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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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diese" Winter beendet werden, und sie können sage", daß sie in dem fremden
Lande, nach dem Abschied von der Heimath, das Schwerste überstanden haben --
es ist aber immer die Heimath nicht, und dem gebildeten Manne bietet ein wilder
Welttheil nie das, was es dem, nur für seine persönlichen Bedürfnisse sorgende"
Arbeitsmann bieten kann, und der erste hat doch so viel tausendmal mehr dafür
verloren. El" Rübe ist weit leichter verpflanzt, als eine Rose; die eine wird,
wie sie da eben ist, ans dem Boden gezogen und wo anders wieder eingesteckt
und eingedrückt -- nach dem ersten Regen oder der ersten Gießkanne voll ist sie
zu Hause -- an der Rose müssen erst die tausend und tausend Wurzeln und
Fasern, die nicht beim ersten Ausnehmen etwa schon gewaltsam abrissen, auch noch
abgeschnitten werde", sie für die ihr bestimmte enge Behausung zugänglich zu
machen, und das thut der armen Rose oft so entsetzlich weh -- aber sie grünt
und blüht deshalb doch, und treibt, wenigstens in den nächsten Jahren, die
schönsten Knospen und Blumen.

Richard Schönburg, ein tüchtiger Kunstgärtner, hat, wie ich schon vorher
erwähnte, damals mit seinem ältern Bruder Guiana bereist, und sich jetzt hier
in Süd-Australie" niedergelassen, wo ein vortrefflich angelegter Garten von seiner
Thätigkeit Zeugniß giebt. --

Sein anderer Bruder, l)r. Otto Schönburg, vereinigt alle drei Facultäten
in sich, denn außer dem, daß er Feld und Garten mit bestellt und als Architekt
und Bicharzt hilfreiche Hand leistet, hat er eine ziemlich bedeutende medicinische
Praxis in der Umgegend, besonders als Geburtshelfer, ist dabei zum Friedens¬
richter seines kleinen Districts ernannt worden, und wird nächstens, wenn sich die
Bnchöfelder erst eine Kirche gebaut habe", was jetzt im Werke ist, auch predigen.
-- Das heißt praktisch.

Zur Charakteristik der Deutschen in Anstralien glaube ich aber zwei Fälle
nicht unerwähnt lassen zu dürfen, die gerade damals dort vorfielen. Es war
eben in der schlimmsten Aufregung der Mahlzeit, und zwar sollte der District auf
der andern Seite des Gawler am nächsten Tag seine Stimmen sammeln. Wir
saßen beim Abendbrod, als der eine der Brüder einen Augenblick hinausgerufen
wurde. Lachend kam er wieder herein und erzählte uns, was er gesollt. Draußen
war ein Deutscher gerade über dem Creek drüben gewesen, und hatte ihn gefragt,
was der Zettel bedeute, den er den Nachmittag bekommen. Es war dies eines
der gewöhnlichen vom Magistrat jedes Districts ausgestellten Papiere, dnrch
welche die verschiedenen Wähler von der Zeit der Wahl in Kenntniß gesetzt und
aufgefordert wurden, derselben beizuwohnen. ,,Und muß ich da gehen?" frug
der Deutsche -- d. h. ungefähr, verlangtes die Polizei? Herr Schönburg
erklärte ihm, daß er allerdings ni es t polizeilich gezwungen werden könne, daß es
aber seine Pflicht als Bürger sei, seine Stimme ebenfalls für die Wahl eines
Vertreters abzugeben, damit die wirkliche Meinung der Majorität bet'aune würde,


diese» Winter beendet werden, und sie können sage», daß sie in dem fremden
Lande, nach dem Abschied von der Heimath, das Schwerste überstanden haben —
es ist aber immer die Heimath nicht, und dem gebildeten Manne bietet ein wilder
Welttheil nie das, was es dem, nur für seine persönlichen Bedürfnisse sorgende»
Arbeitsmann bieten kann, und der erste hat doch so viel tausendmal mehr dafür
verloren. El» Rübe ist weit leichter verpflanzt, als eine Rose; die eine wird,
wie sie da eben ist, ans dem Boden gezogen und wo anders wieder eingesteckt
und eingedrückt — nach dem ersten Regen oder der ersten Gießkanne voll ist sie
zu Hause — an der Rose müssen erst die tausend und tausend Wurzeln und
Fasern, die nicht beim ersten Ausnehmen etwa schon gewaltsam abrissen, auch noch
abgeschnitten werde», sie für die ihr bestimmte enge Behausung zugänglich zu
machen, und das thut der armen Rose oft so entsetzlich weh — aber sie grünt
und blüht deshalb doch, und treibt, wenigstens in den nächsten Jahren, die
schönsten Knospen und Blumen.

Richard Schönburg, ein tüchtiger Kunstgärtner, hat, wie ich schon vorher
erwähnte, damals mit seinem ältern Bruder Guiana bereist, und sich jetzt hier
in Süd-Australie» niedergelassen, wo ein vortrefflich angelegter Garten von seiner
Thätigkeit Zeugniß giebt. —

Sein anderer Bruder, l)r. Otto Schönburg, vereinigt alle drei Facultäten
in sich, denn außer dem, daß er Feld und Garten mit bestellt und als Architekt
und Bicharzt hilfreiche Hand leistet, hat er eine ziemlich bedeutende medicinische
Praxis in der Umgegend, besonders als Geburtshelfer, ist dabei zum Friedens¬
richter seines kleinen Districts ernannt worden, und wird nächstens, wenn sich die
Bnchöfelder erst eine Kirche gebaut habe», was jetzt im Werke ist, auch predigen.
— Das heißt praktisch.

Zur Charakteristik der Deutschen in Anstralien glaube ich aber zwei Fälle
nicht unerwähnt lassen zu dürfen, die gerade damals dort vorfielen. Es war
eben in der schlimmsten Aufregung der Mahlzeit, und zwar sollte der District auf
der andern Seite des Gawler am nächsten Tag seine Stimmen sammeln. Wir
saßen beim Abendbrod, als der eine der Brüder einen Augenblick hinausgerufen
wurde. Lachend kam er wieder herein und erzählte uns, was er gesollt. Draußen
war ein Deutscher gerade über dem Creek drüben gewesen, und hatte ihn gefragt,
was der Zettel bedeute, den er den Nachmittag bekommen. Es war dies eines
der gewöhnlichen vom Magistrat jedes Districts ausgestellten Papiere, dnrch
welche die verschiedenen Wähler von der Zeit der Wahl in Kenntniß gesetzt und
aufgefordert wurden, derselben beizuwohnen. ,,Und muß ich da gehen?" frug
der Deutsche — d. h. ungefähr, verlangtes die Polizei? Herr Schönburg
erklärte ihm, daß er allerdings ni es t polizeilich gezwungen werden könne, daß es
aber seine Pflicht als Bürger sei, seine Stimme ebenfalls für die Wahl eines
Vertreters abzugeben, damit die wirkliche Meinung der Majorität bet'aune würde,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/182>, abgerufen am 24.07.2024.