Gioberti, der seit 1866 schon den A"se"ehalt in Brüssel mit dem in Paris
vertauscht hatte, verließ letzteres am 26. April 18i8 und wurde in Turin mit
beispielloser Begeisterung empfangen. Karl Albert ernannte ihn zum Senator
(bekanntlich war am 8. Februar das constitutionelle Statut in Piemont ertheilt
worden), was er jedoch ablehnte; Turin und Genua erwählten ihn hierauf zum
Abgeordneten. Ans einer Rundreise, die er nach Mailand, dem piemontesischen
Hauptquartier, "ach Parma, Genua, Livorno, Florenz und Rom machte, begrüßte
ihn überall derselbe Enthusiasmus. Der Papst überhäufte ihn mit Beweisen
seines Vertrauens und seiner Zuneigung. Givbcrti's Bestreben war, da der
Kampf nun doch einmal ausgebrochen, die Einigkeit aller Kräfte für die Unab¬
hängigkeit Italiens zu erhalten. Bei seiner Rückkehr nach Turin wählte ihn die
Deputirtenkammer mit Acclamation zu ihrem Präsidenten; im Juli trat er in
das Ministerium Colleguo, das, nach der Niederlage von Custozza, am 16. Ang.
sich zurückzog.

Dem hierauf.folgenden Ministerium Nevel, machte Gioberti die heftigste
Opposition; er hielt dafür, daß die Tendenzen desselben mehr das Sonderinteresse
Piemonts, als das allgemeine von Italien im Auge" hätten. Er fand dabei
die kräftigste Unterstützung der demokratischen Partei, deren Uebertreibungen
später seinen Sturz und die Niederlage der nationalen Sache herbeiführten. Auch
Nevel gab bald seine Demission und am 16. December ernannte der König Gioberti
zum Präsidenten des Conseils und Minister des Auswärtigen; seine erste Hand¬
lung war die Auflösung der Kammern. In den darauf folgenden Wahlen ward
er in zehn Bezirken zum Abgeordneten erwählt. Doch die Täuschungen, die er
in Betreff seiner Popularität in Folge dessen wol fasse" durfte, sollte" bald zer¬
rinnen. Piemont und Italien sahen sich damals durch die unverständige, republi¬
kanische Schilderhebnng in Rom und Florenz i" die schwierigste Lage versetzt;
Gioberti beabsichtigte eine militairische Intervention Piemonts, welche dem ver¬
derblichen Einschreite" Oestreichs u"d Frankreichs vorgebeugt, die liberalen In¬
stitutionen jener Staate" gerettet u"d zugleich die Erneuerung des Krieges gegen
Oestreich, ans welche die Demokratie in Piemont hindrängte, verhindert hätte.
Der Befehl zum Einmarsch in Toscana war bereits ertheilt; da brach der Sturm
der Opposition in der Kammer gegen Gioberti los, seine eigenen Kollegen zeig¬
te" sich ""zuverlässig und er zog sich vor dieser Bewegung zurück, die er nicht
mehr bemeistern konnte. Eine Zeitung, die er sofort nach seinem Rücktritt grün¬
dete, um die demokratische Politik z" bekämpfen, lebte nicht länger, als einen
Monat. Es folgte jetzt jener unglückliche Feld,zug gegen Oestreich, der nach
wenigen Tagen mit der Schlacht von Novara und der Abdication Carl Alberto
endigte. Dessen Sohn Victor Emanuel, der nunmehr den Thron bestieg, be¬
schloß der Verfassung treu zu bleiben und bot, um dem Volke el" Pfand seiner
Aufrichtigkeit zu gebe", Gioberti den Eintritt in das Cabinet an; dieser "ahn


Gioberti, der seit 1866 schon den A»se»ehalt in Brüssel mit dem in Paris
vertauscht hatte, verließ letzteres am 26. April 18i8 und wurde in Turin mit
beispielloser Begeisterung empfangen. Karl Albert ernannte ihn zum Senator
(bekanntlich war am 8. Februar das constitutionelle Statut in Piemont ertheilt
worden), was er jedoch ablehnte; Turin und Genua erwählten ihn hierauf zum
Abgeordneten. Ans einer Rundreise, die er nach Mailand, dem piemontesischen
Hauptquartier, «ach Parma, Genua, Livorno, Florenz und Rom machte, begrüßte
ihn überall derselbe Enthusiasmus. Der Papst überhäufte ihn mit Beweisen
seines Vertrauens und seiner Zuneigung. Givbcrti's Bestreben war, da der
Kampf nun doch einmal ausgebrochen, die Einigkeit aller Kräfte für die Unab¬
hängigkeit Italiens zu erhalten. Bei seiner Rückkehr nach Turin wählte ihn die
Deputirtenkammer mit Acclamation zu ihrem Präsidenten; im Juli trat er in
das Ministerium Colleguo, das, nach der Niederlage von Custozza, am 16. Ang.
sich zurückzog.

