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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Werbthätigkeit überall hin auf das platte Land zerstreut; und einzelne sehr be¬
deutende Zweige derselben, wie die Branntweinbrennerei, die Rübenznckcrfabrika-
tion u. a. haben nicht nnr auf dem platten Lande ihre vorzüglichste Stätte
gefunden, sondern sie sind nicht minder, wie die Viehzucht, wesentliche Theile des
landwirthschaftlichen Betriebes geworden, dergestalt, daß der letztere um vielen
Orten ausschließlich auf jene gewerblichen Unternehmungen basirt ist. Wie in
den kleinen Städten das Gewerbe mit dem Ackerbau, auf dem platten Lande der
Ackerbau mit dem Gewerbe sich verschwistert hat, sind einzelne Zweige der
Wissenschaft, namentlich Physik und Chemie, für den Landwirth wie für tausend
Gcwerbtreibende unentbehrliche Hilfsmittel geworden. Und wie der Fabrikant
zugleich Kaufmann geworden ist, verdient mich der Landwirth diesen Namen, ganz
abgesehen davon, daß der Güterkanf selbst ein Gegenstand der Speculation ge¬
worden ist. Während so eine menschliche Thätigkeit in die andere greift, eine die
andere durchdringt, fabelt man von einem specifischen Unterschiede zwischen Stadt
und Land.

Wir wollen Zahlen sprechen lassen. Bereits seht ist das Handwerk in
seinen bedeutendsten Zweigen überwiegend aus dem platten Lande vertreten,
wenn mau die Zahl der Meister und solcher Personen, die für eigene Rechnung
arbeiten, ins Auge faßt. Es haben sich nämlich in Preußen folgende Klassen
von Gewerbtreibenden überwiegend ans dem platten Lande angesiedelt: Grob-
schmiede (3-1,-132 gegen 63-19 in den Städten), Schneider (40,728 gegen 29,70V),
Rad- und Stellmacher (-14,-12-1 gegen 3890), Tischler, Böttcher, Zimmerleute und
Schiffbauer, Maurer (die beiden letzten Kategorien sogar mit Ausschluß der nur
zu Reparaturen berechtigten Personen), Verfertiger feiner und grober Holzwaaren,
Korbwaarcnmacher, Mühlenbaner, Steinacher und Steinhauer u. a., der Spinner
und Weber nicht zu gedenken. Die übrigen namhaften Gewerbe sind auf dem
platten Laude wenigstens so stark vertreten, daß sie einen specifischen Unterschied
zwischen Stadt und Land nicht mehr begründen können. Es leben nämlich ans
dem Platten Lande: <<,!i0t> Bäcker (gegen -12,886 in den Städten), 7L8t Fleischer
(gegen -10,888 in den Städten), 38,742 Schuhmacher (gegen 49,222), 3387
Riemer und Sattler (gegen Ü69V), -13-17 Gerber (gegen 3926), -1687 Färber
(gegen 2868), -I3-I Wagenbauer (gegen -I4-I), 2260 Drechsler (gegen 4322),
-I-I27 Ziegel- und Schieferdecker (-I2-I-I), -1302 Töpfer und Ofenfabrikanten
(gegen 3597), -1500 Glaser und Glasschleifer (gegen 3439), 6392 Schlosser,
Nagel- und Büchseuschmiede, Maschinenbauer und ähnliche (gegen-12,649), u. s. f.
Diese Zahlen geben ein klares Bild von der starken Emigration des Gewerbes
ans der Stadt auf das Land, und beweisen deutlich, daß der specifische Unter¬
schied zwischen Stadt und Laud, der verschiedene Gemeindeordnungen noth¬
wendig machen soll, immer mehr und mehr in das Reich der Schatten sinkt.
Dennoch hat die Reactivnspartei diese Fabel so oft wiederholt, daß sie selbst


Werbthätigkeit überall hin auf das platte Land zerstreut; und einzelne sehr be¬
deutende Zweige derselben, wie die Branntweinbrennerei, die Rübenznckcrfabrika-
tion u. a. haben nicht nnr auf dem platten Lande ihre vorzüglichste Stätte
gefunden, sondern sie sind nicht minder, wie die Viehzucht, wesentliche Theile des
landwirthschaftlichen Betriebes geworden, dergestalt, daß der letztere um vielen
Orten ausschließlich auf jene gewerblichen Unternehmungen basirt ist. Wie in
den kleinen Städten das Gewerbe mit dem Ackerbau, auf dem platten Lande der
Ackerbau mit dem Gewerbe sich verschwistert hat, sind einzelne Zweige der
Wissenschaft, namentlich Physik und Chemie, für den Landwirth wie für tausend
Gcwerbtreibende unentbehrliche Hilfsmittel geworden. Und wie der Fabrikant
zugleich Kaufmann geworden ist, verdient mich der Landwirth diesen Namen, ganz
abgesehen davon, daß der Güterkanf selbst ein Gegenstand der Speculation ge¬
worden ist. Während so eine menschliche Thätigkeit in die andere greift, eine die
andere durchdringt, fabelt man von einem specifischen Unterschiede zwischen Stadt
und Land.

