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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Geschichte doch mit so viel Liebe und Behagen zusammengesetzt und es ist eine so gute
und verständige Art darin, und so viele kleine interessante Anekdoten, daß das Buch,
wie auch seine künstlerische Berechtigung sein mag, doch für Viele eine angenehme Lec-
ture sein darf

Florian. Eine Erzählung von Josef Rank. 2 Thle. Leipzig F. L> Heri'ig
18S3.
Moor gar den. Eine Erzählung von Josef Rank. Stuttgart, F. Köhler.
1831.
Geschichten armer Leute erzählt von Josef Rank. Stuttgart, C. Mänler,
-1833.

Der Verfasser hat sich zuerst durch kleine Bilder mit böhmischer Loealfarbc bekannt
gemacht, und ist seitdem ein fleißiger Schriftsteller geworden; aber so lebhaft er auch
Einzelheiten anschaut und darstellt, so ist es ihm doch nicht möglich, Personen in der
Bewegung zu zeichnen und eine Begebenheit zu erfinden, welche durch die Thätigkeit
verschiedenartiger Charaktere verständig fortgeführt und zu einen Schluß gebracht wird.
Ja, es ist merkwürdig, wie schwer es ihm wird, eine Geschichte zu erzählen, Ursachen
und Wirkungen übersichtlich darzustellen und Anfang, Verlauf und Ende in ein richtiges
Verhältniß z u setzen. Florian soll das Leben eines armen Dvrsknaben enthalten, der
in kümmerlichen und ungeordneten Verhältnissen aufgewachsen ist, plötzlich zu
ungeheurem Reichthum und dadurch in eine radical andere Stellung zum Leben
kommt, den Kampf mit dem Leben zu bestehen und sich selbst zurecht zu finden hat.
Der Verfasser kommt erst im zweiten Theile dazu, dem jungen Burschen die Erb¬
schaft zu verschaffen, und versucht auf den wenigen noch übrigen Bogen das neue
Leben desselben zu ordnen, indem er ihn in die gebildete Welt einführt und dort kleine
Erfahrungen machen läßt. -- Das ist eine unbillige Verwendung des Raumes. Da
aber dem Verfasser von früheren Bcurtheilcrn bereits vorgeworfen ist, daß die Geschichte
am Schluß gar nicht zu Ende sei, ja erst recht angehen müsse; so beschränken wir
uns daraus, einen gemäßigten Ausfall gegen seine Methode, Charaktere zu zeichnen,
anzubringen. Er hat ^ein wohlwollendes Gemüth und viel Liebe zu seinen Figuren,
aber er ist deshalb und noch aus anderen Gründen zu gut gegen sie, er läßt ihnen zu
viel Willen, er freut sich über Alles, was ihnen einfällt, auch über nuvcrständigeS Zeug.
Wenn ein Schriftsteller in den Fehler verfällt, seine eigenen Charaktere zu bewundern,
und dieselben auch in gleichgiltigen Situationen als etwas merkwürdig Großes oder
Schönes oder Jmponirendcs darzustellen, so wird der Leser leicht kritisch und fängt an
zu untersuchen, ob die so geschilderte Person wirklich groß und imponirend, oder auch
nur der Situativ" angemessen handle. Und wenn er entdecken sollte, daß dies nicht
der Fall ist, und daß der Autor da Verehrung für seine Helden verlangt, wo der
Leser diese unmöglich gewähren kann, sondern vielmehr das Gegentheil, so entsteht in
dem Leser leicht ein Zustand von Hcrzensverhärtnng und tückischer Blasirtheit, der für
den Verfasser gefährlich ist.