Dem hierauf.folgenden Ministerium Nevel, machte Gioberti die heftigste
Opposition; er hielt dafür, daß die Tendenzen desselben mehr das Sonderinteresse
Piemonts, als das allgemeine von Italien im Auge» hätten. Er fand dabei
die kräftigste Unterstützung der demokratischen Partei, deren Uebertreibungen
später seinen Sturz und die Niederlage der nationalen Sache herbeiführten. Auch
Nevel gab bald seine Demission und am 16. December ernannte der König Gioberti
zum Präsidenten des Conseils und Minister des Auswärtigen; seine erste Hand¬
lung war die Auflösung der Kammern. In den darauf folgenden Wahlen ward
er in zehn Bezirken zum Abgeordneten erwählt. Doch die Täuschungen, die er
in Betreff seiner Popularität in Folge dessen wol fasse» durfte, sollte» bald zer¬
rinnen. Piemont und Italien sahen sich damals durch die unverständige, republi¬
kanische Schilderhebnng in Rom und Florenz i» die schwierigste Lage versetzt;
Gioberti beabsichtigte eine militairische Intervention Piemonts, welche dem ver¬
derblichen Einschreite» Oestreichs u»d Frankreichs vorgebeugt, die liberalen In¬
stitutionen jener Staate» gerettet u»d zugleich die Erneuerung des Krieges gegen
Oestreich, ans welche die Demokratie in Piemont hindrängte, verhindert hätte.
Der Befehl zum Einmarsch in Toscana war bereits ertheilt; da brach der Sturm
der Opposition in der Kammer gegen Gioberti los, seine eigenen Kollegen zeig¬
te» sich »»zuverlässig und er zog sich vor dieser Bewegung zurück, die er nicht
mehr bemeistern konnte. Eine Zeitung, die er sofort nach seinem Rücktritt grün¬
dete, um die demokratische Politik z» bekämpfen, lebte nicht länger, als einen
Monat. Es folgte jetzt jener unglückliche Feld,zug gegen Oestreich, der nach
wenigen Tagen mit der Schlacht von Novara und der Abdication Carl Alberto
endigte. Dessen Sohn Victor Emanuel, der nunmehr den Thron bestieg, be¬
schloß der Verfassung treu zu bleiben und bot, um dem Volke el» Pfand seiner
Aufrichtigkeit zu gebe», Gioberti den Eintritt in das Cabinet an; dieser »ahn