Wir wollen Zahlen sprechen lassen. Bereits seht ist das Handwerk in
seinen bedeutendsten Zweigen überwiegend aus dem platten Lande vertreten,
wenn mau die Zahl der Meister und solcher Personen, die für eigene Rechnung
arbeiten, ins Auge faßt. Es haben sich nämlich in Preußen folgende Klassen
von Gewerbtreibenden überwiegend ans dem platten Lande angesiedelt: Grob-
schmiede (3-1,-132 gegen 63-19 in den Städten), Schneider (40,728 gegen 29,70V),
Rad- und Stellmacher (-14,-12-1 gegen 3890), Tischler, Böttcher, Zimmerleute und
Schiffbauer, Maurer (die beiden letzten Kategorien sogar mit Ausschluß der nur
zu Reparaturen berechtigten Personen), Verfertiger feiner und grober Holzwaaren,
Korbwaarcnmacher, Mühlenbaner, Steinacher und Steinhauer u. a., der Spinner
und Weber nicht zu gedenken. Die übrigen namhaften Gewerbe sind auf dem
platten Laude wenigstens so stark vertreten, daß sie einen specifischen Unterschied
zwischen Stadt und Land nicht mehr begründen können. Es leben nämlich ans
dem Platten Lande: <<,!i0t> Bäcker (gegen -12,886 in den Städten), 7L8t Fleischer
(gegen -10,888 in den Städten), 38,742 Schuhmacher (gegen 49,222), 3387
Riemer und Sattler (gegen Ü69V), -13-17 Gerber (gegen 3926), -1687 Färber
(gegen 2868), -I3-I Wagenbauer (gegen -I4-I), 2260 Drechsler (gegen 4322),
-I-I27 Ziegel- und Schieferdecker (-I2-I-I), -1302 Töpfer und Ofenfabrikanten
(gegen 3597), -1500 Glaser und Glasschleifer (gegen 3439), 6392 Schlosser,
Nagel- und Büchseuschmiede, Maschinenbauer und ähnliche (gegen-12,649), u. s. f.
Diese Zahlen geben ein klares Bild von der starken Emigration des Gewerbes
ans der Stadt auf das Land, und beweisen deutlich, daß der specifische Unter¬
schied zwischen Stadt und Laud, der verschiedene Gemeindeordnungen noth¬
wendig machen soll, immer mehr und mehr in das Reich der Schatten sinkt.
Dennoch hat die Reactivnspartei diese Fabel so oft wiederholt, daß sie selbst


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[0191] Werbthätigkeit überall hin auf das platte Land zerstreut; und einzelne sehr be¬ deutende Zweige derselben, wie die Branntweinbrennerei, die Rübenznckcrfabrika- tion u. a. haben nicht nnr auf dem platten Lande ihre vorzüglichste Stätte gefunden, sondern sie sind nicht minder, wie die Viehzucht, wesentliche Theile des landwirthschaftlichen Betriebes geworden, dergestalt, daß der letztere um vielen Orten ausschließlich auf jene gewerblichen Unternehmungen basirt ist. Wie in den kleinen Städten das Gewerbe mit dem Ackerbau, auf dem platten Lande der Ackerbau mit dem Gewerbe sich verschwistert hat, sind einzelne Zweige der Wissenschaft, namentlich Physik und Chemie, für den Landwirth wie für tausend Gcwerbtreibende unentbehrliche Hilfsmittel geworden. Und wie der Fabrikant zugleich Kaufmann geworden ist, verdient mich der Landwirth diesen Namen, ganz abgesehen davon, daß der Güterkanf selbst ein Gegenstand der Speculation ge¬ worden ist. Während so eine menschliche Thätigkeit in die andere greift, eine die andere durchdringt, fabelt man von einem specifischen Unterschiede zwischen Stadt und Land. Wir wollen Zahlen sprechen lassen. Bereits seht ist das Handwerk in seinen bedeutendsten Zweigen überwiegend aus dem platten Lande vertreten, wenn mau die Zahl der Meister und solcher Personen, die für eigene Rechnung arbeiten, ins Auge faßt. Es haben sich nämlich in Preußen folgende Klassen von Gewerbtreibenden überwiegend ans dem platten Lande angesiedelt: Grob- schmiede (3-1,-132 gegen 63-19 in den Städten), Schneider (40,728 gegen 29,70V), Rad- und Stellmacher (-14,-12-1 gegen 3890), Tischler, Böttcher, Zimmerleute und Schiffbauer, Maurer (die beiden letzten Kategorien sogar mit Ausschluß der nur zu Reparaturen berechtigten Personen), Verfertiger feiner und grober Holzwaaren, Korbwaarcnmacher, Mühlenbaner, Steinacher und Steinhauer u. a., der Spinner und Weber nicht zu gedenken. Die übrigen namhaften Gewerbe sind auf dem platten Laude wenigstens so stark vertreten, daß sie einen specifischen Unterschied zwischen Stadt und Land nicht mehr begründen können. Es leben nämlich ans dem Platten Lande: <<,!i0t> Bäcker (gegen -12,886 in den Städten), 7L8t Fleischer (gegen -10,888 in den Städten), 38,742 Schuhmacher (gegen 49,222), 3387 Riemer und Sattler (gegen Ü69V), -13-17 Gerber (gegen 3926), -1687 Färber (gegen 2868), -I3-I Wagenbauer (gegen -I4-I), 2260 Drechsler (gegen 4322), -I-I27 Ziegel- und Schieferdecker (-I2-I-I), -1302 Töpfer und Ofenfabrikanten (gegen 3597), -1500 Glaser und Glasschleifer (gegen 3439), 6392 Schlosser, Nagel- und Büchseuschmiede, Maschinenbauer und ähnliche (gegen-12,649), u. s. f. Diese Zahlen geben ein klares Bild von der starken Emigration des Gewerbes ans der Stadt auf das Land, und beweisen deutlich, daß der specifische Unter¬ schied zwischen Stadt und Laud, der verschiedene Gemeindeordnungen noth¬ wendig machen soll, immer mehr und mehr in das Reich der Schatten sinkt. Dennoch hat die Reactivnspartei diese Fabel so oft wiederholt, daß sie selbst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/191>, abgerufen am 24.07.2024.