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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Ob diese Eigenschaft eines dramatischen Dichters durch das Leben selbst, durch
geselligen Verkehr mit vielen andern Menschen und durch eine starke praktische
Thätigkeit erworben werden kaun? Es ist möglich, und gern möchten wir dies gerade
bei der schönen Kraft Ludwig's hoffen.




Cine englische Armenschule.*)

siÄWttä-soKool.)

In dem stark bevölkerten Quartier bei Smithfield am Fuße von Hollborn-Hill
erstreckt sich Farringdvustreet gen Süden und Ficldlane gegen Norden. Ficldlane
ist eine der ärmsten Straßen Londons, nud da der dortige Bürgerstand, trotz
Allem, was in den letzten Jahren geschehen ist, dennoch die "Straßenbevölkcrnng"
fast eben so betrachtet, wie ein Kolonist die ihn umschwärmenden Indianer; so
ertheilt man dem Fremden, der sich in diese Gegend hinein ,, wagen will",
sollte es auch am hellen Tage sein, dennoch eine Menge Warnungen und guten
Rath. -

Das hat indessen Nichts zu bedeuten; freilich ist die Straße enge und dunkel,
sie wimmelt von Menschen, welche einem alte Kleider, oder "neue" ostindische
Tücher, oder Federmesser, Vögel in Käsigen und Käfige ohne Vögel, oder
all dergleichen mehr feilbieten, und muß man sich nach dem Orte seiner Bestimmung
bei ihnen erkundigen, so sind sie etwas zudringlich in ihrer Dienstwilligkeit, jedoch
plötzlich, wenn man recht vom Schwarm umringt, fast in Verlegenheit geräth,
wie man alle ihre Fragen, Auf- nud Anforderungen beantworten soll, erweitert
sich die Straße bedeutend -- deren eine Seite ist abgebrochen -- man wird
wieder von Licht und Luft begrüßt, und gleich nächtlichen Schatten beim Sonnen¬
aufgang weicht die Menge zurück.

Da wo Ficldlane niedergerissen ist, bietet sich dem Ange ein großer mit
Schutt, Erdhaufen u"d Baugründen versehener offener Platz dar, eine neue
hübschere Straße scheint ans den alten Tollen erstehen zu wollen, ein Sinnbild
des geistigen, > moralischen Wirkens, welches hier herrscht und das man einen
Augenblick darauf kennen lernt. Rechts auf der andern Seite des Platzes steht
man an einem großen dunklen Hause mit großen Buchstaben die Worte gemalt:
"?le1ä-I.all<z-Kassxkä-8oKoo1".

Vor diesem Gebäude ist gleich einem großen breiten Graben ein Schnttplatz
von einem unangcstrichencn Geländer umgebe", so daß mau, um in das Haus



") Aus einem dänischen Mcmuscnpt von M. Goldschmidt.D. Red.
2*

Ob diese Eigenschaft eines dramatischen Dichters durch das Leben selbst, durch
geselligen Verkehr mit vielen andern Menschen und durch eine starke praktische
Thätigkeit erworben werden kaun? Es ist möglich, und gern möchten wir dies gerade
bei der schönen Kraft Ludwig's hoffen.




Cine englische Armenschule.*)

siÄWttä-soKool.)

In dem stark bevölkerten Quartier bei Smithfield am Fuße von Hollborn-Hill
erstreckt sich Farringdvustreet gen Süden und Ficldlane gegen Norden. Ficldlane
ist eine der ärmsten Straßen Londons, nud da der dortige Bürgerstand, trotz
Allem, was in den letzten Jahren geschehen ist, dennoch die „Straßenbevölkcrnng"
fast eben so betrachtet, wie ein Kolonist die ihn umschwärmenden Indianer; so
ertheilt man dem Fremden, der sich in diese Gegend hinein ,, wagen will",
sollte es auch am hellen Tage sein, dennoch eine Menge Warnungen und guten
Rath. -

Das hat indessen Nichts zu bedeuten; freilich ist die Straße enge und dunkel,
sie wimmelt von Menschen, welche einem alte Kleider, oder „neue" ostindische
Tücher, oder Federmesser, Vögel in Käsigen und Käfige ohne Vögel, oder
all dergleichen mehr feilbieten, und muß man sich nach dem Orte seiner Bestimmung
bei ihnen erkundigen, so sind sie etwas zudringlich in ihrer Dienstwilligkeit, jedoch
plötzlich, wenn man recht vom Schwarm umringt, fast in Verlegenheit geräth,
wie man alle ihre Fragen, Auf- nud Anforderungen beantworten soll, erweitert
sich die Straße bedeutend — deren eine Seite ist abgebrochen — man wird
wieder von Licht und Luft begrüßt, und gleich nächtlichen Schatten beim Sonnen¬
aufgang weicht die Menge zurück.