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0214" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186090"/>
          <p xml:id="ID_642"> Gioberti, der seit 1866 schon den A»se»ehalt in Brüssel mit dem in Paris<lb/>
vertauscht hatte, verließ letzteres am 26. April 18i8 und wurde in Turin mit<lb/>
beispielloser Begeisterung empfangen. Karl Albert ernannte ihn zum Senator<lb/>
(bekanntlich war am 8. Februar das constitutionelle Statut in Piemont ertheilt<lb/>
worden), was er jedoch ablehnte; Turin und Genua erwählten ihn hierauf zum<lb/>
Abgeordneten. Ans einer Rundreise, die er nach Mailand, dem piemontesischen<lb/>
Hauptquartier, «ach Parma, Genua, Livorno, Florenz und Rom machte, begrüßte<lb/>
ihn überall derselbe Enthusiasmus. Der Papst überhäufte ihn mit Beweisen<lb/>
seines Vertrauens und seiner Zuneigung. Givbcrti's Bestreben war, da der<lb/>
Kampf nun doch einmal ausgebrochen, die Einigkeit aller Kräfte für die Unab¬<lb/>
hängigkeit Italiens zu erhalten. Bei seiner Rückkehr nach Turin wählte ihn die<lb/>
Deputirtenkammer mit Acclamation zu ihrem Präsidenten; im Juli trat er in<lb/>
das Ministerium Colleguo, das, nach der Niederlage von Custozza, am 16. Ang.<lb/>
sich zurückzog.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_643" next="#ID_644"> Dem hierauf.folgenden Ministerium Nevel, machte Gioberti die heftigste<lb/>
Opposition; er hielt dafür, daß die Tendenzen desselben mehr das Sonderinteresse<lb/>
Piemonts, als das allgemeine von Italien im Auge» hätten. Er fand dabei<lb/>
die kräftigste Unterstützung der demokratischen Partei, deren Uebertreibungen<lb/>
später seinen Sturz und die Niederlage der nationalen Sache herbeiführten. Auch<lb/>
Nevel gab bald seine Demission und am 16. December ernannte der König Gioberti<lb/>
zum Präsidenten des Conseils und Minister des Auswärtigen; seine erste Hand¬<lb/>
lung war die Auflösung der Kammern. In den darauf folgenden Wahlen ward<lb/>
er in zehn Bezirken zum Abgeordneten erwählt. Doch die Täuschungen, die er<lb/>
in Betreff seiner Popularität in Folge dessen wol fasse» durfte, sollte» bald zer¬<lb/>
rinnen. Piemont und Italien sahen sich damals durch die unverständige, republi¬<lb/>
kanische Schilderhebnng in Rom und Florenz i» die schwierigste Lage versetzt;<lb/>
Gioberti beabsichtigte eine militairische Intervention Piemonts, welche dem ver¬<lb/>
derblichen Einschreite» Oestreichs u»d Frankreichs vorgebeugt, die liberalen In¬<lb/>
stitutionen jener Staate» gerettet u»d zugleich die Erneuerung des Krieges gegen<lb/>
Oestreich, ans welche die Demokratie in Piemont hindrängte, verhindert hätte.<lb/>
Der Befehl zum Einmarsch in Toscana war bereits ertheilt; da brach der Sturm<lb/>
der Opposition in der Kammer gegen Gioberti los, seine eigenen Kollegen zeig¬<lb/>
te» sich »»zuverlässig und er zog sich vor dieser Bewegung zurück, die er nicht<lb/>
mehr bemeistern konnte. Eine Zeitung, die er sofort nach seinem Rücktritt grün¬<lb/>
dete, um die demokratische Politik z» bekämpfen, lebte nicht länger, als einen<lb/>
Monat. Es folgte jetzt jener unglückliche Feld,zug gegen Oestreich, der nach<lb/>
wenigen Tagen mit der Schlacht von Novara und der Abdication Carl Alberto<lb/>
endigte. Dessen Sohn Victor Emanuel, der nunmehr den Thron bestieg, be¬<lb/>
schloß der Verfassung treu zu bleiben und bot, um dem Volke el» Pfand seiner<lb/>
Aufrichtigkeit zu gebe», Gioberti den Eintritt in das Cabinet an; dieser »ahn</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0214] Gioberti, der seit 1866 schon den A»se»ehalt in Brüssel mit dem in Paris vertauscht hatte, verließ letzteres am 26. April 18i8 und wurde in Turin mit beispielloser Begeisterung empfangen. Karl Albert ernannte ihn zum Senator (bekanntlich war am 8. Februar das constitutionelle Statut in Piemont ertheilt worden), was er jedoch ablehnte; Turin und Genua erwählten ihn hierauf zum Abgeordneten. Ans einer Rundreise, die er nach Mailand, dem piemontesischen Hauptquartier, «ach Parma, Genua, Livorno, Florenz und Rom machte, begrüßte ihn überall derselbe Enthusiasmus. Der Papst überhäufte ihn mit Beweisen seines Vertrauens und seiner Zuneigung. Givbcrti's Bestreben war, da der Kampf nun doch einmal ausgebrochen, die Einigkeit aller Kräfte für die Unab¬ hängigkeit Italiens zu erhalten. Bei seiner Rückkehr nach Turin wählte ihn die Deputirtenkammer mit Acclamation zu ihrem Präsidenten; im Juli trat er in das Ministerium Colleguo, das, nach der Niederlage von Custozza, am 16. Ang. sich zurückzog. Dem hierauf.folgenden Ministerium Nevel, machte Gioberti die heftigste Opposition; er hielt dafür, daß die Tendenzen desselben mehr das Sonderinteresse Piemonts, als das allgemeine von Italien im Auge» hätten. Er fand dabei die kräftigste Unterstützung der demokratischen Partei, deren Uebertreibungen später seinen Sturz und die Niederlage der nationalen Sache herbeiführten. Auch Nevel gab bald seine Demission und am 16. December ernannte der König Gioberti zum Präsidenten des Conseils und Minister des Auswärtigen; seine erste Hand¬ lung war die Auflösung der Kammern. In den darauf folgenden Wahlen ward er in zehn Bezirken zum Abgeordneten erwählt. Doch die Täuschungen, die er in Betreff seiner Popularität in Folge dessen wol fasse» durfte, sollte» bald zer¬ rinnen. Piemont und Italien sahen sich damals durch die unverständige, republi¬ kanische Schilderhebnng in Rom und Florenz i» die schwierigste Lage versetzt; Gioberti beabsichtigte eine militairische Intervention Piemonts, welche dem ver¬ derblichen Einschreite» Oestreichs u»d Frankreichs vorgebeugt, die liberalen In¬ stitutionen jener Staate» gerettet u»d zugleich die Erneuerung des Krieges gegen Oestreich, ans welche die Demokratie in Piemont hindrängte, verhindert hätte. Der Befehl zum Einmarsch in Toscana war bereits ertheilt; da brach der Sturm der Opposition in der Kammer gegen Gioberti los, seine eigenen Kollegen zeig¬ te» sich »»zuverlässig und er zog sich vor dieser Bewegung zurück, die er nicht mehr bemeistern konnte. Eine Zeitung, die er sofort nach seinem Rücktritt grün¬ dete, um die demokratische Politik z» bekämpfen, lebte nicht länger, als einen Monat. Es folgte jetzt jener unglückliche Feld,zug gegen Oestreich, der nach wenigen Tagen mit der Schlacht von Novara und der Abdication Carl Alberto endigte. Dessen Sohn Victor Emanuel, der nunmehr den Thron bestieg, be¬ schloß der Verfassung treu zu bleiben und bot, um dem Volke el» Pfand seiner Aufrichtigkeit zu gebe», Gioberti den Eintritt in das Cabinet an; dieser »ahn

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/214
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/214>, abgerufen am 24.07.2024.