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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Flucht entzogen -- also war es doch die Figur gewesen, die Du durch die Büsche so
lange, halb gedankenlos, halb sinnend beobachtet hattest, und horte ich nicht selbst
heute Abend wieder und mit eigenen Ohren, wie der ehrliche Schmied, der einen
wahren Abscheu vor solchen Gräueln hatte, dem jungen Mann, mit dessen Frau
dn den ganzen Abend in schwimmender Seligkeit dahinflogst, und der du die
Hände drücktest bis sie schrie -- leise und gutmüthig warnend zuflüsterte "auf seiue Frau
Acht zu geben -- sie sei in Gefahr?" -- O lieber Herr Nachbar - denn mit Recht
durften wir uns so nennen, da ich No. und dn No. 7 wohntest -- in Gefahr
an deiner Seite -- und doch standest du da, mit dem engen Beinkleidchen und
dem knappen Röckchen und dem im rechten Winkel sorgfältig ausgestreckten Ell¬
bogen und "ach vorn gebogenen Däumchen -- jeder Zoll ein Schneider ---

Doch genug, genug, es ist vou jeher mein Schicksal gewesen, mich von Allem,
was mir lieb geworden, wieder losreißen zu müssen. So lebe denn wohl, und
möge Dich Gott vor allen rachedürstenden Schusterfrauen, wie eifersüchtigen Ehe¬
männern bewahren.

Am nächsten Morgen, als eben die Sonne über den nächsten Berghügeln
emporstieg, stand ich ans, rüstete mich zur Abfahrt und wanderte, gleich nach dem
Frühstück, als noch die meisten Tanuuder kurzer Ruhe pflegten, sich eines Theils
von den überstandenen Strapatzen des letzten Abends auszuruhen, andererseits
ans die des nächsten vorzubereiten, einem schmalen Waldweg folgend, gen Gaw-
lertow", das ich etwa Nachmittags zwei Uhr erreichte, aber nicht betrat, sondern
links liegen ließ, einen kleinen Abstecher nach Bnchsselde zu machen, wo sich
die Brüder Schönburg aus Preußen -- Richard Schönburg auch schon dnrch
seine früheren Reisen mit seinem ältern Bruder in Guiana bekannt -- angesiedelt
hatten. Den einen der Brüder hatte ich schon in Adelaide kennen gelernt, und
wurde von den lieben Leuten wirklich auf das Herzlichste aufgenommen.

Buchsfelde liegt am Gawlcrfluß -- ein kleiner Creek der im Sommer, wie
fast alle australische Bäche, zu laufen aushört, und ist eine förmliche kleine deutsche
Kolonie, die dem wackern Leopold von Buch zu Ehren von Schvmbnrgs
Buchsfelde genannt wurde. Schomburgs selber haben hier eine Section Land,
und obgleich sie im Anfang, an daS Land selber wie an die harte Arbeit nicht
gewöhnt, noch dazu mit vielem Unglück, wie schlechter Ernte und krankem Bich
zu kämpfen hatten, so zeigen sie doch jetzt, was der Wille des Menschen vermag,
wenn er einmal, mit ruhiger Ueberlegung, auf ein vorgestecktes Ziel fest gerichtet
ist. Was sie früher mit fremder Hilfe bestellen -ließen, und was schlecht geriet!),
das haben sie jetzt selber angegriffen, und die Saat steht bis jetzt vorzüglich, ihr
Bich befindet sich vortrefflich; ein Garten, den Richard Schönburg in ziemlich
großem Maßstab, und mit unsäglicher Mühe und Arbeit angelegt hat, ist seiner
Vollendung nahe, Wein und Fruchtbäume sind gepflanzt, mehrere Gebäude, die
sie größerer Bequemlichkeit wegen angefangen haben, werden auch wol noch


Flucht entzogen — also war es doch die Figur gewesen, die Du durch die Büsche so
lange, halb gedankenlos, halb sinnend beobachtet hattest, und horte ich nicht selbst
heute Abend wieder und mit eigenen Ohren, wie der ehrliche Schmied, der einen
wahren Abscheu vor solchen Gräueln hatte, dem jungen Mann, mit dessen Frau
dn den ganzen Abend in schwimmender Seligkeit dahinflogst, und der du die
Hände drücktest bis sie schrie — leise und gutmüthig warnend zuflüsterte „auf seiue Frau
Acht zu geben — sie sei in Gefahr?" — O lieber Herr Nachbar - denn mit Recht
durften wir uns so nennen, da ich No. und dn No. 7 wohntest — in Gefahr
an deiner Seite — und doch standest du da, mit dem engen Beinkleidchen und
dem knappen Röckchen und dem im rechten Winkel sorgfältig ausgestreckten Ell¬
bogen und »ach vorn gebogenen Däumchen — jeder Zoll ein Schneider -—

Doch genug, genug, es ist vou jeher mein Schicksal gewesen, mich von Allem,
was mir lieb geworden, wieder losreißen zu müssen. So lebe denn wohl, und
möge Dich Gott vor allen rachedürstenden Schusterfrauen, wie eifersüchtigen Ehe¬
männern bewahren.

Am nächsten Morgen, als eben die Sonne über den nächsten Berghügeln
emporstieg, stand ich ans, rüstete mich zur Abfahrt und wanderte, gleich nach dem
Frühstück, als noch die meisten Tanuuder kurzer Ruhe pflegten, sich eines Theils
von den überstandenen Strapatzen des letzten Abends auszuruhen, andererseits
ans die des nächsten vorzubereiten, einem schmalen Waldweg folgend, gen Gaw-
lertow», das ich etwa Nachmittags zwei Uhr erreichte, aber nicht betrat, sondern
links liegen ließ, einen kleinen Abstecher nach Bnchsselde zu machen, wo sich
die Brüder Schönburg aus Preußen — Richard Schönburg auch schon dnrch
seine früheren Reisen mit seinem ältern Bruder in Guiana bekannt — angesiedelt
hatten. Den einen der Brüder hatte ich schon in Adelaide kennen gelernt, und
wurde von den lieben Leuten wirklich auf das Herzlichste aufgenommen.

Buchsfelde liegt am Gawlcrfluß — ein kleiner Creek der im Sommer, wie
fast alle australische Bäche, zu laufen aushört, und ist eine förmliche kleine deutsche
Kolonie, die dem wackern Leopold von Buch zu Ehren von Schvmbnrgs
Buchsfelde genannt wurde. Schomburgs selber haben hier eine Section Land,
und obgleich sie im Anfang, an daS Land selber wie an die harte Arbeit nicht
gewöhnt, noch dazu mit vielem Unglück, wie schlechter Ernte und krankem Bich
zu kämpfen hatten, so zeigen sie doch jetzt, was der Wille des Menschen vermag,
wenn er einmal, mit ruhiger Ueberlegung, auf ein vorgestecktes Ziel fest gerichtet
ist. Was sie früher mit fremder Hilfe bestellen -ließen, und was schlecht geriet!),
das haben sie jetzt selber angegriffen, und die Saat steht bis jetzt vorzüglich, ihr
Bich befindet sich vortrefflich; ein Garten, den Richard Schönburg in ziemlich
großem Maßstab, und mit unsäglicher Mühe und Arbeit angelegt hat, ist seiner
Vollendung nahe, Wein und Fruchtbäume sind gepflanzt, mehrere Gebäude, die
sie größerer Bequemlichkeit wegen angefangen haben, werden auch wol noch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/181>, abgerufen am 28.12.2024.