Aber die Darstellung des Herrn Josef Rank leidet noch an einem andern verwandten
Uebelstand. Eine Probe seines Styls mag das beweisen. Eine junge Dame tritt in die
Familienstube, wo Mutter und Schwester sie beim Frühstück erwarten. Ihr Eintritt
wird folgendermaßen geschildert: "In diesem Augenblicke unterbrach ein leises Rauschen
das Gespräch. Liane war in den Salon getreten. Sie blieb an der Thüre ihres


Geschichte doch mit so viel Liebe und Behagen zusammengesetzt und es ist eine so gute
und verständige Art darin, und so viele kleine interessante Anekdoten, daß das Buch,
wie auch seine künstlerische Berechtigung sein mag, doch für Viele eine angenehme Lec-
ture sein darf

Florian. Eine Erzählung von Josef Rank. 2 Thle. Leipzig F. L> Heri'ig
18S3.
Moor gar den. Eine Erzählung von Josef Rank. Stuttgart, F. Köhler.
1831.
Geschichten armer Leute erzählt von Josef Rank. Stuttgart, C. Mänler,
-1833.

Der Verfasser hat sich zuerst durch kleine Bilder mit böhmischer Loealfarbc bekannt
gemacht, und ist seitdem ein fleißiger Schriftsteller geworden; aber so lebhaft er auch
Einzelheiten anschaut und darstellt, so ist es ihm doch nicht möglich, Personen in der
Bewegung zu zeichnen und eine Begebenheit zu erfinden, welche durch die Thätigkeit
verschiedenartiger Charaktere verständig fortgeführt und zu einen Schluß gebracht wird.
Ja, es ist merkwürdig, wie schwer es ihm wird, eine Geschichte zu erzählen, Ursachen
und Wirkungen übersichtlich darzustellen und Anfang, Verlauf und Ende in ein richtiges
Verhältniß z u setzen. Florian soll das Leben eines armen Dvrsknaben enthalten, der
in kümmerlichen und ungeordneten Verhältnissen aufgewachsen ist, plötzlich zu
ungeheurem Reichthum und dadurch in eine radical andere Stellung zum Leben
kommt, den Kampf mit dem Leben zu bestehen und sich selbst zurecht zu finden hat.
Der Verfasser kommt erst im zweiten Theile dazu, dem jungen Burschen die Erb¬
schaft zu verschaffen, und versucht auf den wenigen noch übrigen Bogen das neue
Leben desselben zu ordnen, indem er ihn in die gebildete Welt einführt und dort kleine
Erfahrungen machen läßt. — Das ist eine unbillige Verwendung des Raumes. Da
aber dem Verfasser von früheren Bcurtheilcrn bereits vorgeworfen ist, daß die Geschichte
am Schluß gar nicht zu Ende sei, ja erst recht angehen müsse; so beschränken wir
uns daraus, einen gemäßigten Ausfall gegen seine Methode, Charaktere zu zeichnen,
anzubringen. Er hat ^ein wohlwollendes Gemüth und viel Liebe zu seinen Figuren,
aber er ist deshalb und noch aus anderen Gründen zu gut gegen sie, er läßt ihnen zu
viel Willen, er freut sich über Alles, was ihnen einfällt, auch über nuvcrständigeS Zeug.
Wenn ein Schriftsteller in den Fehler verfällt, seine eigenen Charaktere zu bewundern,
und dieselben auch in gleichgiltigen Situationen als etwas merkwürdig Großes oder
Schönes oder Jmponirendcs darzustellen, so wird der Leser leicht kritisch und fängt an
zu untersuchen, ob die so geschilderte Person wirklich groß und imponirend, oder auch
nur der Situativ» angemessen handle. Und wenn er entdecken sollte, daß dies nicht
der Fall ist, und daß der Autor da Verehrung für seine Helden verlangt, wo der
Leser diese unmöglich gewähren kann, sondern vielmehr das Gegentheil, so entsteht in
dem Leser leicht ein Zustand von Hcrzensverhärtnng und tückischer Blasirtheit, der für
den Verfasser gefährlich ist.