Da wo Ficldlane niedergerissen ist, bietet sich dem Ange ein großer mit
Schutt, Erdhaufen u»d Baugründen versehener offener Platz dar, eine neue
hübschere Straße scheint ans den alten Tollen erstehen zu wollen, ein Sinnbild
des geistigen, > moralischen Wirkens, welches hier herrscht und das man einen
Augenblick darauf kennen lernt. Rechts auf der andern Seite des Platzes steht
man an einem großen dunklen Hause mit großen Buchstaben die Worte gemalt:
„?le1ä-I.all<z-Kassxkä-8oKoo1".

Vor diesem Gebäude ist gleich einem großen breiten Graben ein Schnttplatz
von einem unangcstrichencn Geländer umgebe», so daß mau, um in das Haus



") Aus einem dänischen Mcmuscnpt von M. Goldschmidt.D. Red.
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[0019] Ob diese Eigenschaft eines dramatischen Dichters durch das Leben selbst, durch geselligen Verkehr mit vielen andern Menschen und durch eine starke praktische Thätigkeit erworben werden kaun? Es ist möglich, und gern möchten wir dies gerade bei der schönen Kraft Ludwig's hoffen. Cine englische Armenschule.*) siÄWttä-soKool.) In dem stark bevölkerten Quartier bei Smithfield am Fuße von Hollborn-Hill erstreckt sich Farringdvustreet gen Süden und Ficldlane gegen Norden. Ficldlane ist eine der ärmsten Straßen Londons, nud da der dortige Bürgerstand, trotz Allem, was in den letzten Jahren geschehen ist, dennoch die „Straßenbevölkcrnng" fast eben so betrachtet, wie ein Kolonist die ihn umschwärmenden Indianer; so ertheilt man dem Fremden, der sich in diese Gegend hinein ,, wagen will", sollte es auch am hellen Tage sein, dennoch eine Menge Warnungen und guten Rath. - Das hat indessen Nichts zu bedeuten; freilich ist die Straße enge und dunkel, sie wimmelt von Menschen, welche einem alte Kleider, oder „neue" ostindische Tücher, oder Federmesser, Vögel in Käsigen und Käfige ohne Vögel, oder all dergleichen mehr feilbieten, und muß man sich nach dem Orte seiner Bestimmung bei ihnen erkundigen, so sind sie etwas zudringlich in ihrer Dienstwilligkeit, jedoch plötzlich, wenn man recht vom Schwarm umringt, fast in Verlegenheit geräth, wie man alle ihre Fragen, Auf- nud Anforderungen beantworten soll, erweitert sich die Straße bedeutend — deren eine Seite ist abgebrochen — man wird wieder von Licht und Luft begrüßt, und gleich nächtlichen Schatten beim Sonnen¬ aufgang weicht die Menge zurück. Da wo Ficldlane niedergerissen ist, bietet sich dem Ange ein großer mit Schutt, Erdhaufen u»d Baugründen versehener offener Platz dar, eine neue hübschere Straße scheint ans den alten Tollen erstehen zu wollen, ein Sinnbild des geistigen, > moralischen Wirkens, welches hier herrscht und das man einen Augenblick darauf kennen lernt. Rechts auf der andern Seite des Platzes steht man an einem großen dunklen Hause mit großen Buchstaben die Worte gemalt: „?le1ä-I.all<z-Kassxkä-8oKoo1". Vor diesem Gebäude ist gleich einem großen breiten Graben ein Schnttplatz von einem unangcstrichencn Geländer umgebe», so daß mau, um in das Haus ") Aus einem dänischen Mcmuscnpt von M. Goldschmidt.D. Red. 2*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/19>, abgerufen am 24.07.2024.