Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.daran glaubt und daß sie unter der gedankenlosen Menge zahlreiche Nachbeter Den Staatsmännern der Nevrganisationscpvche Preußens war es vollkommen Der zweite Hauptgrund, den der Minister des Innern gegen das Gesetz v. daran glaubt und daß sie unter der gedankenlosen Menge zahlreiche Nachbeter Den Staatsmännern der Nevrganisationscpvche Preußens war es vollkommen Der zweite Hauptgrund, den der Minister des Innern gegen das Gesetz v. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0192" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186068"/> <p xml:id="ID_548" prev="#ID_547"> daran glaubt und daß sie unter der gedankenlosen Menge zahlreiche Nachbeter<lb/> gefunden hat. Herr v. Westphalen hält daran fest, wie an einem Glaubenssatz;<lb/> trotz aller Evidenz des Gegentheils wird er uicht müde, ihn als ein unantastbares<lb/> Axiom zu wiederholen.</p><lb/> <p xml:id="ID_549"> Den Staatsmännern der Nevrganisationscpvche Preußens war es vollkommen<lb/> klar, daß nach Einführung der Gewe-rbcfreiheit der specifische Unterschied zwischen<lb/> Stadt und Land schwinden müsse, und im Hinblick auf die unausbleibliche Ent¬<lb/> wickelung der Verhältnisse beabsichtigten sie schon damals, eine gemeinsame Com-<lb/> munalordnnng für Stadt und Land zu entwerfen. Jetzt, wo die Wirkungen der<lb/> Gewerbefreiheit in Zahlen nachgewiesen werden können, ist es der wunderlichste<lb/> Anachronismus, von einem specifischen Unterschied zwischen Stadt und Land zu<lb/> reden. Der Unterschied ist lediglich ein relativer. Erstens dadurch, daß, wenn<lb/> mau das Verhältniß der städtischen und ländlichen Bevölkerung in's Auge faßt,<lb/> das Gewerbe (und selbst dann mit einigen Ausnahmen) in den Städten, der<lb/> Ackerbau ans dem Lande die Mehrzahl der Bevölkerung beschäftigt; diese Diffe¬<lb/> renz ist aber nicht so durchgreifend, daß man in den Städten die Ackerbürger,<lb/> aus dem Lande die Gewerbtreibenden in Bezug auf das Gemeindelebeu ignvrire»<lb/> oder hintansetzen dürfte. Zweitens dadurch, daß die städtische» Gemeinden im<lb/> Allgemeinen stärker bevölkert sind, als die ländlichen. Hindurch wird aber nicht<lb/> eine gesonderte Gesetzgebung sür Stadt und Land, sondern für größere und<lb/> kleinere Gemeinden befürwortet, wie es auch die Gemeindeordnung von 1830<lb/> zwischen größeren und kleineren Gemeinden unterscheidet und den letzteren eine ein¬<lb/> fachere Verwaltungsform verleiht.</p><lb/> <p xml:id="ID_550" next="#ID_551"> Der zweite Hauptgrund, den der Minister des Innern gegen das Gesetz v.<lb/> 18ii0 geltend machte, war der, daß in sehr vielen Ortschaften des platten Landes<lb/> gar nicht das Material vorhanden wäre, die in der Gemeindeordnung festgesetzten<lb/> Formen, Gemeinderath und Gemeindevorstand auszuführen. Wenn der Herr Mi¬<lb/> nister seine Ausführung des Gesetzes dabei im Sinne hatte, so tan» man ihm<lb/> nnr vollständig beiiretc». Denn sobald mau womöglich jedes Gut, jedes Dorf<lb/> isolirt läßt, wird in vielen Ortschaften die Anzahl der Wähler kaum so groß sei»,<lb/> wie die geringste Anzahl der Mitglieder der zu wählende» Commnnalbehörden,<lb/> und noch häusiger wird die Zahl der Wähler wenigstens so unbedeutend sei»,<lb/> daß das Repräsentativsystem zur Caricatur wird. Das aber ist höchst merk¬<lb/> würdig, wie der Herr Minister diese Schwierigkeit beseitigt. Statt nämlich zu<lb/> schließen, daß an den Orte», i» welchen nicht eünual zur Herstellung des Formen-<lb/> wesens ein genügendes Material vorhanden ist, noch viel weniger die Entwickelung<lb/> eines kräftigen Gemeindelebens zu erwarten ist; statt zu schließen, daß das Ge¬<lb/> setz uicht darauf berechnet war, in den armseligen Atome», i» die sich die Com-<lb/> munen zerlegt hatte», durchgeführt zu werden, daß es vielmehr augenscheinlich<lb/> ans das reichere Material größerer Verbände berechnet war; statt dessen hat er</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0192]
daran glaubt und daß sie unter der gedankenlosen Menge zahlreiche Nachbeter
gefunden hat. Herr v. Westphalen hält daran fest, wie an einem Glaubenssatz;
trotz aller Evidenz des Gegentheils wird er uicht müde, ihn als ein unantastbares
Axiom zu wiederholen.
