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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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sah ich einen andern in Buenos-Ayres, damals war ich aber, wegen meiner Land¬
reise und den entsetzlichen Schilderungen und Prophezeiungen, die ich darüber
höre" mußte in einer zu aufgeregten Stimmung mich viel uni ihn zu bekümmern.
Ein Prachtexemplar lernte ich aber in Kalifornien kennen -- >in.to.wdn, oder
Johnny, oder Napoleon, wie er seines Hutes wegen genannt wurde, ist in den
ganzen südlichen Minen bekannt. Einen kleinern, lüdcrlichcrn aber auch
fidelern und gutmüthigem Schneider gab es ans der ganzen Welt nicht mehr,
und schon drei Mal hatte er in den Minen ein Vermögen gesunde", und drei
Mal auch mit größter Gewissenhaftigkeit bis ans den letzten (wie durchgebracht.

Das nächste Exemplar faud ich auf Tahiti in der Südsee, unter der Regie¬
rung Ihrer huldreichen Majestät, der Königin Pomare. In Adelaide, Australien,
war ein anderes, dem letztem wie aus der Seele gestohlen, ein berühmter
Domiuospieler, und ein so kurzes komisches Stück Weltgeschichte, wie man sich
nnr deuten kann, -- nud der leiste der Mohikaner -- Muse leihe mir den
kühnsten deiner Flügel, das Würdigste, das Holdseligste, was DU noch je von
kleineren deutschen Schneidern geschaffen, auch würdig zu beschreiben. Doch
nein, hier entsinkt der Griffel meiner Hand -- Dich, c- Du lieber kleiner Herr
Nachbar, Dich mein wonniges Schneidcrlein mit Deinem allerliebsten kleinen kur¬
zen Röckchen, den sorgfältig gewichsten Stiefelchen, den get'rauften nud wahrhaft
indianisch pommadisirteu Härchen, dem Lächeln und dem bezaubernden Lächeln
mit dem Dn Dich der liebenswürdigen -- doch das sind Privatsachen -- ja mir
fehlt das Wort, das Alles, Dein ganzes Was --- Dein ganzes Ich -- oder hier¬
her gehört wirklich der Gattungsname, -- also Dein ganzes Wir zu beschrei¬
ben. Und was für ein kleiner Sappermcnter, für ein kleiner gefährlicher
Don Juan Du warst -- war nicht des Schuhmachers Frau vor kurzer Zeit
erst in wahrer Verzweiflung zu Dir den gauzeu langen Weg von Adelaide her¬
aufgekommen, und hattest Du nicht allein ihr früher ach nur zu leichtgläubiges
Herz zurückgewiesen, sondern sie anch noch -- o Du eiserner Spötter -- mit
einer prosaischen Geldfvrderung "an Deinen Finanzminister" gewiesen? -- hatte
ihr Mann Unrecht, als er ihr zwei Tage danach folgte, Dich einen Verführer
und lüderlicher -- nicht Don Juan, sondern etwas anders zu nennen, und Dir
zu wünschen, daß Dich seine Frau nicht blos das kleine Bißchen, sondern recht
ordentlich "verledcrt hätte" -- o es war ein wahrer schnhmacherlicher Ausdruck.
Ich hatte damals die Willenskraft bewundert, mit der Du Dich, wie durch eine
Versenkung seinem Zorn und seiner Nähe entzogst, wahrscheinlich schrittest Du
nachher, während Dich der herzlose Schuster überall suchte, irgendwo im Waldes-
dunkel, rachcbrntend ans nud ab, und harrest nach, wie Dn am schnellsten und
sichersten Genugthuung für die erlittene Schmach bekämest -- o wie Dir das
Herz blutete, als Du schon am nächsten Morgen elf Uhr wieder zurückkehrtest und
erfuhrst, der Schuhmacher habe sich Dir vor etwa einer halben Stunde durch die


sah ich einen andern in Buenos-Ayres, damals war ich aber, wegen meiner Land¬
reise und den entsetzlichen Schilderungen und Prophezeiungen, die ich darüber
höre» mußte in einer zu aufgeregten Stimmung mich viel uni ihn zu bekümmern.
Ein Prachtexemplar lernte ich aber in Kalifornien kennen — >in.to.wdn, oder
Johnny, oder Napoleon, wie er seines Hutes wegen genannt wurde, ist in den
ganzen südlichen Minen bekannt. Einen kleinern, lüdcrlichcrn aber auch
fidelern und gutmüthigem Schneider gab es ans der ganzen Welt nicht mehr,
und schon drei Mal hatte er in den Minen ein Vermögen gesunde», und drei
Mal auch mit größter Gewissenhaftigkeit bis ans den letzten (wie durchgebracht.

Das nächste Exemplar faud ich auf Tahiti in der Südsee, unter der Regie¬
rung Ihrer huldreichen Majestät, der Königin Pomare. In Adelaide, Australien,
war ein anderes, dem letztem wie aus der Seele gestohlen, ein berühmter
Domiuospieler, und ein so kurzes komisches Stück Weltgeschichte, wie man sich
nnr deuten kann, — nud der leiste der Mohikaner — Muse leihe mir den
kühnsten deiner Flügel, das Würdigste, das Holdseligste, was DU noch je von
kleineren deutschen Schneidern geschaffen, auch würdig zu beschreiben. Doch
nein, hier entsinkt der Griffel meiner Hand — Dich, c- Du lieber kleiner Herr
Nachbar, Dich mein wonniges Schneidcrlein mit Deinem allerliebsten kleinen kur¬
zen Röckchen, den sorgfältig gewichsten Stiefelchen, den get'rauften nud wahrhaft
indianisch pommadisirteu Härchen, dem Lächeln und dem bezaubernden Lächeln
mit dem Dn Dich der liebenswürdigen — doch das sind Privatsachen — ja mir
fehlt das Wort, das Alles, Dein ganzes Was —- Dein ganzes Ich -- oder hier¬
her gehört wirklich der Gattungsname, — also Dein ganzes Wir zu beschrei¬
ben. Und was für ein kleiner Sappermcnter, für ein kleiner gefährlicher
Don Juan Du warst — war nicht des Schuhmachers Frau vor kurzer Zeit
erst in wahrer Verzweiflung zu Dir den gauzeu langen Weg von Adelaide her¬
aufgekommen, und hattest Du nicht allein ihr früher ach nur zu leichtgläubiges
Herz zurückgewiesen, sondern sie anch noch — o Du eiserner Spötter — mit
einer prosaischen Geldfvrderung „an Deinen Finanzminister" gewiesen? — hatte
ihr Mann Unrecht, als er ihr zwei Tage danach folgte, Dich einen Verführer
und lüderlicher — nicht Don Juan, sondern etwas anders zu nennen, und Dir
zu wünschen, daß Dich seine Frau nicht blos das kleine Bißchen, sondern recht
ordentlich „verledcrt hätte" — o es war ein wahrer schnhmacherlicher Ausdruck.
Ich hatte damals die Willenskraft bewundert, mit der Du Dich, wie durch eine
Versenkung seinem Zorn und seiner Nähe entzogst, wahrscheinlich schrittest Du
nachher, während Dich der herzlose Schuster überall suchte, irgendwo im Waldes-
dunkel, rachcbrntend ans nud ab, und harrest nach, wie Dn am schnellsten und
sichersten Genugthuung für die erlittene Schmach bekämest — o wie Dir das
Herz blutete, als Du schon am nächsten Morgen elf Uhr wieder zurückkehrtest und
erfuhrst, der Schuhmacher habe sich Dir vor etwa einer halben Stunde durch die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/180>, abgerufen am 24.07.2024.