Aber die Darstellung des Herrn Josef Rank leidet noch an einem andern verwandten
Uebelstand. Eine Probe seines Styls mag das beweisen. Eine junge Dame tritt in die
Familienstube, wo Mutter und Schwester sie beim Frühstück erwarten. Ihr Eintritt
wird folgendermaßen geschildert: „In diesem Augenblicke unterbrach ein leises Rauschen
das Gespräch. Liane war in den Salon getreten. Sie blieb an der Thüre ihres


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[0167] Geschichte doch mit so viel Liebe und Behagen zusammengesetzt und es ist eine so gute und verständige Art darin, und so viele kleine interessante Anekdoten, daß das Buch, wie auch seine künstlerische Berechtigung sein mag, doch für Viele eine angenehme Lec- ture sein darf Florian. Eine Erzählung von Josef Rank. 2 Thle. Leipzig F. L> Heri'ig 18S3. Moor gar den. Eine Erzählung von Josef Rank. Stuttgart, F. Köhler. 1831. Geschichten armer Leute erzählt von Josef Rank. Stuttgart, C. Mänler, -1833. Der Verfasser hat sich zuerst durch kleine Bilder mit böhmischer Loealfarbc bekannt gemacht, und ist seitdem ein fleißiger Schriftsteller geworden; aber so lebhaft er auch Einzelheiten anschaut und darstellt, so ist es ihm doch nicht möglich, Personen in der Bewegung zu zeichnen und eine Begebenheit zu erfinden, welche durch die Thätigkeit verschiedenartiger Charaktere verständig fortgeführt und zu einen Schluß gebracht wird. Ja, es ist merkwürdig, wie schwer es ihm wird, eine Geschichte zu erzählen, Ursachen und Wirkungen übersichtlich darzustellen und Anfang, Verlauf und Ende in ein richtiges Verhältniß z u setzen. Florian soll das Leben eines armen Dvrsknaben enthalten, der in kümmerlichen und ungeordneten Verhältnissen aufgewachsen ist, plötzlich zu ungeheurem Reichthum und dadurch in eine radical andere Stellung zum Leben kommt, den Kampf mit dem Leben zu bestehen und sich selbst zurecht zu finden hat. Der Verfasser kommt erst im zweiten Theile dazu, dem jungen Burschen die Erb¬ schaft zu verschaffen, und versucht auf den wenigen noch übrigen Bogen das neue Leben desselben zu ordnen, indem er ihn in die gebildete Welt einführt und dort kleine Erfahrungen machen läßt. — Das ist eine unbillige Verwendung des Raumes. Da aber dem Verfasser von früheren Bcurtheilcrn bereits vorgeworfen ist, daß die Geschichte am Schluß gar nicht zu Ende sei, ja erst recht angehen müsse; so beschränken wir uns daraus, einen gemäßigten Ausfall gegen seine Methode, Charaktere zu zeichnen, anzubringen. Er hat ^ein wohlwollendes Gemüth und viel Liebe zu seinen Figuren, aber er ist deshalb und noch aus anderen Gründen zu gut gegen sie, er läßt ihnen zu viel Willen, er freut sich über Alles, was ihnen einfällt, auch über nuvcrständigeS Zeug. Wenn ein Schriftsteller in den Fehler verfällt, seine eigenen Charaktere zu bewundern, und dieselben auch in gleichgiltigen Situationen als etwas merkwürdig Großes oder Schönes oder Jmponirendcs darzustellen, so wird der Leser leicht kritisch und fängt an zu untersuchen, ob die so geschilderte Person wirklich groß und imponirend, oder auch nur der Situativ» angemessen handle. Und wenn er entdecken sollte, daß dies nicht der Fall ist, und daß der Autor da Verehrung für seine Helden verlangt, wo der Leser diese unmöglich gewähren kann, sondern vielmehr das Gegentheil, so entsteht in dem Leser leicht ein Zustand von Hcrzensverhärtnng und tückischer Blasirtheit, der für den Verfasser gefährlich ist. Aber die Darstellung des Herrn Josef Rank leidet noch an einem andern verwandten Uebelstand. Eine Probe seines Styls mag das beweisen. Eine junge Dame tritt in die Familienstube, wo Mutter und Schwester sie beim Frühstück erwarten. Ihr Eintritt wird folgendermaßen geschildert: „In diesem Augenblicke unterbrach ein leises Rauschen das Gespräch. Liane war in den Salon getreten. Sie blieb an der Thüre ihres

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/167>, abgerufen am 28.12.2024.