Den Staatsmännern der Nevrganisationscpvche Preußens war es vollkommen
klar, daß nach Einführung der Gewe-rbcfreiheit der specifische Unterschied zwischen
Stadt und Land schwinden müsse, und im Hinblick auf die unausbleibliche Ent¬
wickelung der Verhältnisse beabsichtigten sie schon damals, eine gemeinsame Com-
munalordnnng für Stadt und Land zu entwerfen. Jetzt, wo die Wirkungen der
Gewerbefreiheit in Zahlen nachgewiesen werden können, ist es der wunderlichste
Anachronismus, von einem specifischen Unterschied zwischen Stadt und Land zu
reden. Der Unterschied ist lediglich ein relativer. Erstens dadurch, daß, wenn
mau das Verhältniß der städtischen und ländlichen Bevölkerung in's Auge faßt,
das Gewerbe (und selbst dann mit einigen Ausnahmen) in den Städten, der
Ackerbau ans dem Lande die Mehrzahl der Bevölkerung beschäftigt; diese Diffe¬
renz ist aber nicht so durchgreifend, daß man in den Städten die Ackerbürger,
aus dem Lande die Gewerbtreibenden in Bezug auf das Gemeindelebeu ignvrire»
oder hintansetzen dürfte. Zweitens dadurch, daß die städtische» Gemeinden im
Allgemeinen stärker bevölkert sind, als die ländlichen. Hindurch wird aber nicht
eine gesonderte Gesetzgebung sür Stadt und Land, sondern für größere und
kleinere Gemeinden befürwortet, wie es auch die Gemeindeordnung von 1830
zwischen größeren und kleineren Gemeinden unterscheidet und den letzteren eine ein¬
fachere Verwaltungsform verleiht.
Der zweite Hauptgrund, den der Minister des Innern gegen das Gesetz v.
18ii0 geltend machte, war der, daß in sehr vielen Ortschaften des platten Landes
gar nicht das Material vorhanden wäre, die in der Gemeindeordnung festgesetzten
Formen, Gemeinderath und Gemeindevorstand auszuführen. Wenn der Herr Mi¬
nister seine Ausführung des Gesetzes dabei im Sinne hatte, so tan» man ihm
nnr vollständig beiiretc». Denn sobald mau womöglich jedes Gut, jedes Dorf
isolirt läßt, wird in vielen Ortschaften die Anzahl der Wähler kaum so groß sei»,
wie die geringste Anzahl der Mitglieder der zu wählende» Commnnalbehörden,
und noch häusiger wird die Zahl der Wähler wenigstens so unbedeutend sei»,
daß das Repräsentativsystem zur Caricatur wird. Das aber ist höchst merk¬
würdig, wie der Herr Minister diese Schwierigkeit beseitigt. Statt nämlich zu
schließen, daß an den Orte», i» welchen nicht eünual zur Herstellung des Formen-
wesens ein genügendes Material vorhanden ist, noch viel weniger die Entwickelung
eines kräftigen Gemeindelebens zu erwarten ist; statt zu schließen, daß das Ge¬
setz uicht darauf berechnet war, in den armseligen Atome», i» die sich die Com-
munen zerlegt hatte», durchgeführt zu werden, daß es vielmehr augenscheinlich
ans das reichere Material größerer Verbände berechnet war; statt dessen hat er
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